IV-GS Neumayer: Nachhaltige Finanzen und Entlastung des Faktors Arbeit mehr denn je eine Frage
der Gerechtigkeit – IV-Chefökonom Helmenstein: Zurückhaltende Einschätzung bestätigt, aber
regionale Unterschiede bleiben vorhanden
Wien (pdi) - „Unsere zurückhaltende Einschätzung des realen Wirtschaftswachstums im Vorquartal
hat sich bestätigt – wir erwarten unverändert ein Plus von lediglich rund einem halben Prozent BIP-Wachstum
für das Jahr 2013 in Österreich. Die Folgen des geringen Wachstums lassen sich sowohl an der steigenden
Arbeitslosigkeit als auch an der geringeren öffentlichen Einnahmendynamik ablesen“, erklärte der Generalsekretär
der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Chefökonom
Dr. Christian Helmenstein zu den Ergebnissen des aktuellen Konjunkturbarometers der IV aus dem 3. Quartal 2013
heute, Dienstag, in Wien. Dieses hat sich – als Mittelwert aus der Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen
Geschäftsentwicklung – im 3. Quartal dieses Jahres nur leicht von +13 auf +16 Punkte verbessert. „Andererseits
neigt sich die längste Rezessionsphase seit Bestehen der Europäischen Union ihrem Ende entgegen. Die
Einkaufsmanagerindizes sowie die Stimmungsbarometer deuten darauf hin, dass die Talsohle, auch in der Eurozone,
durchschritten ist. Auch die österreichische Wirtschaft löst sich in den kommenden Monaten allmählich
aus der schon sechs Quartale andauernden Stagnationsphase“, so der IV-Generalsekretär.
Für das kommende Jahr ist aus heutiger Sicht eine – wenngleich „sanfte“ – Beschleunigung der wirtschaftlichen
Dynamik in der Eurozone um 1½ Prozentpunkte gegenüber dem heurigen Jahr zu erwarten. Da aufgrund des
schwachen ersten Quartals für das Gesamtjahr 2013 nochmals eine Schrumpfung zu verzeichnen sein wird, ergibt
sich daraus eine Wachstumserwartung von rund einem Prozent für 2014. „In Österreich hingegen zeichnet
sich für das kommende Jahr eine Rückkehr zum Trendwachstum in einer Größenordnung von 1,5
Prozent ab, zumal sich die konjunkturelle Lage in Zentral- und Osteuropa ebenfalls aufhellt. Allerdings bleiben
markante Wachstumsunterschiede sowohl zwischen den Ländern als auch innerhalb derselben bestehen“, führte
Helmenstein aus.
Jetzt Weichen für Zukunft stellen
Die grundsätzlich erfreuliche, wenn auch zaghafte, Trendwende sei auf nationaler Ebene nur dann möglich
und abgesichert, „wenn strukturelle Änderungen nun konsequent definiert und umgesetzt werden“, so Neumayer.
Es sei in zweierlei Hinsicht nun hoch an der Zeit für „mehr Fairness und Gerechtigkeit“ zu sorgen, so der
IV-Generalsekretär: „Die Rückkehr auf einen Wachstumspfad darf nicht darüber hinwegtäuschen,
dass das erwartbare Wachstum alleine nicht reichen wird, um unsere öffentlichen Finanzen nachhaltig zu sanieren.“
Die Politik sei daher dazu aufgerufen, auch angesichts der leicht anziehenden Konjunktur nicht in ihren Bemühungen
einer Budgetkonsolidierung nachzulassen. „Neue Schulden wären den kommenden Genrationen gegenüber unverantwortlich.
Im maximal umverteilenden Hochsteuerland Österreich ist eine ausgabenseitige Budgetkonsolidierung durch strukturelle
Reformen der einzig sinnvolle Weg, wenn wir Arbeitsplätze und Wohlstand nicht gefährden wollen“, so Neumayer,
der daran erinnerte, dass neben der „offiziellen“ Staatsschuld auch die „implizite Staatschuld“ – also die Leistungsversprechen
des Staates in die Zukunft – in Betracht gezogen werden müsse: „Laut Berechnungen von EcoAustria liegt die
implizite Staatschuld – also der aktuelle Schuldenstand plus die gegenwärtigen und künftigen Leistungszusagen
des Staates – bei 251 Prozent des BIP.“ Von nachhaltigen Staatsfinanzen sei man also „meilenweit entfernt. Hier
sollten wir uns ambitionierte Ziele setzen, und uns etwa Schweden, das regelmäßig Budgetüberschüsse
erwirtschaftet um die Verschuldung abzubauen, zum Vorbild nehmen.“
Ebenso wichtig sei mehr Fairness gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern: „Derzeit wird im Zuge
der KV-Verhandlungen wieder über mehr ‚Gerechtigkeit‘ bei den Löhnen diskutiert. Gerade die Industrie
ist gerne bereit, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich zu entlohnen, bereits jetzt sind die Löhne
in der Industrie ja überdurchschnittlich“, so Neumayer, der allerdings kritisierte: „An der Nase nehmen muss
sich bei dieser Frage vor allem einmal die Politik selbst: Denn über 60 Prozent der Lohnerhöhungen der
letzten Jahre hat der Staat einkassiert, und eben nicht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Eine Entlastung
des Faktors Arbeit sei somit dringend geboten, forderte der IV-Generalsekretär: „Unsere Unternehmen wissen,
dass sie nur gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfolgreich sein können und zahlen faire
Löhne. Es ist wenig nachvollziehbar, wenn dann die öffentliche Hand immer den Löwenanteil sämtlicher
Gehaltserhöhungen kassiert, ohne jemals selbst für mehr Effizienz bei den Ausgaben zu sorgen.“
Die Ergebnisse im Detail
Der Wert des IV-Konjunkturbarometers, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage
und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, reflektiert die leicht verbesserten Aussichten und legt
auf einen Wert von +16 Punkten nach +13 Punkten zu. Sowohl die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage
als auch jene der Geschäftserwartungen verbessert sich in nahezu gleichläufiger Weise, erstere auf +23
Punkte (nach +19 Punkten), letztere auf +10 Punkte (nach +7 Punkten). Die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage
liegt damit auf dem (niedrigen) Niveau von vor einem Jahr. Die geringfügig besseren Aussichten sind auf einen
um vier Prozentpunkte gestiegenen Anteil von Unternehmen zurückzuführen, die einen günstigen Geschäftsgang
erwarten – doch insgesamt trifft dies auf nicht einmal jedes fünfte Unternehmen zu –, während der Anteil
der Unternehmen mit einem voraussichtlich ungünstigen Geschäftsverlauf mit 9 Prozent (nach 8 Prozent)
grosso modo unverändert bleibt.
Die geringfügig verbesserten Geschäftserwartungen spiegeln einerseits die Erwartung einer Konjunkturwende
in Europa wider, andererseits wirkt die Stabilisierung der Wachstumsaussichten für die Schwellenländer,
insbesondere für China in einer Größenordnung von 7,5 Prozent, stabilisierend. Dennoch ist das
Intermezzo eines vor allem von den Schwellenländern getragenen globalen Wachstums zumindest temporär
vorüber. Zwar werden die Schwellenländer weiterhin überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten aufweisen,
aber von den Industrieländern sollten im Jahr 2014 wieder verstärkt Impulse ausgehen. Dazu trägt
das bis dato recht stetige Wachstum in den USA in Höhe von mindestens zwei Prozent sowie in zahlreichen weiteren
Industrieländern, darunter insbesondere Japan und einige außerhalb der Eurozone befindliche Länder
wie Norwegen, die Schweiz und Großbritannien, bei.
Ähnlich moderat wie die Geschäftsaussichten entwickeln sich die Auftragsbestände. Seit einem halben
Jahr legen diese allmählich wieder zu, so dass sich die industrielle Auftragsreichweite stabilisiert hat (Saldo
der Auftragsbestände +34 Punkte nach +30 Punkten im Vorquartal). Dies trifft in ähnlichem Ausmaß
auch auf die Auslandsaufträge zu. Hierbei steigt der Wert von +29 Punkten auf +34 Punkte. Diese Erhebungsergebnisse
deuten auf das Durchschreiten des Konjunkturtales und das Einsetzen des exportgetriebenen Konjunkturerholungsmusters
der österreichischen Wirtschaft hin.
Im Hinblick auf die Produktionstätigkeit in den nächsten drei Monaten wirkt nicht nur der verbesserte
Auftragsbestand unterstützend, sondern zugleich auch das Bestreben der Unternehmen, die eigene Lieferfähigkeit
bereits während einer frühen Phase der konjunkturellen Erholung auszubauen. Dementsprechend gestalten
die Unternehmen ihre Produktionsplanung auf Sicht der nächsten drei Monate deutlich expansiver. Der betreffende
Saldo steigt in saisonbereinigter Betrachtung von +1 Punkt auf +27 Punkte, wobei rund die Hälfte des Zuwachses
auf die für die Jahreszeit in diesem Ausmaß untypische Ausdehnung der Produktionsvolumina zurückzuführen
ist. Im Ergebnis sollte sich die Kapazitätsauslastung in den heimischen Unternehmen in den kommenden Monaten
leicht verbessern.
Nachdem die Unternehmen in den vergangenen Quartalen einen hohen Beschäftigtenstand aufrechterhalten haben,
reichen die leicht verbesserten Aussichten in Verbindung mit einer inkrementellen Zunahme der Arbeitsproduktivität
noch nicht aus, die Beschäftigungsentwicklung zu stabilisieren. Der Saldo für den Beschäftigtenstand
verharrt unverändert bei -6 Punkten im negativen Wertebereich. Dabei nimmt der Anteil der Unternehmen, welche
die bestehende Beschäftigung fortzuführen beabsichtigen, von 68 Prozent auf 72 Prozent zu. Zugleich entwickeln
sich sowohl die Einstellungs- als auch die Entlassungsneigung rückläufig.
Die verzögert einsetzende Erholung hinterlässt ihre Wirkung in der Ertragslage der Unternehmen – der
betreffende Saldo verharrt zum dritten Mal hintereinander bei +5 Punkten. Die globale Nachfrageschwäche schlägt
sich nach wie vor erheblich bei den erzielbaren Verkaufspreisen nieder, wenngleich die Abwärtsdynamik etwas
geringer wird (Saldo -10 Punkte nach -17 Punkten im Vorquartal). Erst auf Sicht von sechs Monaten drehen die Ertragsaussichten,
nicht zuletzt aufgrund der sich verbessernden Kapazitätsauslastung, von -1 Punkt auf nunmehr +9 Punkte.
Der Übergang von einem exportgeführten zu einem investitionsgetragenen Aufschwung setzt substanziell
bessere Ertragsaussichten als gegenwärtig gemessen voraus. Im kommenden Jahr ist daher aus heutiger Sicht
nach wie vor bestenfalls ein fragiler Aufschwung wahrscheinlich. Zwar ist von der extrem expansiv gestalteten Geldpolitik
weiterhin Unterstützung zu erwarten, doch haben die beiden letzten Leitzinssenkungen aufgrund eines Ursachenbündels,
darunter die höheren regulatorischen Anforderungen an den Bankensektor, die Unternehmen nicht mehr erreicht.
Zudem drohen die noch immer erheblichen politischen Ereignisrisken wie das Erreichen der Schuldenobergrenze in
den USA die Erwartung eines globalen Aufschwunges zunichte zu machen. Im Inland hängt das tatsächliche
Erreichen des Trendwachstums darüber hinaus wesentlich von der heimischen Konsum- und Investitionsneigung
ab – weitere Steuer- und Abgabenerhöhungen würden diese unterminieren und die aktuelle Wachstumserwartung
in Frage stellen.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 415 Unternehmen mit rund 275.400
Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen werden
drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver
und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
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