27.09.2013 - So, 12.01.2014 in den Galerieräumen des Essl Museum Klosterneuburg
Klosterneuburg (essl museum) - Die Darstellung des Menschen ist eines der zentralen Themen in der bildenden
Kunst. Die Ausstellung >SEHNSUCHT ICH< behandelt anhand von zeitgenössischen Kunstwerken aus der Sammlung
Essl die vielfältigen Strategien, über künstlerische Ausdrucksmittel das menschliche Sein und sich
Selbst zu begreifen oder auch in Frage zu stellen. Was macht uns Menschen aus? Wie vermag es ein Bild, den Menschen
in seinem Ich und seiner Welt zu erfassen? Was erzählt es uns über den Künstler, die Künstlerin?
Zu sehen sind Malereien österreichischer und internationaler Künstlerinnen und Künstler, ergänzt
durch ausgewählte skulpturale Arbeiten. Ein Ausstellungshighlight sind die großformatigen Gobelins des
amerikanischen Fotorealisten Chuck Close, die zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Das Menschsein in seiner künstlerischen Vielfalt
Die einzelnen Galerieräume sind lose an die verschiedenen Lebensstadien des Menschen angelehnt. Die Menschenbilder
reichen von Kinder- und Jugendszenen über Selbstportraits und Menschenbilder im Spannungsverhältnis zur
Gesellschaft bis hin zu Reflexionen über Körper und Psyche, Vergänglichkeit, Tod und Erlösung.
Neben diesem inhaltlich roten Faden begegnet dem Besucher auf formaler Ebene die ganze Bandbreite der gegenständlichen
Malerei bis zur Auflösung der Figur. Bereits im Foyer des Essl Museums zeugen Menschenbildnisse in „Petersburger
Hängung“ von den vielfältigen Möglichkeiten, sich diesem Thema künstlerisch zu nähern.
Die Malereien reichen von Siegfried Anzinger und Marie Luise Lebschik, über Michael Horsky und Martin Schnur
bis zu Herbert Boeckl.
Unter dem Thema „Junge Menschen“ begrüßt die Besucher im ersten Galerieraum ein überdimensional
großes Bildnis eines neugeborenen Kindes. Auf den Stil des „Sozialistischen Realismus“ reagierend, setzt
der chinesische Künstler Fang Lijun selbstbewusst die Geburt seines Sohnes in Szene. Daneben treffen verstörende
Kinderdarstellungen von Teodora Axente auf gelangweilte Jugendliche von Muntean/Rosenblum, ein schießwütiger
Junge von Wang Dajun begegnet drei unheimlichen Kinderskulpturen von Judy Fox.
Mit „Chuck Close – Experimentierfeld Ich“ ist ein Raum den großformatigen Tapisserien des bedeutenden amerikanischen
Fotorealisten gewidmet. Er hat das Gesicht – insbesondere das eigene Abbild – als Hauptthema seiner Kunst auserkoren.
„Close up“-Polaroidaufnahmen bilden die Vorlagen für seine Gemälde, Druckgrafiken und Gobelins.
Im größten Ausstellungsraum treffen unter dem Thema „Blick auf sich selbst“ österreichische
Künstlerinnen und Künstler auf internationale Positionen: Elke Krystufek auf Francesco Clemente, Peter
Sengl auf Jörg Immendorff, Gottfried Helnwein auf Yue Minjun, Maria Lassnig auf Martin Kippenberger. Jonathan
Meese ist neben Portraits seiner selbst in Foto, Malerei und Skulptur auch mit dem Titel gebenden Bild „Sehnsucht
Ich“ vertreten.
In „Mensch und Gesellschaft“ finden sich Beispiele für Menschenbilder im Spannungs-verhältnis von Gesellschaft
und Politik. Yang Shaobin führt uns die Gewaltbereitschaft chinesischer Uniformierter vor Augen, Daniel Richter
imaginiert schemenhafte Gestalten von Bootsflüchtlingen, Jörg Immendorff sieht geradezu visionär
bereits im Jahr 1980 Menschen auf der Berliner Mauer tanzen oder Mona Hakimi Schüler erzählt von einer
Gruppe protestierender Frauen im Iran.
„Körper und Psyche“ sind immer wiederkehrende Motive und Themen in der Kunst. Bildnisse des verbitterten und
gequälten Zöglings von Reimo Wukounig und starke Frauenfiguren von Adolf Frohner stehen im Dialog zu
der überlebensgroßen Skulptur zweier alter Männer von Virgilius Moldowan, die sich als Benedikt
XVI. und Johannes Paul II. zu erkennen geben. Daneben sind u.a. auch der „Lebenszyklus“ von Maria Lassnig sowie
ein gemaltes „Denkmal für Gerstl“ von Franz Ringel zu sehen.
Die Ausstellung endet mit zwei Räumen, die unter dem Thema einer körperlichen Auflösung und seelischen
Erlösung stehen. Das „Memento Mori“-Motiv in Bildern von Herwig Zens und Markus Lüpertz steht den fast
gänzlich abstrakten Bilder von Martha Jungwirth gegenüber, in denen die Figur oft nur mehr als Ausgangspunkt
für eine reine Malerei erscheinen. Körperliche und formale „Auflösung“ bedingen einander. Der Auflösung
sind auch Malereien von Siegfried Anzinger und Zoran Mušic( verpflichtet, sie betonen mehr den Umraum als die kaum
fassbare, geistig-flüchtige Gestalt. Im letzten Raum bebildert Jörg Immendorff Leid, Todesahnung und
Hoffnung auf „Erlösung“. Mit einer Holztür von Antoni Tàpies, die nur mehr die menschlichen Fußabtritte
erkennen lässt und einem gelben Auferstehungsschüttbild mit weißem Hemd von Hermann Nitsch schließt
die Ausstellung.
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