Neue Spiegeltechnologie direkt
 aus dem Quantenphysiklabor

 

erstellt am
18. 10. 13
15.00 MEZ

Wien (tu) - Quantenphysiker an der Universität Wien liefern ein weiteres Beispiel dafür, wie aus fundamentaler Forschung unerwartet technologische Innovationen entstehen können. Das Start-Up-Unternehmen "Crystalline Mirror Solutions" (CMS) ist spezialisiert auf die Herstellung von Hochleistungs-Spiegeln für präzise optische Messungen. Das Unternehmen, gegründet von Garrett Cole und Markus Aspelmeyer, ist ein Spin-Off der Quantenforschung an der Fakultät für Physik der Universität Wien und dem Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ).

Die präzisesten Messungen von Zeit und Raum basieren heutzutage auf Laserlicht, das in sogenannten optischen Resonatoren zwischen hochreflektierenden Spiegeln hin- und hergeworfen wird. Die erreichbare Genauigkeit dieser Messungen ist durch die Eigenschaften der Resonatorspiegel fundamental beschränkt. Als besonders große Hürde der letzten zehn Jahre stellte sich dabei die thermische Bewegung der optischen Beschichtungen heraus, die die reflektierenden Elemente der Spiegel bilden. Diese mechanische Bewegung prägt der Messung ein unvermeidbares "thermisches Rauschen" auf.

"Unsere Spiegel sind ein großer Sprung nach vorne in der Technologie optischer Beschichtungen", erläutert Garrett Cole, Mitbegründer und Geschäftsführer von Crystalline Mirror Solutions.

Ein eigens entwickelter Beschichtungsprozess ermöglicht die Verbindung von hoch-reflektierenden monokristallinen Halbleiterfilmen mit nahezu beliebigen optischen Bauteilen. Dadurch können die einzigartigen Eigenschaften von Halbleiter-Einkristallen erstmals für optische Präzisionsmessungen genutzt werden. Garrett Cole erklärt: "Verglichen mit früheren Technologien lässt sich das Messrauschen durch diese einzigartige Kombination sofort um einen Faktor 10 reduzieren – und wir wissen, dass wir noch besser werden können." Ein internationales Patent ist bereits angemeldet und bringt das junge Unternehmen in eine strategisch hervorragende Position als weltweit einzige Anbieter dieser neuen Beschichtungstechnologie.

Die Verbesserung der Messgenauigkeit und Stabilität von optischen Präzisionsmessungen hat weitreichendes Anwendungspotential: angefangen bei Experimenten der Grundlagenforschung bis hin zu fortgeschrittenen Anwendungen wie chemische Spurenanalyse, Trägheitsnavigationssysteme und Breitbandkommunikation. Erste erfolgreiche Messungen an den neuen kristallinen Spiegeln wurden in Zusammenarbeit mit der Universität Wien und JILA, dem Joint Institute der Universität von Colorado-Boulder und dem "National Institute of Standards and Technology", in Boulder, Colorado (USA), durchgeführt und erst kürzlich in der August-Ausgabe von Nature Photonics vorgestellt ("Tenfold reduction of Brownian noise in high-reflectivity optical coatings";
http://dx.doi.org/10.1038/nphoton.2013.174). Die Ergebnisse sind bereits auf großes Echo gestoßen, sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch von möglichen Industriepartnern.

Bei einer kürzlich in Elba abgehaltenen Tagung zum Thema "Gravitationswellendetektoren" wurde die von CMS entwickelte kristalline Beschichtungstechnologie einstimmig zum "spannendsten Ergebnis der Tagung" erklärt. Derzeit arbeitet CMS mit wissenschaftlichen Partnern an den führenden nationalen Metrologie-Instituten Deutschlands und der USA, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und dem National Institute for Standards (NIST) in Boulder daran, mit neuen optischen Resonatoren die präziseste Uhr der Welt zu bauen.

Start-up in Österreich leicht gemacht
"Die ursprüngliche Idee für diese Spiegeltechnologie hatten wir eher zufällig während unserer aktuellen Forschung an makroskopischen Quantenphänomenen in mechanischen Systemen hier an der Fakultät für Physik – sozusagen ein klassisches 'Abfallprodukt'", so Markus Aspelmeyer. "Die Universität Wien war dann besonders hilfreich, die wichtigen Kontakte 'außerhalb des Elfenbeinturms' herzustellen".

Nach der Beratung durch INiTS (das Wiener Gründungszentrum der Stadt Wien, der Universität Wien und der Technischen Universität Wien), erhielt CMS eine Förderung sowohl durch das von der AWS abgewickelte JITU-Preseed Programm des BMWFJ, als auch durch die neu gegründete Proof of Concept-Initiative des European Research Council (ERC), welches letztendlich zur Gründung der Firma führte. "Die frühe Unterstützung durch AWS und ERC hat es uns erlaubt, sehr rasch einen ersten Prototypen zu entwickeln. Nachdem sich die Technologie dann als funktionstüchtig erwiesen hatte, waren wir von dem großen Interesse der Fachwelt an unseren Spiegeln sehr überwältigt, aber auch überfordert. Die einzige Möglichkeit, die Nachfrage erfüllen zu können, war, die Technologie auszugliedern und ein eigenes Start-Up zu gründen", erläutert Markus Aspelmeyer: "Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie zweckfreie Grundlagenforschung durchaus auch kurzfristig High-Tech-Produkte für Industrie und Wissenschaft generieren kann".

 

 

 

Informationen: http://www.crystallinemirrors.com

 

 

 

 

 

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