Selbermachen: Lebensstil wählen

 

erstellt am
10. 10. 13
15.00 MEZ

Kremser Kamingespräche im Haus der Regionen
Krems (vknoe) - Die Gründe für die neue Do-it-yourself-Bewegung (kurz DIY) sind vielfältig. Längst beschränkt sich die Bewegung nicht mehr allein auf die klassischen Bereiche wie Stricken, Basteln, Kochen. Für viele ist Selbermachen ein Verlangen nach mehr Individualität, der Wunsch nach einem ganz persönlichen Lebensstil. Man bastelt sich seinen eigenen Glauben, seine eigenen Regeln, will seine eigenen Talente gefördert sehen. Mit den vielen Aspekten des Selbermach-Prinzips in Geschichte und Gegenwart beschäftigen sich die Kremser Kamingespräche im Herbst/Winter 2013.

Mit der Frage nach dem persönlichen Lebensstil eröffneten Eva Kreissl, Kuratorin Universalmuseum Joanneum, und Thomas Geisler, Kustode der Sammlung Design im Österreichischen Museum für angewandte Kunst und Gegenwartskunst, _die neue Reihe.

Selbermachen sei immer aktuell gewesen, gehöre zum alltäglichen Leben, aber erst durch die Medien wurde es im 20. Jahrhundert zu einem kulturellen Phänomen stilisiert. Uneinigkeit herrschte bei den beiden Experten in der Frage nach den Motiven hinter der DIY-Philosophie. Thomas Geisler sieht durchaus gesellschaftskritische Ansätze hinter der Bewegung: etwa den Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit oder nach dem Wissen um den Produktionsprozess hinter der fertigen Ware. Das nähre das Bedürfnis z. B. das eigene Gemüse zu züchten oder das eigene Möbelstück zu zimmern. Dinge des täglichen Bedarfs wieder eigenhändig herzustellen schaffe eine große emotionale Befriedigung.

Eva Kreissl ortet hinter dem Selbermach-Prinzip dagegen keine Gegenkultur zur fortschreitenden Globalisierung. Vielmehr werde der Individualismus selbst zu einer Massenbewegung, der sich alle anpassen und die somit wieder in Konformismus endet. Vielfach sei das Selbermach-Prinzip auch inszeniert. Urban Gardening etwa sei eine Bewegung, die zumindest von der Grazer Bevölkerung nicht angenommen wurde und eigentlich nicht stattfindet. Nicht die Bewohner züchten ihr eigenes Gemüse sondern die Stadt pflanzt auf öffentlichen Flächen Paradeiserstauden. Da hinter dieser Kultur auch keine Message stehe, werde dieses Phänomen auch bald wieder verschwinden.

Die Grenze des Selbermachprinzips sehen beide auch darin gegeben, dass die neue Bewegung bereits zu einem wichtigen Wirtschaftszweig geworden ist. Überall da wo eine kritische Masse überschritten werde, so Geisler, wird es jemanden geben der daraus Kapital schlägt. Und so werde auch der neue Individualismus wieder kommerzialisiert.

Eine Zusammenfassung des spannenden Kremser Kamingesprächs wird am 16.10.2013 ab 21.00 Uhr auf Radio Niederösterreich mit Moderator Michael Battisti gesendet. Online ist die Sendung auf http://www.volkskultureuropa.org nachzuhören.

Das nächste Kremser Kamingespräch können Sie am Mittwoch, 13.11.2013, 18.00 Uhr im Haus der Regionen erleben: Es diskutieren Elisabeth Pröll, Präsidentin Hilfe im eigenen Land und Abt Matthäus Nimmervoll, Stift Lilienfeld zum Thema Glauben finden.

 

 

 

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