Marburg (idw) - Die Philipps-Universität beteiligt sich an einem neuen europäischen Forschungsverbund,
der zu einer verbesserten Behandlung von Epilepsie führen soll. Die beteiligten Wissenschaftler möchten
herausfinden, wie so genannte Micro-RNAs die Erkrankung und ihre Behandlung beeinflussen können. Hierfür
unterstützt die Europäische Union das Vorhaben unter dem Titel „Micro-RNAs in der Pathogenese, Therapie
und Vorbeugung der Epilepsie” (EpiMiRNA) in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt 11,5 Millionen Euro.
Der Marburger Neurologe Professor Dr. Felix Rosenow koordiniert die klinischen Studien im Rahmen des Konsortiums.
„Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit und betrifft insbesondere Kinder und
Jugendliche sowie ältere Personen“, erläutert Rosenow, der das Epilepsiezentrum Hessen an der Philipps-Universität
leitet. Mehr als 50 Millionen Menschen sind weltweit betroffen. Derzeit leiden 30 Prozent der Patienten weiterhin
unter Anfällen, obwohl sie behandelt werden. Dies wirkt sich in einer erhöhten Sterblichkeit und einem
erhöhten Verletzungsrisiko sowie in einer deutlichen Minderung von Lebensqualität und sozialer Teilhabe
aus. „Es sind also dringend neue Ansätze erforderlich, um diesen Patienten zu helfen“, stellt Rosenow fest.
Micro-RNAs (MiRNA) sind kurze Kettenmoleküle, die im Bau der Erbsubstanz DNA ähneln. Sie bestimmen, wie
häufig aus einem Gen ein Protein entsteht. „Die Mitglieder des Konsortiums sind Pioniere bei der Entdeckung
von Micro-RNAs, die speziell für Hirnfunktionen von Belang sind“, konstatiert Rosenow. So beschrieb der Marburger
Biochemiker Professor Dr. Gerhard Schratt bereits im Jahr 2006, welche Bedeutung eine bestimmte Micro-RNA-Familie
(miR-134) für die Entwicklung von Nervenzellen hat. „EpiMiRNA“- Gesamtkoordinator Professor David Henshall
vom Royal College of Surgens in Ireland, Dublin, und andere Verbundmitglieder zeigten, wie sich die Funktionsweise
von Micro-RNA experimentell verändern lässt, so dass anfallsbedingte Hirnschädigungen deutlich vermindert
werden.
„Der Forschungsverbund zielt darauf, mithilfe von Micro-RNA das Verständnis von Krankheitsprozessen zu verbessern,
die zu Epilepsie führen“, erklärt Rosenow; außerdem sind die beteiligten Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler darauf aus, die Vorhersage der Krankheit zu erleichtern und neue Behandlungsmöglichkeiten
sowie Medikamente zu entwickeln. So wollen die Forscherinnen und Forscher zum Beispiel die Mechanismen der Epilepsie-Entstehung
klären, genetische Variationen im Bereich des Micro-RNA-Stoffwechsels bei Patienten aufspüren und die
anfallsunterdrückende Wirkung von Micro-RNA experimentell untersuchen. Des Weiteren möchten die Verbundmitglieder
herausfinden, ob Micro-RNA dazu geeignet ist, das Ansprechen auf eine Therapie vorherzusagen, etwa auf tiefe Hirnstimulation.
Das Konsortium führt Experten für Neurobiologie, Epilepsiegenetik, Proteinanalyse und Systembiologie
aus neun europäischen Ländern, den USA und Brasilien mit Epileptologen zusammen, die Erfahrung mit der
Durchführung klinischer Studien besitzen. Vier der beteiligten Wissenschaftlerteams gehören der Philipps-Universität
an: Das Epilepsiezentrum Hessen, (Professor Dr. Felix Rosenow), das Institut für Physiologische Chemie (Professor
Dr. Gerhard Schratt), das Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie (Professor Dr. Carsten Culmsee)
sowie die Abteilung für Allgemeine und Biologische Psychologie (Professor Dr. Rainer Schwarting). An die Marburger
Arbeitsgruppen fließen 2,9 Millionen Euro. Das Konsortium umfasst außerdem mehrere kleine und mittelständische
Unternehmen, die sich mit Therapien auf der Basis von Micro-RNA beschäftigen.
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