Im Oktober jährt sich zum 75. Mal die NS-Stadterweiterung zu Groß-Wien
Wien (rk) - In wenigen Wochen werden 75 Jahre vergangen sein, seitdem die Stadt Wien ihre flächenmäßig
größte Ausdehnung erreichte: Groß-Wien, ein Ergebnis des nationalsozialistischen Größenwahns.
Die Parole wurde vom NS-Führer Adolf Hitler 1938, nur wenige Wochen nach dem Anschluss Österreichs an
das Deutsche Reich, ausgegeben: Wien müsse zur flächenmäßig größten Stadt des Reiches
werden. Die "Perle" Wien, so Hitler, sollte damit "eine würdige Fassung" erhalten. Als
Vorbild dienten die neuen, deutschen Riesenstädte Groß-Berlin und Groß-Hamburg.
Ziel dieser Stadterweiterung war es vor allem, die bevölkerungsreichen und industriell hoch entwickelten Gemeinden
südlich von Wien zu "schlucken". Eine Idee, die das Wiener Stadtbauamt schon ein Jahr zuvor beschäftigte.
Bereits 1937 wurden Pläne für einen Wiener Großraum ausgearbeitet. Dieser sollte bis Wiener Neustadt,
St. Pölten und Tulln reichen. Der im September 1938 vorgeschlagene und im Oktober durch Hitler genehmigte
Plan sah schließlich "nur" die Eingemeindung von 97 niederösterreichischen Gemeinden vor.
Wien als eine der weltweit größten Städte
Am 15. Oktober 1938 trat die Stadterweiterung in Kraft. Rund 200.000 Menschen aus Niederösterreich gehörten
mit einem Schlag zur Wiener Bevölkerung. Die Einwohnerzahl Wiens stieg damit auf rund zwei Millionen, das
Stadtgebiet verfünffachte sich. Zur ehemaligen Bundeshauptstadt gehörten ab diesem Moment die Gemeinden
südlich von Korneuburg über Gaaden, Gumpoldskirchen, Gramatneusiedl bis südlich von Markgrafneusiedl.
Fünf neue Bezirke wurden geschaffen: 22., Großenzersdorf; 23., Schwechat; 24., Mödling; 25., Liesing
und 26., Klosterneuburg. Mit dieser Ausdehnung zählte Wien zu den weltweit größten Städten
dieser Zeit. Innerhalb Wiens wurden bestehende Bezirksgrenzen verändert und Bezirke zusammengelegt. So wurde
der kleine Bezirk Rudolfsheim an den damals 15. Bezirk Fünfhaus angegliedert. Jene Teile des 13. Bezirks Hietzing,
die nördlich des Wienflusses liegen, wurden zum 14. Bezirk erklärt und um die niederösterreichischen
Wienerwaldgemeinden Hadersdorf-Weidlingau und Purkersdorf erweitert.
Planungseuphorie, Tod und Zerstörung
In den Folgejahren entwickelten die führenden Kräfte der Wiener Stadtverwaltung eine Vielzahl an
Neugestaltungsprojekten für Groß-Wien. Von der anfänglichen Planungseuphorie, die eine Monumentalstraße
auf den Kahlenberg, einen "Kultbezirk" auf dem Heldenplatz oder einem Aufmarsch- und Festgelände
im Norden Wiens vorsah, blieb im Endeffekt kaum etwas übrig. Einerseits lag der Fokus der nationalsozialistischen
Machthaber in Österreich stärker auf dem Ausbau der "Führerstadt" Linz, andererseits führte
auch der Kriegsverlauf zu einer jähen Unterbrechung der hochtrabenden Pläne. Stattdessen schritt in Wien
die Arisierung jüdischer Wohnung voran. Die VorbesitzerInnen wurden vertrieben, deportiert oder ermordet.
Statt Prunk und Glanz hatte das nationalsozialistische Regime der Stadt nur Tod und Zerstörung gebracht.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 hatten in Groß-Wien die "Großen Vier" das Sagen:
die alliierten Besatzungsmächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich besetzten die Stadt.
Schließlich sollte es aber noch weitere neun Jahre dauern, bis die neuen Stadtgrenzen endgültig fixiert
wurden. 80 Gemeinden fielen an Niederösterreich zurück, 17 verblieben bei Wien.
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