Grazer WissenschafterInnen entwickelten Molekül, das unerwünschten Fettabbau hemmt
Graz (universität) - Ein starkes Signal der international renommierten Lipidforschung in Graz: In Zusammenarbeit
haben WissenschafterInnen der TU Graz, Karl-Franzens-Universität und Medizinischen Universität Graz ein
Molekül entwickelt, welches das fettabbauende Enzym ATGL hemmt. Ein wichtiger Fortschritt besonders im Hinblick
auf die mögliche Prävention und Therapie von Diabetes Typ 2, aber auch für KrebspatientInnen, die
unter krankhafter Abmagerung, der sogenannten Kachexie, leiden. In der aktuellen Ausgabe des angesehenen Fachjournals
„Nature Chemical Biology“ präsentieren die Grazer ForscherInnen das in aufwändiger Detailarbeit entwickelte
Molekül namens „Atglistatin“ erstmals der wissenschaftlichen Öffentlichkeit. Die Publikation ist ein
weiteres Beispiel für die erfolgreiche Kooperation der drei Grazer Universitäten im Rahmen der Forschungsinitiative
„BioTechMed-Graz“.
Fettabbau ist nicht immer wünschenswert: So schützt die Speicherung von Fett im Fettgewebe den Körper
vor hohen Blutfetten und Fettablagerungen in anderen Organen. Wenn sich zu viele freie Fettsäuren im Blut
befinden, dann führt das häufig zu einer Insulinresistenz und in der Folge zu Diabetes Typ 2, auch Altersdiabetes
genannt. Gefährlich ist zu starker Fettabbau ebenso im Zusammenhang mit Krebs, da eine krankhafte Abmagerung,
in der Fachsprache als Kachexie bezeichnet, die Überlebenschancen verringert.
Seit der Entdeckung des für den Fettabbau verantwortlichen Enzyms ATGL durch ForscherInnen der Karl-Franzens-Universität
und der TU Graz im Jahr 2004 haben nähere Untersuchungen gezeigt: Eine genetische Hemmung von ATGL senkt Fettsäuren
und Triglyzeride im Blut und fördert den Abbau von Glukose. Diese Hemmung schützt daher vor Diabetes
Typ 2 und auch vor unerwünschtem Fettabbau bei Tumor-induzierter Kachexie.
Der lange Weg zu Atglistatin
Basierend auf diesen Erkenntnissen hat ein Team rund um Assoz. Prof. Dr. Robert Zimmermann von der Karl-Franzens-Universität
Graz und Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Rolf Breinbauer von der TU Graz in jahrelanger Detailarbeit erstmals ein molekulares
Werkzeug entwickelt, das ATGL und damit den Fettabbau gezielt hemmt. Sein Name: Atglistatin. „Ein solches Molekül
könnte in Zukunft sowohl eine Erkrankung an Diabetes Typ 2 als auch Kachexie verhindern“, erklären Zimmermann
und Breinbauer. „Das ist insofern interessant, als Diabetes zu den großen Volkskrankheiten gehört, mit
steigender Tendenz. Auch für Kachexie gibt es derzeit keine zufriedenstellende Behandlung.“
Die Entwicklung von Atglistatin war sowohl für die SynthesechemikerInnen vom Institut für Organische
Chemie der TU Graz als auch für die BiowissenschafterInnen der Karl-Franzens-Universität herausfordernd:
Von ATGL gibt es keine dreidimensionale Proteinstruktur, die man für moderne computerunterstützte Modellierungs-Ansätze
nützen könnte. „Uns ist nichts anderes übriggeblieben als der klassische Ansatz im ‚trial&error‘-Prinzip“,
schildert Rolf Breinbauer. Konkret hieß das für die ForscherInnen der TU Graz: Moleküle synthetisieren,
diese von den KollegInnen der Karl-Franzens-Universität auf ihre Wirksamkeit testen lassen und aus den gewonnenen
Daten neue Moleküle entwickeln. „Der Prozess ist vergleichbar mit der Orientierung im stockfinsteren Raum:
Hindernisse und Sackgassen sind selbstverständlich, aber je mehr man sich bewegt, desto mehr Gespür bekommt
man für die richtige Richtung“, erklärt Breinbauer. Das „Vorantasten“ der Grazer ForscherInnen dauerte
über vier Jahre und brauchte mehr als 300 entwickelte Moleküle, bis schließlich eines die gewünschten
ATGL-hemmenden Eigenschaften besaß. Im Fachjournal „Nature Chemical Biology“ publizieren die WissenschafterInnen
nun erstmals über Atglistatin.
Die aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten sind in mehrere vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderte
Projekte und das Doktoratskolleg „Molekulare Enzymologie“ eingebettet.
Gleichzeitig belegen sie eindrucksvoll die erfolgreiche Kooperation von TU Graz, Karl-Franzens-Universität
und Medizinischer Universität Graz im Rahmen der Forschungsinitiative „BioTechMed-Graz“ sowie die Stärke
von NAWI Graz, der naturwissenschaftlichen Zwillingsfakultät von Karl-Franzens-Universität und TU Graz.
Originalpublikation:
Mayer, N., Schweiger, M., Romauch, M., Grabner, G., Eichmann, T., Fuchs,
E., Ivkovic, J., Heier, C., Mrak, I., Lass, A., Höfler, G., Fledelius, C., Zechner, R., Zimmermann, R. &
Breinbauer, R.: Development of small-molecule inhibitors targeting adipose triglyceride lipase. Nature Chemical
Biology, 2013. doi:10.1038/nchembio.1359
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