Menschenrechte ohne Wenn und Aber

 

erstellt am
15. 10. 13
15.00 MEZ

Erinnerungen an Felix Ermacora zum 90. Geburtstag
Wien (pk) - "Menschenrechte ohne Wenn und Aber" – dieser Buchtitel Felix Ermacoras aus dem Jahr 1993 charakterisiert wie kein anderer das Lebenswerk des bedeutenden Juristen und Parlamentariers. Ermacora stammte aus einer altösterreichischen Offiziersfamilie, studierte in Innsbruck und fand als Universitätslehrer und Politiker im Eintreten für die Grundfreiheiten und Menschenrechte seine Lebensaufgabe. Er verfocht das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler, verfasste rechtswissenschaftliche Standardwerke und krönte seine akademische Laufbahn mit der Berufung zum Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien. Dem Nationalrat gehörte Ermacora von 1971 bis 1990 an und bleibt als ein markanter Parlamentarier seiner Zeit unvergesslich. Der streitbare Völkerrechtsexperte war lange Jahre Mitglied der Menschenrechtskommissionen des Europarates und der Vereinten Nationen. Ob in Algerien, Griechenland, Nordirland, Guayana, Chile, in israelisch besetzten Gebieten, in Südafrika, Afghanistan oder Brasilien – Ermacora verteidigte das Recht der Menschen gegen Übergriffe von Militär und Polizei, gegen Diktatoren und rassistische Regime mit nachhaltigem Erfolg.

Zur Erinnerung an Felix Ermacora luden die Präsidentin des Nationalrates, Barbara Prammer und Zweiter Präsident Fritz Neugebauer gemeinsam mit dem Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte und der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien am Abend des 14.10. in das Parlament ein.

"Menschenrechte zwischen Staat und Weltgesellschaft" lautete das Thema der Veranstaltung, in der Ludwig Adamovich, Andreas Khol und Manfred Nowak Ermacora als Staatsrechtslehrer, Politiker und Pionier der Menschenrechte würdigten. Ein Video zeichnete Felix Ermacoras Leben nach und zeigte ihn im Gespräch mit dem ORF-Journalisten Johannes Kunz. Zu Wort kamen auch WegbegleiterInnen und SchülerInnen Felix Ermacoras und die ORF-Journalistin Cornelia Vospernik (ORF), die mit dem nach Ermacora benannten Menschenrechtspreis ausgezeichnet wurde. Durch das Programm führte Manfred Nowak, der gemeinsam mit Felix Ermacora und Hannes Tretter 1992 das Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte gründete. Für die musikalische Umrahmung des Abends im festlich geschmückten Plenarsaal des Nationalrates sorgte das Ensemble "Klangvierterl".

In Vertretung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die wie auch Zweiter Präsident Fritz Neugebauer wegen wichtiger politischer Termine nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte, begrüßte Parlamentsdirektor Harald Dossi die zahlreichen und prominenten Gäste der Festveranstaltung, unter ihnen auch die Witwe Helga Ermacora.

Ludwig Adamovich über Ermacoras Impulse zum Thema Bundesstaat
Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich, überbrachte zunächst Grüße von Bundespräsident Heinz Fischer, der seinen großen Respekt für Felix Ermacora und dessen leidenschaftliches Eintreten für die Menschenrechte zum Ausdruck brachte. Dann befasste sich Adamovich schwerpunktmäßig mit der Staatsrechtslehre Ermacoras, die den Staat im Unterschied zu Hans Kelsen in einer Zusammenschau von Recht und Politik darstellt. Ermacoras wichtigstes Arbeitsgebiet bildeten die Menschenrechte, führte Adamovich aus und wies auf Ermacoras dreibändiges Werk "Menschenrechte in einer sich wandelnden Welt" hin, das Ermacora selbst als Krönung seiner Arbeit betrachtete. Adamovich ging auch auf Ermacoras Impulse für völlig neue Entwicklungen ein, etwa beim Thema Bundesstaat und Föderalismus, wo Ermacoras Hinweis auf das US-amerikanische Vorbild sowie auf die Geschichte der Länder vielfach neue Forschungen angeregt hat.

Andreas Khol über den großen Parlamentarier Ermacora
Der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol sprach über die Einheit von Theorie, Praxis und Politik im Leben und Werk Felix Ermacoras und erinnerte dabei auch an dessen enorme Schaffenskraft. Khol konzentrierte sich auf die Leistungen des bedeutenden Parlamentariers Ermacora und präsentierte den Teilnehmern des Festaktes einen starken Band mit den Reden des Abgeordneten Ermacora, den er der anwesenden Witwe Helga Ermacora überreichte. Der ehemalige Nationalratspräsident erinnerte auch an die große Zahl an Ausschuss- und Unterausschusssitzungen, an denen Felix Ermacora teilnahm sowie an die wissenschaftliche und politische Sachkunde, die Ermacora in die Debatte einbrachte. Sei es in der Südtirolpolitik, die er bis zur Streitbeilegung im Jahr 1993 wesentlich mitgestaltete, in der Wehrgesetzgebung, im Hochschulrecht oder in der Menschenrechts- und Außenpolitik, führte Andreas Khol aus.

Manfred Nowak: Ermacoras vorbehaltloser Kampf für die Menschenrechte
Universitätsprofessor Manfred Nowak (Wien) berichtete als Schüler Felix Ermacoras von dessen Arbeit als Staats- und Verfassungsrechtslehrer sowie darüber, wie wichtig es Ermacora war, seine Aufgaben als Hochschullehrer und Parlamentarier gleichermaßen gewissenhaft zu erfüllen. Weiters unterstrich Nowak die Bedeutung des dreibändigen Werks Ermacoras zur Geschichte der Menschenrechte und beleuchtete die Arbeit des hoch angesehenen Menschenrechtsexperten. Dabei wies er auf dessen zahlreichen Fact-Finding-Missionen hin, insbesondere auch jene im Chile Pinochets und in Afghanistan und schilderte persönliche Erfahrungen auf einer schwierigen Mission in Brasilien. Felix Ermacora hatte keinerlei Berührungsängste mit politisch anders denkenden Menschen, betonte Nowak, ob es sich um Vertreter rechter oder linker Ideologien handelte. Er trat rückhaltlos für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Ermacoras politische Grundüberzeugung war, dass der wirksame Schutz der Menschenrechte nur in einem demokratisch orientierten starken Staat gewährleistet sei und die staatliche Souveränität schrittweise auf die internationale Gemeinschaft übergehen müsse, wenn ein Staat nicht im Stande sei, seine Mitglieder vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen.

Abgerundet wurde der Abend mit persönlichen Erinnerungen an Felix Ermacora. Zu Wort kamen Vizerektorin Christiane Druml (Medizinische Fakultät der Universität Wien), Dekan Heinz Mayer (Rechtswissenschaftliche Fakultät Wien), Bundestheater-Geschäftsführer Georg Springer und die Trägerin des Felix Ermacora-Menschenrechtspreises, Cornelia Vospernik (ORF).

Ein Leben für die Menschenrechte
Felix Ermacora wurde 1923 in eine altösterreichische Klagenfurter Familie geboren und studierte nach der Heimkehr aus dem Krieg in Innsbruck Jus. Dort schlug er die akademische Laufbahn ein, arbeitete als Universitätslehrer und eröffnete 1963 mit seinem Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte in Österreich eine Reihe maßgeblicher rechts- und staatswissenschaftlicher Werke. 1964 wurde Felix Ermacora als Ordinarius für öffentliches Recht an die Universität Wien berufen. Zu den politischen Anliegen Ermacoras zählte die Kodifizierung eines österreichischen Grundrechtskatalogs und das Ziel, die Europäische Menschenrechtskonvention in die österreichische Verfassung aufzunehmen.

Ein weiteres politisches Thema Ermacoras war das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler. Er fungierte als Berater bei den Südtirol-Verhandlungen und unterstützte trotz zeitweiliger Differenzen Bruno Kreiskys Südtirol-Politik. Seit 1958 war Ermacora Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission und ab 1959 auch der UN-Menschenrechtskommission, die er ab 1974 - längst zu einem "Global player" in Sachen Menschenrechte avanciert - als Präsident leitete. Dem Nationalrat gehörte Ermacora von 1971 bis 1990 als Abgeordneter an und befasste sich unter anderem auch mit Konzepten für eine Reform des Bundesheeres.

Als Präsident der UN-Menschenrechtskommission untersuchte Ermacora die Schicksale vermisster Personen unter der chilenischen Militärdiktatur. 1984 nahm er seine Arbeit als UN-Spezialberichterstatter zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in Afghanistan auf. Ermacora reiste oft zu Fact-finding-Missionen in das Land am Hindukusch und erreichte die Umwandlung hunderter Todesurteile in Haftstrafen. Im Jahr 1995 starb Felix Ermacora überraschend an den Folgen einer Infektionskrankheit, die er sich auf einer solchen Mission zugezogen hatte.

Felix Ermacora wurde im In- und Ausland vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit Ehrendoktoraten, dem UNESCO-Preis für Menschenrechtserziehung, dem Europäischen Menschenrechtspreis und dem Menschenrechtspreis der Bruno Kreisky-Stiftung. Er ist Autor maßgeblicher rechtswissenschaftlicher Werke und vertrat in Publikationen über brisante Themen wie zum Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler, zur Vertreibung der Sudetendeutschen und zum Friedensvertrag von St. Germain mutig seine Meinung.

 

 

 

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