Die Temperatur der Quanten

 

erstellt am
09. 09. 13
14.00 MEZ

An der TU Wien gelingt es, die Grenzregion zwischen der klassischen und der Quantenwelt zu untersuchen.
Wien (tu) - Wie entsteht eine klassische Temperatur in der Quantenwelt? An der TU Wien konnte die Entstehung und Ausbreitung einer Temperatur direkt beobachtet werden. Das Erstaunliche ist: Quanteneigenschaften gehen von alleine verloren, ohne dass Einfluss von außen nötig ist. Die Resultate erscheinen nun in "Nature Physics".

Quanten und klassische Physik: Vom Kleinen zum Großen
Der Zusammenhang zwischen der mikroskopischen Welt der Quantenphysik und unserer Alltagswelt, in der viel größere Objekte eine Rolle spielen, gibt uns bis heute Rätsel auf. Experimente mit ultrakalten Atom-Wolken an der TU Wien zeigen nun, wie ein Quanten-Objekt ganz von selbst in einen Zustand übergeht, dem man eine Temperatur zuordnen kann.

Wenn man ein Quanten-System misst, verändert man es und zerstöret die Quanten-Eigenschaften. So kann man etwa eine Wolke von Atomen so präparieren, dass jedes Atom sich gleichzeitig an verschiedenen Orten befindet, in perfekter Quanten-Überlagerung. Sobald man den Ort der Atome aber misst, wird diese Überlagerung zerstört. Übrig bleiben Atome, die sich an einem bestimmten Ort befinden - sie verhalten sich dann so, wie man das eben auch von klassischen Objekten gewohnt ist.

In diesem Fall entsteht der Übergang vom Quanten-Verhalten ins gewohnte klassische Verhalten durch einen äußeren Eingriff. Doch was geschieht, wenn man das Quantensystem nicht von außen beeinflusst? Kann es dann trotzdem klassische Eigenschaften annehmen - zum Beispiel eine wohldefinierte Temperatur?

Unordnung in der Quantenwelt
"Wir untersuchen Wolken aus einigen tausend Atomen", erklärt Tim Langen, Hauptautor der Studie aus der Arbeitsgruppe von Prof. Jörg Schmiedmayer an der TU Wien. "Diese Wolken sind noch klein genug, um sie gut von der Umwelt abschirmen zu können. Sie sind aber groß genug, um an ihnen zu studieren wie Quanteneigenschaften verloren gehen".

Im Experiment werden die Atomwolken aufgeteilt und die beiden Hälften nach einer gewissen Zeit miteinander verglichen. So lässt sich messen, wie eng verschiedene Punkte der Atomwolke noch quantenmechanisch miteinander verbunden sind. Ursprünglich ist diese Verbindung perfekt, alle Atome befinden sich in einem streng geordneten Quantenzustand. Doch weil es sich insgesamt um ein großes Objekt aus vielen Atomen handelt, bleibt diese Ordnung nicht lange erhalten.

Verlust der Quanten-Ordnung ohne Einfluss von außen
Weil die Atome miteinander wechselwirken, beginnt sich mit einer gewissen Geschwindigkeit Unordnung auszubreiten. Dort wo bereits Unordnung herrscht, verlieren die Atome ihre Quanteneigenschaften. Man kann ihnen dann, wie bei einem klassischen Gas, eine Temperatur zuordnen. "Wie schnell sich dabei die Unordnung ausbreitet, hängt von der Anzahl der Atome ab", sagt Tim Langen. Dabei gibt es zu jedem Zeitpunkt eine klare Grenze zwischen dem Bereich, der bereits durch eine klassische Temperatur beschrieben werden kann, und dem Bereich in dem die Quanteneigenschaften noch unverändert sind.

Nach einer gewissen Zeit hat die Unordnung die gesamte Atomwolke erfasst. Die entscheidende Beobachtung dabei ist, dass dies ohne Kontakt zur Außenwelt allein durch Quanteneffekte passiert. "Bisher konnte ein solches Verhalten nur vermutet werden, unsere Experimente beweisen, dass sich die Natur tatsächlich so verhält", freut sich Jörg Schmiedmayer.

Atomwolken: Eine Welt für sich
Die Atomwolke verhält sich in gewissem Sinn wie ein eigenes Mini-Universum: Sie ist von der Außenwelt abgetrennt, ihr Verhalten wird also bloß durch seine inneren Eigenschaften bestimmt. Ausgehend von einem rein quantenmechanischen Zustand sieht sie nach einer gewissen Zeit "klassisch" ungeordnet aus, auch wenn sie sich ausschließlich nach den Regeln der Quantenphysik entwickelt. Das Experiment könnte uns also nicht nur helfen, das Verhalten großer Atomwolken zu verstehen, es hilft auch zu erklären, warum uns unsere Welt so klassisch erscheint, obwohl sie doch auf quantenphysikalischen Naturgesetzen beruht.

 

 

 

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