Wien (tu) - Quantenphysiker an der Universität Wien liefern ein weiteres Beispiel dafür, wie aus fundamentaler
Forschung unerwartet technologische Innovationen entstehen können. Das Start-Up-Unternehmen "Crystalline
Mirror Solutions" (CMS) ist spezialisiert auf die Herstellung von Hochleistungs-Spiegeln für präzise
optische Messungen. Das Unternehmen, gegründet von Garrett Cole und Markus Aspelmeyer, ist ein Spin-Off der
Quantenforschung an der Fakultät für Physik der Universität Wien und dem Vienna Center for Quantum
Science and Technology (VCQ).
Die präzisesten Messungen von Zeit und Raum basieren heutzutage auf Laserlicht, das in sogenannten optischen
Resonatoren zwischen hochreflektierenden Spiegeln hin- und hergeworfen wird. Die erreichbare Genauigkeit dieser
Messungen ist durch die Eigenschaften der Resonatorspiegel fundamental beschränkt. Als besonders große
Hürde der letzten zehn Jahre stellte sich dabei die thermische Bewegung der optischen Beschichtungen heraus,
die die reflektierenden Elemente der Spiegel bilden. Diese mechanische Bewegung prägt der Messung ein unvermeidbares
"thermisches Rauschen" auf.
"Unsere Spiegel sind ein großer Sprung nach vorne in der Technologie optischer Beschichtungen",
erläutert Garrett Cole, Mitbegründer und Geschäftsführer von Crystalline Mirror Solutions.
Ein eigens entwickelter Beschichtungsprozess ermöglicht die Verbindung von hoch-reflektierenden monokristallinen
Halbleiterfilmen mit nahezu beliebigen optischen Bauteilen. Dadurch können die einzigartigen Eigenschaften
von Halbleiter-Einkristallen erstmals für optische Präzisionsmessungen genutzt werden. Garrett Cole erklärt:
"Verglichen mit früheren Technologien lässt sich das Messrauschen durch diese einzigartige Kombination
sofort um einen Faktor 10 reduzieren – und wir wissen, dass wir noch besser werden können." Ein internationales
Patent ist bereits angemeldet und bringt das junge Unternehmen in eine strategisch hervorragende Position als weltweit
einzige Anbieter dieser neuen Beschichtungstechnologie.
Die Verbesserung der Messgenauigkeit und Stabilität von optischen Präzisionsmessungen hat weitreichendes
Anwendungspotential: angefangen bei Experimenten der Grundlagenforschung bis hin zu fortgeschrittenen Anwendungen
wie chemische Spurenanalyse, Trägheitsnavigationssysteme und Breitbandkommunikation. Erste erfolgreiche Messungen
an den neuen kristallinen Spiegeln wurden in Zusammenarbeit mit der Universität Wien und JILA, dem Joint Institute
der Universität von Colorado-Boulder und dem "National Institute of Standards and Technology", in
Boulder, Colorado (USA), durchgeführt und erst kürzlich in der August-Ausgabe von Nature Photonics vorgestellt
("Tenfold reduction of Brownian noise in high-reflectivity optical coatings";
http://dx.doi.org/10.1038/nphoton.2013.174).
Die Ergebnisse sind bereits auf großes Echo gestoßen, sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch von
möglichen Industriepartnern.
Bei einer kürzlich in Elba abgehaltenen Tagung zum Thema "Gravitationswellendetektoren" wurde die
von CMS entwickelte kristalline Beschichtungstechnologie einstimmig zum "spannendsten Ergebnis der Tagung"
erklärt. Derzeit arbeitet CMS mit wissenschaftlichen Partnern an den führenden nationalen Metrologie-Instituten
Deutschlands und der USA, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und dem National Institute
for Standards (NIST) in Boulder daran, mit neuen optischen Resonatoren die präziseste Uhr der Welt zu bauen.
Start-up in Österreich leicht gemacht
"Die ursprüngliche Idee für diese Spiegeltechnologie hatten wir eher zufällig während
unserer aktuellen Forschung an makroskopischen Quantenphänomenen in mechanischen Systemen hier an der Fakultät
für Physik – sozusagen ein klassisches 'Abfallprodukt'", so Markus Aspelmeyer. "Die Universität
Wien war dann besonders hilfreich, die wichtigen Kontakte 'außerhalb des Elfenbeinturms' herzustellen".
Nach der Beratung durch INiTS (das Wiener Gründungszentrum der Stadt Wien, der Universität Wien und der
Technischen Universität Wien), erhielt CMS eine Förderung sowohl durch das von der AWS abgewickelte JITU-Preseed
Programm des BMWFJ, als auch durch die neu gegründete Proof of Concept-Initiative des European Research Council
(ERC), welches letztendlich zur Gründung der Firma führte. "Die frühe Unterstützung durch
AWS und ERC hat es uns erlaubt, sehr rasch einen ersten Prototypen zu entwickeln. Nachdem sich die Technologie
dann als funktionstüchtig erwiesen hatte, waren wir von dem großen Interesse der Fachwelt an unseren
Spiegeln sehr überwältigt, aber auch überfordert. Die einzige Möglichkeit, die Nachfrage erfüllen
zu können, war, die Technologie auszugliedern und ein eigenes Start-Up zu gründen", erläutert
Markus Aspelmeyer: "Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie zweckfreie Grundlagenforschung durchaus
auch kurzfristig High-Tech-Produkte für Industrie und Wissenschaft generieren kann".
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