Zwei neue hochdotierte CD-Labors sollen Erkenntnisse aus der Materialwissenschaft für
Energieeffizienz und Sensortechnik nutzbar machen.
Wien (tu) - Nano-strukturierte Materialien erzeugen in effektiver Weise elektrische Energie aus Temperaturunterschieden
und sind die Grundlage für hochsensitive Magnetsensoren. Beide Ideen kommen aus der akademischen Grundlagenforschung
des Instituts für Festkörperphysik der TU Wien, beide versprechen baldige Anwendungen in der Industrie,
beide werden nun an der TU Wien durch die Einrichtung neuer Christian Doppler-Labors gefördert – mit finanzieller
Unterstützung des österreichischen Wirtschaftsministeriums und den Firmenpartnern TIAG, AVL und Infineon.
Thermoelektrizität: Strom aus Temperaturunterschieden
Prof. Ernst Bauer leitet gemeinsam mit Prof. Peter Rogl und Prof. Alexander Bismarck (Universität Wien)
sowie Prof. Silke Bühler-Paschen (Technische Universität Wien) das Christian Doppler-Labor für Thermoelektrizität.
Als Industriepartner stehen ihm die Treibacher Industrie AG (TIAG) sowie AVL List zur Seite. Ernst Bauer nützt
bei seinen Forschungsarbeiten thermoelektrische Phänomene, insbesondere den sogenannten Seebeck-Effekt zur
Erzeugung von elektrischer Energie: Verbindet man zwei verschiedene, elektrisch leitende Materialien so zu einem
Stromkreis, dass die beiden Kontaktstellen auf unterschiedlichen Temperaturen gehalten werden, dann entsteht eine
elektrische Spannung und Strom kann über einen Verbraucher fließen. Verantwortlich für dieses
Phänomen sind Elektronen, deren Bewegung in Metallen unter anderem von Temperaturunterschieden abhängt.
Industriell interessant ist dieser Effekt überall dort, wo größere Temperaturunterschiede ohnehin
vorhanden sind: Die
Temperatur-Differenz zwischen der kühlen Umgebungsluft und einem heißen Automotor oder heißen
Abgasen kann zur Erzeugung elektrischer Energie genutzt werden. Einerseits lassen sich so etwa Sensoren mit Strom
versorgen, ohne dass sie eigens dafür verkabelt werden müssten, andererseits kann so die Energieeffizienz
steigen – etwa, wenn die Energie zum Betrieb der Lichtmaschine eines Autos nicht mehr ausschließlich von
der mechanischen Arbeit des Motors kommt, sondern auch aus der Wärmeenergie der Abgase, die sonst ungenützt
an die Umgebung abgegeben wird.
Das Team um E. Bauer wird für diese Effekte nicht die bisher gebrauchten Standardmaterialien aus Bismut
und Tellur verwenden, sondern sogenannte „gefüllte Skutterudite“. Sie sind durch verschiedene Prozessschritte
hergestellte Legierungen mit einer käfigartigen Struktur aus Kobalt, Eisen und Antimon. In diesen Nano-Käfigen
werden noch weitere Atome platziert, mit denen sich die physikalischen Eigenschaften des Materials speziell anpassen
lassen. Die bisherigen Forschungsarbeiten des Wiener Teams haben zu einer weltweiten Spitzenstellung dieser Materialien
in Bezug auf ihre thermoelektrische Leistungsfähigkeit geführt.
Magnetische Sensoren
Dieter Süß, der ebenso wie Ernst Bauer am Institut für Festkörperphysik der TU Wien forscht,
entwickelt Computerprogramme, die magnetische Eigenschaften von Materialien beschreiben. Großes Aufsehen
erregten bereits seine Erkenntnisse zur Festplattentechnologie, mit ähnlichen magnetischen Phänomenen
wie beim Auslesen einer Festplatte wird er es auch in seinem Christian Doppler-Labor für „ Advanced Magnetic
Sensing and Materials“ zu tun haben, das vom Halbleiterhersteller Infineon Technologies AG mitfinanziert wird.
Die magnetische Orientierung von Materialien kann darüber entscheiden, ob sie elektrischen Strom gut oder
schlecht leiten. 2007 wurde für diesen Effekt (genannt GMR, „Giant Magnetoresistance“) der Physik-Nobelpreis
vergeben. Baut man spezielle Schichtsysteme aus unterschiedlichen Materialien auf, können Elektronen nur dann
gut durch die Schichten hindurchwandern, wenn die Magnetisierungsrichtungen genau richtig zueinander orientiert
sind. Ist das nicht der Fall, versperren die Schichten den Elektronen den Weg – ein „Riesenmagnetowiderstand“ tritt
auf.
Diesen und ähnliche Effekte wird Dieter Süß nun verwenden, um Magnetsensoren zu entwickeln, die
dann etwa für Drehzahlmessgeräte in ABS-Systemen von Autos eingesetzt werden sollen. Auch viele andere
Sensoren könnten auf diese Weise hergestellt werden, selbst Anwendungen im Medizin- und Biosensorik-Bereich
sind angedacht.
CD-Labors, gefördert vom Österreichischen Wirtschaftsministerium
Materialwissenschaft ist einer der fünf Forschungsschwerpunkte der TU Wien. Mit den beiden neuen CD-Labors
kann dieser Schwerpunkt nun in direkter Kooperation mit der Industrie weiter verstärkt werden. Das CD-Labor
für Thermoelektrizität ist mit etwa 1.1 Millionen Euro dotiert, das CD-Labor für Magnetsensorik
mit etwa 1.4 Millionen Euro. Beide starteten offiziell am 1. Juli 2013. Die Christian Doppler Gesellschaft fördert
mit finanzieller Unterstützung des Wirtschaftsministeriums die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft
durch die Einrichtung von Christian Doppler Labors mit festen Laufzeiten. Derzeit sind an der TU Wien dreizehn
aktive Christian Doppler Labors verankert – ihren bisherigen Spitzenplatz unter Österreichs Universitäten
baut die TU Wien damit noch weiter aus.
|