Wie kann man sich im Laufschritt durch computergenerierte 3D-Welten bewegen uns trotzdem am
selben Platz bleiben? Ein Team der TU Wien löst dieses Problem nun mit ihrem „Virtualizer“.
Wien (tu) - 3D-Brillen, die je nach Blickrichtung das passende Bild anzeigen und so ein realistisches Raumempfinden
in einer Computerwelt ermöglichen, sind bereits im Handel erhältlich. Doch wie man sich dann zu Fuß
durch diese virtuellen Welten hindurchbewegen kann, ohne irgendwann an die sehr realen Wände des eigenen Wohnzimmers
zu stoßen, war bisher ein ungelöstes Problem. Einem Forschungsteam der TU Wien gelang es nun, einen
„Virtualizer“ zu bauen, der ein beinahe natürliches Gehen durch computergenerierte Welten ermöglicht.
Fixiert in einem Gurt lässt man die Füße über eine reibungsarme Oberfläche gleiten. Sensoren
registrieren die Bewegung und geben die Daten an den Computer weiter. Schon 2014 soll das Gerät auf den Markt
kommen.
Youtube-Video: http://www.youtube.com/embed/xNj2raXBeV0?rel=0
Digitalisierte Beinbewegungen
Bisher gab es unterschiedliche Ideen, die Bewegungen eines Menschen für den Computer aufzuzeichnen, um einen
Gang durch virtuelle Welten zu simulieren. Man kann Marker am Körper verwenden, die von Kameras registriert
werden – so funktioniert auch Motion Capture für Trickfilme. Allerdings benötigt man dafür teures
Equipment und ist auf einen Raum überschaubarer Größe beschränkt. Prototypen, bei denen man
sich auf Rollen oder auf Fließbändern bewegt, lieferten keine wirklich zufriedenstellenden Ergebnisse.
Der Trick: Gleiten über glatten Boden
Tuncay Cakmak, ein Student an der TU Wien hatte eine viel bessere Idee: Wenn man die Füße bei jedem
Schritt über eine glatte, reibungsarme Oberfläche gleiten lässt, sind sehr natürliche Gehbewegungen
möglich ohne sich jemals vom Platz zu bewegen. Er entwickelte gemeinsam mit einigen weiteren Studierenden
und dem Virtual-Reality-Experten Hannes Kaufmann (Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme, TU
Wien) den „Virtualizer“.
Im Metallgestell des Virtualizers wird man mit einem Gurt festgehalten. Über diesen Gurt werden beliebige
Körperdrehungen registriert. Im glatten Boden sind Sensoren integriert, die jeden Schritt elektronisch aufzeichnen.
„Ein bisschen Übung ist notwendig, bis man sich auf die geringe Reibung am Boden eingestellt hat“, meint Tuncay
Cakmak, „doch bald schafft man es, auf sehr natürliche Weise am Stand über die glatte Sensoroberfläche
zu laufen.“
Laufen, sehen, ducken, springen
Am Kopf trägt man dabei eine handelsübliche 3D-Brille, von der die Blickrichtung des Kopfes jederzeit
registriert wird. Sie ist von den Beinbewegungen völlig unabhängig – daher kann man mit dem Virtualizer
im Gegensatz zu anderen Geräten gleichzeitig in eine Richtung laufen und in eine andere Richtung schauen.
Wenn man sich bloß mit Keyboard oder Joystick durch die 3D-Welten bewegt, führt das zu einer Diskrepanz
zwischen der visuellen Information über die 3D-Brille und dem eigenen Körperempfinden. Damit kommt das
Gehirn nicht gut zurecht. „Vielen Leuten wird dann übel, ähnlich wie bei Seekrankheit“, weiß Hannes
Kaufmann. Im Virtualizer hingegen bewegt man sich tatsächlich, Motorik und visuelle Empfindung passen daher
zueinander. Man bewegt sich mit dem eigenen Körper durch eine virtuelle Welt, fühlt sich dadurch präsenter
und kann Distanzen und Größen besser einschätzen. Ganz nebenbei hat die Bewegung auch noch einen
sportlichen Trainingseffekt.
Ein weiterer Vorteil des Virtualizers ist die Höhenverstellbarkeit des Gurtes: Wenn man in die Knie geht oder
springt bewegt sich der Gurt nach unten oder oben mit, und die Bewegung wird an den Computer weitergegeben. Für
Action-Spiele bieten sich so ganz neue Möglichkeiten. „Unser System unterscheidet nicht bloß zwischen
aufrecht oder geduckt – die aktuelle Höhe des Gurtes kann als kontinuierlicher Parameter registriert werden“,
erklärt Cakmak.
Mit dem Computer wird der Virtualizer über einen gewöhnlichen USB-Anschluss verbunden, seine Daten können
dann direkt von Virtual-Reality-Programmen verarbeitet und interpretiert werden. Für das kontinuierliche Ducken
und Springen gibt es allerdings noch gar keine wirklich passenden Programme – hier muss die Softwareentwicklung
erst der Hardwareentwicklung der TU Wien nachziehen.
Keine akademische Bastelei, sondern markttaugliche Entwicklung
Der Prototyp an der TU Wien ist bereits fast ausgereift – einige kleine Verbesserungen sind noch geplant. Bei der
Gamescom, einer großen Gaming-Messe in Köln, sorgte der Virtualizer bereits für großes Aufsehen.
„Einige große Firmen haben bereits Interesse angemeldet – uns ist allerdings wichtig, dass die technologische
Entwicklung noch in unserer Hand bleibt“, sagt Tuncay Cakmak.
Bereits 2014 möchte das Team den Virtualizer auf den Markt bringen. Wie teuer das Gerät sein wird,
lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. „In erster Linie muss die Qualität stimmen, aber wir wollen
es natürlich möglichst preisgünstig anbieten“, sagt Cakmak. „Unser Produkt soll Virtual Reality
endlich raus aus den Versuchslabors und rein in die Wohnzimmer der Gamer bringen.“
Besichtigen Sie den Virtualizer
Auf der „Game City“ im Wiener Rathaus vom 27. bis 29. September wird der Virtualizer zu sehen sein.
|