Erinnerungen an Felix Ermacora zum 90. Geburtstag
Wien (pk) - "Menschenrechte ohne Wenn und Aber" – dieser Buchtitel Felix Ermacoras aus dem Jahr
1993 charakterisiert wie kein anderer das Lebenswerk des bedeutenden Juristen und Parlamentariers. Ermacora stammte
aus einer altösterreichischen Offiziersfamilie, studierte in Innsbruck und fand als Universitätslehrer
und Politiker im Eintreten für die Grundfreiheiten und Menschenrechte seine Lebensaufgabe. Er verfocht das
Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler, verfasste rechtswissenschaftliche Standardwerke und krönte seine
akademische Laufbahn mit der Berufung zum Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität
Wien. Dem Nationalrat gehörte Ermacora von 1971 bis 1990 an und bleibt als ein markanter Parlamentarier seiner
Zeit unvergesslich. Der streitbare Völkerrechtsexperte war lange Jahre Mitglied der Menschenrechtskommissionen
des Europarates und der Vereinten Nationen. Ob in Algerien, Griechenland, Nordirland, Guayana, Chile, in israelisch
besetzten Gebieten, in Südafrika, Afghanistan oder Brasilien – Ermacora verteidigte das Recht der Menschen
gegen Übergriffe von Militär und Polizei, gegen Diktatoren und rassistische Regime mit nachhaltigem Erfolg.
Zur Erinnerung an Felix Ermacora luden die Präsidentin des Nationalrates, Barbara Prammer und Zweiter Präsident
Fritz Neugebauer gemeinsam mit dem Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte und der Rechtswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Wien am Abend des 14.10. in das Parlament ein.
"Menschenrechte zwischen Staat und Weltgesellschaft" lautete das Thema der Veranstaltung, in der Ludwig
Adamovich, Andreas Khol und Manfred Nowak Ermacora als Staatsrechtslehrer, Politiker und Pionier der Menschenrechte
würdigten. Ein Video zeichnete Felix Ermacoras Leben nach und zeigte ihn im Gespräch mit dem ORF-Journalisten
Johannes Kunz. Zu Wort kamen auch WegbegleiterInnen und SchülerInnen Felix Ermacoras und die ORF-Journalistin
Cornelia Vospernik (ORF), die mit dem nach Ermacora benannten Menschenrechtspreis ausgezeichnet wurde. Durch das
Programm führte Manfred Nowak, der gemeinsam mit Felix Ermacora und Hannes Tretter 1992 das Ludwig Boltzmann-Institut
für Menschenrechte gründete. Für die musikalische Umrahmung des Abends im festlich geschmückten
Plenarsaal des Nationalrates sorgte das Ensemble "Klangvierterl".
In Vertretung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die wie auch Zweiter Präsident Fritz Neugebauer
wegen wichtiger politischer Termine nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte, begrüßte Parlamentsdirektor
Harald Dossi die zahlreichen und prominenten Gäste der Festveranstaltung, unter ihnen auch die Witwe Helga
Ermacora.
Ludwig Adamovich über Ermacoras Impulse zum Thema Bundesstaat
Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich, überbrachte zunächst Grüße
von Bundespräsident Heinz Fischer, der seinen großen Respekt für Felix Ermacora und dessen leidenschaftliches
Eintreten für die Menschenrechte zum Ausdruck brachte. Dann befasste sich Adamovich schwerpunktmäßig
mit der Staatsrechtslehre Ermacoras, die den Staat im Unterschied zu Hans Kelsen in einer Zusammenschau von Recht
und Politik darstellt. Ermacoras wichtigstes Arbeitsgebiet bildeten die Menschenrechte, führte Adamovich aus
und wies auf Ermacoras dreibändiges Werk "Menschenrechte in einer sich wandelnden Welt" hin, das
Ermacora selbst als Krönung seiner Arbeit betrachtete. Adamovich ging auch auf Ermacoras Impulse für
völlig neue Entwicklungen ein, etwa beim Thema Bundesstaat und Föderalismus, wo Ermacoras Hinweis auf
das US-amerikanische Vorbild sowie auf die Geschichte der Länder vielfach neue Forschungen angeregt hat.
Andreas Khol über den großen Parlamentarier Ermacora
Der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol sprach über die Einheit von Theorie, Praxis und Politik
im Leben und Werk Felix Ermacoras und erinnerte dabei auch an dessen enorme Schaffenskraft. Khol konzentrierte
sich auf die Leistungen des bedeutenden Parlamentariers Ermacora und präsentierte den Teilnehmern des Festaktes
einen starken Band mit den Reden des Abgeordneten Ermacora, den er der anwesenden Witwe Helga Ermacora überreichte.
Der ehemalige Nationalratspräsident erinnerte auch an die große Zahl an Ausschuss- und Unterausschusssitzungen,
an denen Felix Ermacora teilnahm sowie an die wissenschaftliche und politische Sachkunde, die Ermacora in die Debatte
einbrachte. Sei es in der Südtirolpolitik, die er bis zur Streitbeilegung im Jahr 1993 wesentlich mitgestaltete,
in der Wehrgesetzgebung, im Hochschulrecht oder in der Menschenrechts- und Außenpolitik, führte Andreas
Khol aus.
Manfred Nowak: Ermacoras vorbehaltloser Kampf für die Menschenrechte
Universitätsprofessor Manfred Nowak (Wien) berichtete als Schüler Felix Ermacoras von dessen Arbeit als
Staats- und Verfassungsrechtslehrer sowie darüber, wie wichtig es Ermacora war, seine Aufgaben als Hochschullehrer
und Parlamentarier gleichermaßen gewissenhaft zu erfüllen. Weiters unterstrich Nowak die Bedeutung des
dreibändigen Werks Ermacoras zur Geschichte der Menschenrechte und beleuchtete die Arbeit des hoch angesehenen
Menschenrechtsexperten. Dabei wies er auf dessen zahlreichen Fact-Finding-Missionen hin, insbesondere auch jene
im Chile Pinochets und in Afghanistan und schilderte persönliche Erfahrungen auf einer schwierigen Mission
in Brasilien. Felix Ermacora hatte keinerlei Berührungsängste mit politisch anders denkenden Menschen,
betonte Nowak, ob es sich um Vertreter rechter oder linker Ideologien handelte. Er trat rückhaltlos für
die Einhaltung der Menschenrechte ein. Ermacoras politische Grundüberzeugung war, dass der wirksame Schutz
der Menschenrechte nur in einem demokratisch orientierten starken Staat gewährleistet sei und die staatliche
Souveränität schrittweise auf die internationale Gemeinschaft übergehen müsse, wenn ein Staat
nicht im Stande sei, seine Mitglieder vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen.
Abgerundet wurde der Abend mit persönlichen Erinnerungen an Felix Ermacora. Zu Wort kamen Vizerektorin Christiane
Druml (Medizinische Fakultät der Universität Wien), Dekan Heinz Mayer (Rechtswissenschaftliche Fakultät
Wien), Bundestheater-Geschäftsführer Georg Springer und die Trägerin des Felix Ermacora-Menschenrechtspreises,
Cornelia Vospernik (ORF).
Ein Leben für die Menschenrechte
Felix Ermacora wurde 1923 in eine altösterreichische Klagenfurter Familie geboren und studierte nach der Heimkehr
aus dem Krieg in Innsbruck Jus. Dort schlug er die akademische Laufbahn ein, arbeitete als Universitätslehrer
und eröffnete 1963 mit seinem Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte in Österreich eine
Reihe maßgeblicher rechts- und staatswissenschaftlicher Werke. 1964 wurde Felix Ermacora als Ordinarius für
öffentliches Recht an die Universität Wien berufen. Zu den politischen Anliegen Ermacoras zählte
die Kodifizierung eines österreichischen Grundrechtskatalogs und das Ziel, die Europäische Menschenrechtskonvention
in die österreichische Verfassung aufzunehmen.
Ein weiteres politisches Thema Ermacoras war das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler. Er fungierte als Berater
bei den Südtirol-Verhandlungen und unterstützte trotz zeitweiliger Differenzen Bruno Kreiskys Südtirol-Politik.
Seit 1958 war Ermacora Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission und ab 1959 auch der UN-Menschenrechtskommission,
die er ab 1974 - längst zu einem "Global player" in Sachen Menschenrechte avanciert - als Präsident
leitete. Dem Nationalrat gehörte Ermacora von 1971 bis 1990 als Abgeordneter an und befasste sich unter anderem
auch mit Konzepten für eine Reform des Bundesheeres.
Als Präsident der UN-Menschenrechtskommission untersuchte Ermacora die Schicksale vermisster Personen unter
der chilenischen Militärdiktatur. 1984 nahm er seine Arbeit als UN-Spezialberichterstatter zur Verbesserung
der Menschenrechtssituation in Afghanistan auf. Ermacora reiste oft zu Fact-finding-Missionen in das Land am Hindukusch
und erreichte die Umwandlung hunderter Todesurteile in Haftstrafen. Im Jahr 1995 starb Felix Ermacora überraschend
an den Folgen einer Infektionskrankheit, die er sich auf einer solchen Mission zugezogen hatte.
Felix Ermacora wurde im In- und Ausland vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit Ehrendoktoraten, dem UNESCO-Preis
für Menschenrechtserziehung, dem Europäischen Menschenrechtspreis und dem Menschenrechtspreis der Bruno
Kreisky-Stiftung. Er ist Autor maßgeblicher rechtswissenschaftlicher Werke und vertrat in Publikationen über
brisante Themen wie zum Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler, zur Vertreibung der Sudetendeutschen und zum
Friedensvertrag von St. Germain mutig seine Meinung.
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