Gesamtgutachten des Historikers Michael Wedekind liegt vor
Innsbruck (lk) - Kulturlandesrätin Beate Palfrader nahm am 03.10. das Gutachten des Historikers Michael
Wedekind zum Stand der wissenschaftlichen Forschung über die Entwicklung der Tiroler Volkskultur entgegen.
„Da dieses Gutachten von vielen mit Spannung erwartet wurde und durchaus von allgemeinem Interesse ist“, betont
die Kulturlandesrätin, „werden wir es sofort veröffentlichen“. In unmittelbarer Reaktion auf das Gutachten
kündigt LRin Palfrader einen eigenen Förderungsschwerpunkt „Erinnerungskultur“ sowie die Einberufung
eines Beirates an, der dazu eingereichte Projekte begutachten und weitere Empfehlungen ausarbeiten soll.
Das Gutachten wurde vor dem Hintergrund der Debatte über die Rolle von Tiroler Komponisten im Nationalsozialismus
und über deren Darstellung in verschiedenen Publikationen im Herbst 2012 in Auftrag gegeben. „Von Experten
wurde uns geraten“, sagt Landesrätin Palfrader, „jetzt nicht einzelne Biographien von Personen aufarbeiten
zu lassen, die durch ihr Engagement für den Nationalsozialismus belastet sind, sondern das gesamte Gefüge
der Tiroler Volkskultur in Augenschein zu nehmen und auch zu fragen, was es dazu bislang schon an seriösen
Forschungsergebnissen gibt“.
Somit nimmt der erste Teil des Gutachtens Bezug auf die Rolle und die Stellung der in der „Arbeitsgemeinschaft
Tiroler Komponisten“ aktiven Musikschaffenden. Wedekind geht auf den Stand einschlägiger wissenschaftlicher
Forschungen ein, benennt vorhandene Defizite und enthält Empfehlungen zu ergänzender Aufarbeitung. Im
zweiten Teil des Gutachtens widmet sich der Historiker einem breiteren Rahmen der Tiroler Volkskultur in der Zeit
von der Ersten zur Zweiten Republik. Er geht der Frage nach der inhaltlichen Bedeutung von Volkskultur in Tirol
nach, erläutert die Struktur der organisierten Volkskultur, die Art und die Mechanismen der politischen Instrumentalisierung
und den Stand der wissenschaftlichen Forschung. Den Abschluss bilden wiederum eine Darstellung von Themen und Fragestellungen,
denen sich die wissenschaftliche Forschung vermehrt widmen sollte, und einige Vorschläge zu konkreten Dokumentations-
und Forschungsprojekten.
Eine wesentliche Aussage des Gutachtens ist, dass – trotz zahlreicher Forschungslücken im Detail – zu den
historischen Zusammenhängen des 20. Jahrhunderts einschließlich der Zeit des Nationalsozialismus auch
für Tirol doch schon umfangreiche, wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, dass aber die Wahrnehmung und
die Aufarbeitung dieser Erkenntnisse in der kulturellen Praxis noch nicht sehr weit gediehen ist. „Wir werden natürlich
auch auf diesen Hinweis entsprechend reagieren“, erklärt LRin Palfrader, die sich über die weiteren Maßnahmen
bereits mit der Südtiroler Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur verständigt und ihre Mitarbeiter
in der Abteilung Kultur heute mit folgenden Aufgaben betraut hat:
- Vorbereitung eines Förderungsschwerpunktes „Erinnerungskultur“, der ab 2014
mit 100.000 Euro dotiert ist und zu dem bis Ende des Jahres eigene Förderungsrichtlinien zu erarbeiten sind.
Gefördert werden sollen wissenschaftliche Forschungsprojekte und Projekte der künstlerischen, sozialen
oder pädagogischen Vermittlung einschlägiger historischer Erkenntnisse in die kulturelle Praxis.
- Einberufung eines Beirates, der über die zur Förderung eingereichten
Projekte zu befinden hat. Diesem Beirat sollen auch Experten angehören, die von der Südtiroler Landesregierung
nominiert werden und damit die in der Volkskultur naheliegende Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen Tirol und
Südtirol gewährleisten.
„Es ist Aufgabe der Politik, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass wissenschaftliche Forschung in Freiheit
und Eigenverantwortung stattfinden kann“, stellt LRin Palfrader fest und betont: „Es ist mir aber auch ein großes
Anliegen, dass die in der Volkskultur engagierten Verbände, Vereine und ihre Mitglieder von Anfang an aktiv
eingebunden werden. Ich sehe deshalb meine Aufgabe darin, einen möglichst breiten Austausch von Wissenschaft
und kultureller Praxis zu ermöglichen. Wir müssen uns dem vielfach belasteten historischen Erbe stellen
und uns gemeinsam um eine Weiterentwicklung bemühen. Denn Volkskultur ist nicht statisch, sie lebt und hat
Zukunft.“
Das Gutachten von Michael Wedekind ist auf der Homepage des Landes Tirol unter abrufbar.
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