Gemeinsame Initiative gegen Gigaliner
Wien (bmvit) - Am 17.09. hat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments zum ersten Mal den Kommissionsvorschlag
zur grenzüberschreitenden Zulassung von Gigalinern diskutiert. In dem Hearing hat sich gezeigt: Viele Experten
warnen vor hohen Kosten, die die Allgemeinheit zu tragen haben würde, nur Frächterorganisationen und
Fahrzeugherstellen sind für die Megatrucks. Verkehrsministerin Doris Bures und der EU-Abgeordnete der Sozialdemokratischen
Partei Österreichs (SPÖ) Jörg Leichtfried setzen sich auf allen Ebenen gegen die Zulassung der Riesen-Lastkraftwagen
(Lkw) ein.
In einer Pressekonferenz am 19.09. betonte Verkehrsministerin Doris Bures, "dass Gigaliner in absolutem Widerspruch
zu den europäischen und österreichischen Zielen einer nachhaltigen Verkehrspolitik stehen". Sie
verweist auf das aktuelle Weißbuch Verkehr der Europäischen Union (EU). Hier hat sich die Kommission
noch auf das Ziel verpflichtet, bis 2030 auf Strecken, die länger als 300 Kilometer (km) sind, 30 Prozent
des Straßengüterverkehrs auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern. Bures: "Mir geht es um
umweltfreundlichen Verkehr, und damit um Umweltschutz, Klimaschutz, Schutz der Bevölkerung vor Lärm,
Stau und Abgasen und um Verkehrssicherheit. Das heißt, Vorrang für die umweltfreundliche Bahn - Nein
zum Größenwahn auf Rädern!"
Jörg Leichtfried, SPÖ-EU-Abgeordneter und Chefverhandler im Europäischen Parlament für die
Richtlinie, sagte: "Es wird deutlich, dass mit diesem Richtlinienvorschlag nur wirtschaftliche Interessen
verfolgt werden und sich die Kommission dem Druck der Lobbyisten beugt. Weder für die Umwelt noch für
die Bürgerinnen und Bürger, die hohe Folgekosten zu tragen hätten, bringt der Einsatz der Monster-Lkws
Vorteile."
Bisher sind die Riesen-Lkws (Länge von über 25 Metern und einem Gewicht bis zu 60 Tonnen) nur in Teilen
Skandinaviens und den Niederlanden zugelassen sowie zu Testzwecken auch in einigen Bundesländern Deutschlands.
Geht es nach dem Willen der EU Kommission, so sollen künftig überlange Lkws auch Grenzen passieren dürfen.
Der Vorschlag der Kommission, die Gigaliner über Grenzen fahren zu lassen, wird und wurde von Österreich
bisher konsequent abgelehnt und vehement bekämpft. Dass nun ausgerechnet der österreichische EU-Kommissar
Hahn (Österreichische Volkspartei (ÖVP)) für die Zulassung von Riesen-Lkws lobbyiert und das mit
Umweltschutz, Verkehrssicherheit und Energieeffizienz argumentiert, ist für Verkehrsministerin Bures völlig
unverständlich.
Wörtlich schreibt Hahn in seinem Brief an den Bundesrat: "Das Hauptziel der vorgeschlagenen Änderung
besteht darin, die Energieeffizienz zu steigern, die Treibhausgasemissionen zu senken und die Sicherheit im Personen-
und Güterverkehr auf der Straße zu erhöhen." Dazu Bures: "Alle unsere Studienergebnisse
zeigen das Gegenteil: Gigaliner bedeuten weniger Verkehrssicherheit, enorme Kosten für die Infrastruktur und
Rückverlagerung vom Schwerverkehr auf die Straße", so Bures. Sie erneuert ihre Aufforderung an
die ÖVP, sich zu den klaren Zielsetzungen der österreichischen und europäischen Verkehrspolitik
zu bekennen.
"Die Kommission beruft sich auf innerstaatliche Einzelversuche, die sich nicht auf andere Länder umlegen
lassen. Sie hat es aber nicht für nötig gehalten, eine Folgenabschätzung für den grenzüberschreitenden
Verkehr von Gigalinern durchzuführen. Dieser Punkt wird auch von vielen EU-Parlamentariern anderer Parteien
kritisiert", erklärt Leichtfried. Denn zahlreiche Studien belegen, dass die negativen Auswirkungen überwiegen.
Im Hearing im Europäischen Parlament wurde am Beispiel Schweden gezeigt, wie stark und unmittelbar die Auswirkung
auf den Schienengüterverkehr ist. Schweden hat seit 1970 längere und schwerere Lkws zugelassen, mit zunächst
24 Meter (m) Länge und 51 Tonnen (t) Höchstgewicht. In den frühen 90ern wurde das Höchstgewicht
auf 56 t und dann auf 60 t erhöht, 1996 die maximale Länge auf 25,25 m ausgeweitet. Unmittelbare Folge:
Binnen weniger Jahre verlor die Bahn mehr als zehn Prozent ihrer Transportleistung, der Schwerverkehr auf der Straßen
nahm um mehr als zehn Prozent zu.
Voller Einsatz gegen grenzüberschreitende Zulassung
Verkehrsministerin Doris Bures setzt sich seit Beginn ihrer Amtszeit in den EU-Ministerräten, in bilateralen
Treffen mit europäischen VerkehrsministerInnen, im Rahmen der Alpenministerinnen- und - ministerkonferenz
und im direkten Kontakt mit der Kommission gegen EU-weite Zulassung der Megatrucks ein.
Heuer hat sie sich persönlich an die irische und die lettische EU-Präsidentschaft gewandt, mit dem Ersuchen,
den Vorschlag der Kommission zurückzustellen. So viel steht jetzt schon fest: Das Dossier wird von litauischer
Präsidentschaft nicht mehr behandelt, so wie es im ersten Halbjahr auch die irische Präsidentschaft nicht
auf die Tagesordnung genommen hat. Ein Schreiben an die griechische Präsidentschaft, die mit Jahreswechsel
übernimmt, ist bereits in Vorbereitung.
Und Österreich bemüht sich um Bündnispartner in der EU. Denn auch Polen, Slowenien, Tschechien,
Slowakei und Ungarn stehen dem Vorschlag der Kommission sehr kritisch gegenüber. Das Ziel der Verkehrsministerin:
Sie will alles tun, um eine Sperrminorität im Verkehrsministerrat zu erreichen, sollte es zu einer Abstimmung
über den Richtlinienvorschlag der Kommission kommen.
Die Studien zu den Auswirkungen von Gigalinern auf Infrastruktur, Verkehrssicherheit und Schienengüterverkehr
werden derzeit aktualisiert, und zwar im Hinblick auf die aktuelle Fragestellung, dass für Gigalinern im grenzüberschreitenden
Einsatz das Gewichtslimit bei 40 Tonnen bleibt und die Länge bis zu 25,25 Meter ausgeweitet wird. Die Studien
sind noch nicht endgültig fertig, aber erste Ergebnisse zeigen: Auch bei einer reinen Anhebung der Abmessung
und gleichbleibendem Gewicht sind die Auswirkungen auf Verkehrssicherheit, Infrastrukturkosten und Bahngüterverkehr
negativ. Sobald die Endergebnisse vorliegen, wird die Verkehrsministerin die Studien wieder dem Europäischen
Parlament und der Kommission zur Verfügung stellen.
Leichtfried schlägt umfangreiche Änderungen vor
In einem ersten Berichtsentwurf (Arbeitspapier) hat Jörg Leichtfried bereits umfangreiche Änderungen
am Kommissionstext vorgeschlagen. Neben einer klaren Ablehnung des grenzüberschreitenden Einsatzes von Megatrucks
fordert der Berichterstatter unter anderem verpflichtende neue Sicherheitsmaßnahmen für alle Lkws. Skeptisch
steht er mittlerweile auch den von der Kommission vorgeschlagenen aerodynamischen Fahrzeuganpassungen gegenüber.
Diese seien nämlich bereits in EU-Rechtsvorschriften zur Typengenehmigung geregelt.
"Es entsteht der Eindruck, dass die Kommission mit ihrem überhasteten Vorschlag vom eigentlichen Kernanliegen
- nämlich dem grenzüberschreitenden Einsatz von Gigalinern - ablenken will", so Leichtfried. Der
vollständige Berichtsentwurf wird am 5. November im Europäischen Parlament vorgestellt, die Abstimmung
im Verkehrsausschuss ist für den Februar 2014 geplant.
Auswirkung der Gigaliner auf Infrastruktur, Verkehrssicherheit und Kombinierten Verkehr
- Milliardenkosten für Straßeninfrastruktur: 5,4 Milliarden Euro würden
in Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen investiert werden müssen, um sie für die 60 Tonnen
schweren und 25 Meter langen Megatrucks aufzurüsten. Brücken und Tunnel, die in Österreich einen
überproportional hohen Anteil von 15 Prozent des hochrangigen Straßennetzes ausmachen, müssten
speziell verstärkt beziehungsweise adaptiert werden, zum Beispiel im Hinblick auf Tragfähigkeit, Tunnelsicherheit
und Brandschutz. Dazu kommen Rückhaltesysteme und Pannenbuchten die nicht für die überschweren und
überlangen Lkws ausgelegt sind.
- Riesen-Lkws als Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmerinnen und
-teilnehmer: Das Unfallrisiko nimmt zu, die Schwere von Unfällen und damit der Verletzungen steigt. Das Risiko
für Pkw-Fahrer, bei einem Unfall mit einem 60-Tonnen-Lkw getötet zu werden, ist viermal so hoch wie bei
einer Kollision mit einem 40-Tonner. Das Überholen dauert für Pkw-Lenkerinnen und -Lenker länger
und wird gefährlicher.
- Existenzielle Gefährdung für die Güterbahnen in ganz Europa: Der
kombinierte Verkehr würde bei EU-weiter Zulassung von Gigalinern rund 75 Prozent seines Volumens verlieren
- eine wirtschaftliche Bedrohung für jede europäische Güterbahn.
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