Länderkammer fürchtet um hochwertigen Konsumentenschutz und warnt vor Überregulierung
Wien (pk) - Harsche Kritik hagelte es am 08.10. im EU-Ausschuss des Bundesrats am Verordnungsentwurf von
EU-Kommissarin Neelie Kroes, der auf eine Harmonisierung der elektronischen Kommunikation abzielt. Demnach sollen
BürgerInnen und Unternehmen, unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben, ohne grenzbedingte Beschränkungen
und ungerechtfertigte Zusatzkosten Zugang zu elektronischen Kommunikationsdiensten haben. Gleichermaßen sollen
Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze und –dienste anbieten, diese überall betreiben und bereitstellen
können.
Angesichts der im Vorschlag enthaltenen Detailregelungen bezweifelt die Länderkammer jedoch massiv, dass die
angepeilten Effekte, den digitalen Binnenmarkt und die europäischen Telekommunikationsmärkte zu stärken
und Investitionsanreize zu schaffen, tatsächlich eintreten werden. Vielmehr, so war es auch den Ausführungen
der Experten aus dem Verkehrsministerium und der Wirtschaftskammer zu entnehmen, bestehe die Gefahr, dass die Umsetzung
der Verordnung genau das Gegenteil bewirken und Nachteile für KonsumentInnen und Unternehmen bringen könnte,
da bei einer Vollharmonisierung das bessere innerstaatliche Schutzniveau nicht mehr aufrecht erhalten bleiben könnte.
Seitens der Wirtschaftskammer sah man darin auch einen Versuch, planwirtschaftliche Instrumente einzuführen.
Man stieß sich auch an den angestrebten stärkeren Eingriffsrechten der EU-Kommission bei regulatorischen
Maßnahmen und Frequenzvergaben. Das könnte auch Einschränkungen nationaler Kompetenzen zur Folge
haben, außerdem würden die notwendigen Koordinierungen mit der Kommission zu einem unnötigen bürokratischen
Aufwand führen. Auch wenn der Ansatz einer europaweiten Regelung zu begrüßen sei, werde die derzeitige
Textierung die Netzneutralität nicht sicherstellen, war man sich einig.
Ausschuss erwägt Mitteilung an die Kommission
Angesichts dieser Einschätzung kam man im Ausschuss auf Vorschlag von Bundesrätin Susanne Kurz (S/S)
und Ausschussvorsitzendem Edgar Mayer (V/V) überein, die Vorlage bei der nächsten Sitzung nochmals auf
die Tagesordnung zu nehmen und eine Mitteilung ins Auge zu fassen. Beide sehen vor allem ein massives Problem im
Hinblick auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Mayer kritisierte insbesondere, dass der Verordnungsentwurf
ohne vorherige umfassende öffentliche Konsultation vorgelegt worden ist, was eine "neue Qualität"
bedeute, stellte er zusätzlich fest.
Auch aufgrund der bereits öffentlich gewordenen Widerstände in anderen Mitgliedstaaten war man überzeugt
davon, dass der Vorschlag nicht so bleiben werde. Bundesrat Marco Schreuder (G/W) ortete auch große Bedenken
im Europäischen Parlament.
Die Vorschläge der Kommission unter der Lupe
Die EU-Kommission setzt zur Erreichung eines "Binnenmarkts der elektronischen Kommunikation" an verschiedenen
Punkten an. So enthält der Entwurf zunächst eine EU-weite Genehmigung für europäische Anbieter
elektronischer Kommunikationsnetze und –dienste. Die Notifizierung in einem Mitgliedstaat soll ausreichen, um in
der gesamten EU tätig werden zu können. Die Hürden würden dadurch aber nicht abgebaut, wenden
heimische Experten ein, da diese eher im Wettbewerbs-, Steuer-, Unternehmens-, Arbeits- und Sozialrecht liegen.
Im Telekommunikationsbereich seien Barrieren längst abgebaut worden, gaben die Vertreter des Verkehrsministeriums
und der Wirtschaftskammer unisono zu bedenken. Hier werde an den falschen Rädern gedreht. Vielmehr ziehe das
Ganze einen Rattenschwanz an Bürokratie nach sich. Bei der Zuteilung von harmonisierten Frequenzen für
kabellose Breitbandkommunikation müssen nämlich Genehmigungsverfahren laut Vorlage in Zukunft mit der
EU koordiniert werden, die Genehmigungsbedingungen werden harmonisiert. Damit würden jedoch nationale Verfahren
komplizierter und langwieriger, so die Kritik. Alles, was in konkrete Vergabeverfahren der Mitgliedsländer
eingreift, würde zu Verzögerungen führen und zu Einschränkungen der nationalen Kompetenz, hieß
es aus dem Verkehrsressort.
Zweifel gibt es auch, ob eine harmonisierte Bereitstellung von Vorleistungsprodukten für Breitband tatsächlich
zu optimalen Lösungen führt, ob diese dann nicht eher von durchschnittlicher Qualität sein würden.
Mit der Verordnung beabsichtigt die Kommission auch, die Rechte der Endnutzer zu vereinheitlichen, etwa was die
Transparenz- und Informationsverpflichtungen und Kontrollmöglichkeiten betrifft. Dagegen wird eingewendet,
dass in Österreich aufgrund jüngster Reformen sehr gute Regelungen existieren, die nun gefährdet
wären. In Österreich gibt es wenig Bürokratie, niedrige Gebühren, hohe Servicequalität,
eine gute Struktur und einen funktionierenden Wettbewerb, unterstrich der Experte der Wirtschaftskammer. Das Ziel,
einen europäischen Regulator zu schaffen, sei daher zu hinterfragen. Der Experte warf der Kommission vor,
permanent von Problemen des Telekommunikationsmarkts zu sprechen, ohne dafür konkrete Beispiele nennen zu
können.
Kritik wird auch an den Passagen zu Roaming und International Calls geübt. Der Vorschlag konterkariere die
Roaming-III Verordnung, mit der von der Preisregulierung abgegangen und ab Juli 2014 ein eigener Roaming-Markt
geschaffen wird, der vom nationalen Tarifbündel getrennt ist, machte der Vertreter des Verkehrsministeriums
aufmerksam. Damit werden die KonsumentInnen in Zukunft das beste Angebot wählen können. Im Hinblick darauf
hätten die Unternehmen bereits signifikante Investitionen getätigt, um die Anforderungen zeitgerecht
erfüllen zu können. Der vorliegende Entwurf lasse die Investitionen jedoch fraglich erscheinen, konstatierte
er. Das werde zu Rechtsunsicherheit für die Unternehmen und in weiterer Folge zu einem Rückgang der Investitionen
führen, ergänzte man seitens der Wirtschaftskammer. Die Parallelität der Bestimmungen hätte
auch negative Auswirkungen auf die Endkundentarife, warnte der Experte des Verkehrsressorts. Roaming-III bleibe
zwar weiter bestehen, aber die nun geplante Möglichkeit für Anbieter, Vereinbarungen zu schließen,
würde diese aus Roaming III wieder herausnehmen.
Große Bedenken auch bei Bundesrätinnen und Bundesräten
Auch Bundesrätin Susanne Kurz (S/S) betonte, Neuerungen sollten Vorteile vor allem für die KundInnen
bringen. Bundesrat Edgar Mayer (V/V) befürchtete, die völlige Abschaffung von Roaminggebühren würde
zu einer Benachteiligung der KonsumentInnen führen, da die Anbieter die anderen gebühren anheben würden.
Dagegen meinte Bundesrat Marco Schreuder (G/W), man müsse in diesem Zusammenhang auch an die ArbeitsmigrantInnen,
etwa an die Pflegerinnen, denken, die unter den Roaminggebühren zu leiden hätten. Sie wolle unter den
Datenpaketen auch weiterhin frei Wahl haben, bemerkte wiederum Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W), die
EU gehe aber hier einmal mehr zu regulatorisch vor und verhindere Wettbewerb.
Laut Bundesrat Mayer wäre es darüber hinaus fatal, das heimische Schutzniveau zu untergraben. Er bemängelte
ferner die durch die Realisierung des Entwurfs entstehende Überregulierung. Man schieße mit dem Entwurf
eindeutig über das Ziel, meinte Bundesrat Franz Perhab (V/St) und warf aus der Sicht der Länder ein,
im ländlichen Raum würden dann Investitionsanreize fehlen. Am Land brauche man aber Qualität, konstatierte
er mit Nachdruck.
Mit der Verordnung schaffe man auf keinen Fall Netzneutralität, unterstrich Bundesrat Marco Schreuder (G/W)
in seiner Stellungnahme und kritisierte ebenfalls die Möglichkeit für Telekomanbieter, Spezialverträge
machen zu können, die dann mehr Bandbreite zur Verfügung stellen dürfen und damit andere Dienste
diskriminieren. Das hemmt die Wirtschaft, stellte auch er fest. Er fürchtete auch um die strengeren Regeln
in Österreich.
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