Eröffnung am 20. September
Graz (steirischer herbst) - Am 10.09. fand in Graz die Pressekonferenz zum steirischen herbst 2013 statt,
der kommende Woche, am 20. September, unter dem Leitmotiv „Liaisons dangereuses: Alliancen, Mesalliancen und falsche
Freunde“ eröffnet wird. Ging es vor einem Jahr um die Rolle der Kunst in gesellschaftsverändernden Momenten,
so beschäftigt die Organisatoren heuer daran anschließend: Welche Koalitionen und Kompromisse werden
geschlossen, um Visionen und Ziele durchzusetzen? Welche Abhängigkeitsverhältnisse tun sich da auf? Welche
Maß- und Missverhältnisse bilden sich in Seilschaften, Zwangsehen aller Art ab? Was, wenn der Grat zwischen
Koalition und Korruption immer schmäler wird? Und was sind denn letztlich die Konstellationen, in denen nun
endlich vorwärtszukommen wäre? Wie immer sind es mehr Fragen als Antworten, die bewegen.
Erstmals konnte man das noch im Umbau befindliche Festivalzentrum Ex-Zollamt besichtigen. Für vier Wochenenden
wird das ehemalige Zollamt nahe dem Grazer Bahnhof und das daneben liegende Jugendkulturzentrum Explosiv in ein
pulsierendes Zentrum für viele künstlerische Ereignisse verwandelt. Das Gelände ist nach mehrjährigem
Leerstand eine wilde Liaison mit der Natur eingegangen – Götterbäume, wilder Flieder, Pflanzen unterschiedlichster
Provenienz haben vom Gebäude und den umliegenden Freiflächen Besitz ergriffen. Ein Zustand, den die Künstler
des deutsch-französischen Landschaftsarchitektenteams atelier le balto bewusst so belassen und in ihre Gestaltung
integrieren. Hinzugefügt wird eine Gruppe merkwürdig schwebender Häuser, die, in der Nacht weithin
leuchtend, eine Atmosphäre schaffen, die sich zwischen innen und außen, öffentlich und privat,
zwischen transparent und verborgen bewegt.
Eröffnet wird das Ex-Zollamt am 20. September im Rahmen eines multiplen, insgesamt 10stündigen Eröffnungsparcours,
der bereits nachmittags mit Kris Verdoncks absurdem Sprach- und Maschinentheater rund um die Texte des russischen
Dichters Daniil Charms (Harms) beginnt. Abends wird die in Wien lebende, französische Choreografin Anne Juren
ihre Interpretation von Kafkas „Amerika“ und Martin Kippenbergers Amerika-Installation uraufführen – „Happy
End“ – und der Norweger Amund Sjølie Sveen mit seiner neuen Peformance-Lecture „Economic Theory for Dummies“,
einen Crash-Kurs in Sachen Finanzwirtschaft anbieten. Zwischendurch eröffnet die herbst-Ausstellung „Liquid
Assets“, die – kuratiert von Katerina Gregos und Luigi Fassi – den Mysterien und dunklen Flecken der weitgehend
virtualisie! rten globalen Geldströme nachspürt. Abends lädt der steirische herbst schließlich
ins Festivalzentrum zum großen Eröffnungsempfang mit anschließendem Konzert der tansanischen Band
Jagwa Music.
Liaisonen kann man auch in den Projekten der über die ganze Stadt und darüber hinaus verteilten Partnerinstitutionen
des steirischen herbst entdecken, die am Samstag des ersten Wochenendes, 21/09, im Rahmen eines Ausstellungsrundgangs
eröffnen.
Wälder waren einst Orte voller Magie und wilder Energie. Als Tempel der Götter, in denen sich in grauer
Vorzeit die Vermählung von Jäger und Tier erfüllte. Seit vergangenem Wochenende sind united sorry
(Robert Steijn und Frans Poelstra) mit einem Ensemble junger internationaler Performer, Choreografen und Musiker
in einem verschwiegenen Wald nahe Graz unterwegs, um ihre urtümliche Verbindung zur Natur wieder zu entdecken.
Robert Steijn und der belgische Tänzer Pieter Ampe berichteten bei der Pressekonferenz von den ersten Proben
von „the forest project “, das am 26. September in Peggau, Tannebenstraße 2 seine Premiere erleben wird.
Gebündelt und konzentriert diskutiert wird das diesjährige Leitmotiv im Rahmen der dreitägigen herbst-Konferenz
„Liaisons dangereuses“ am dritten Festivalwochenende (4. - 6. Oktober) im Ex-Zollamt. Rund 30 Teilnehmer aus 3
Kontinenten sind eingeladen, darunter der Philosoph Lieven De Cauter, der amerikanische Soziologe Erik Olin Wright,
der Theateraktivist Hector Aristizabal, die Autorin und Kuratorin Anna Lockward, die Chefkuratorin der Kunst-Werke
Berlin Ellen Blumenstein, die slowenische Theoretikerin und Künstlerin Marina Gržinic, der Kunstaktivist John
Jordan, der Architekt und Autor Markus Miessen sowie viele Künstler der Festival-Ausstellungen. Sie werden
zentrale Themen wie Teilhabe in postrevolutionären Zeiten und De-Kolonialismus ebenso thematisieren wie neue
Politiken der Organisation von Ökonomie und Arbeit – auf der Suche nach emanzipatorischen Alternativen in
Zeiten der Ungewissheit.
Präsentiert wurde auch das Magazin zum Festival: „herbst. Theorie zur Praxis“ mit Beiträgen von Lina
Attalah, Tanja Petrovic, Markus Miessen, Sonja Eismann, Maurizio Lazzarato, Lieven de Cauter, Gesa Ziemer, Andreas
Siekmann, Robert Misik, Jörg Albrecht, Alessandro Balteo Yazbeck, Jörg Scheller, Thomas Macho, Werner
Graebner, Beirut, Stewart Home, Cordula Simon, Boris Nikitin u.v.a.
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