Wien (tu) - Den Ladezustand von Batterien anzugeben ist schwierig, besonders wenn es in Echtzeit im Volllastbetrieb
geschehen soll. Optimale Versuchsplanung und nichtlineare Batteriemodelle der TU Wien machen das aber möglich.
Ein "Batterie-Schnelltester" wird auf der internationalen Fachmesse sps ipc drives ab 26.November in
Nürnberg nun erstmals vorgestellt.
Dass Batterie-Ladezustandsanzeigen nicht immer besonders zuverlässig sind, erlebt man jeden Tag – etwa beim
Handy oder bei der Fotokamera. Bei großen Batterien, bei denen die Belastung zeitlich stark variiert, beispielsweise
in Hybrid- oder Elektro-Fahrzeugen, ist dieses Problem noch viel schwerwiegender. Für genaue Ladezustandsanzeigen
benötigt man ein mathematisches Modell, mit dem sich das Verhalten der Batterie in möglichst allen Situationen
beschreiben lässt. Ein Forschungsteam der TU Wien hat sich darauf spezialisiert, solche Modelle aus wenigen,
optimal maßgeschneiderten Versuchsmessungen abzuleiten.
Batterieverhalten messen mit optimalen Testsignalen
„Um das dynamische Verhalten der Batterie modellieren zu können, braucht man zunächst Messungen,
die ausreichend Informationen für die Modellbildung zur Verfügung stellen.“, erklärt Johannes Unger,
der im Forschungsteam von Prof. Stefan Jakubek (Institut für Mechanik und Mechatronik der TU Wien) an diesem
Problem forscht. Man gibt einen bestimmten zeitlich veränderlichen Laststrom vor und beobachtet, wie sich
die Spannung der Batterie unter dieser Belastung verhält.
„Entscheidend ist, mit minimalem Testaufwand ein Maximum an Information über die Batterie herauszufinden“,
sagt Stefan Jakubek. Normalerweise wird das Testergebnis umso genauer, je länger man misst. Doch Zeit ist
Geld: Längere Messungen sind teurer und verbrauchen Ressourcen. Bei optimaler Planung der Messung lässt
sich auch mit kurzen Testsignalen die nötige Information auslesen.
Datenbasierte Black Box Modelle für minimale Schätzfehler des Ladezustandes
„Die Batterie physikalisch und chemisch vollständig zu beschreiben, wäre ungeheuer aufwändig und
schlussendlich nicht für Echtzeitanwendungen geeignet.“, sagt Stefan Jakubek. Daher modelliert man die Batterie
als Black Box, deren Verhalten von einem rein datenbasierten Modell beschrieben wird. Ausgehend von diesem Modell
berechnet man, mit welchem Stromsignal das Verhalten der Batterie am besten angeregt werden kann – und abhängig
von diesem Messergebnis kann man daraus wiederum das Modell verbessern. Nach einigen Schritten erhält man
dadurch ein sehr gutes Modell der Batterie, das über den gesamten Bereich an Betriebsparametern gültig
ist.
„Durch unsere Optimierungsrechnungen ergibt sich ein deutlich dynamischeres Testsignal verglichen zu den bisher
verwendeten“, sagt Johannes Unger. „Mit unserem Batterie-Schnelltester für industriell-kommerzielle Anwendungen
konnten wir zeigen, dass aus nicht optimierten Testsignalen identifizierte Modelle das hochdynamische Batterieverhalten
oft systematisch falsch wiedergeben.“ Dann kann es passieren, dass der Ladezustand der Batterie permanent falsch
eingeschätzt wird.
Lösung für moderne Batterie-Management-Systeme
Besonders bei Hochleistungseinsätzen, in denen sich die Beanspruchung der Batterie zeitlich stark ändert,
ist die datenbasierte Lösung der TU-Forschungsgruppe äußerst nützlich. Sehr wichtig sind die
optimale Versuchsplanung und daraus erhaltene Batteriemodelle auch für das Testen von Gleichstrom-Umrichtern:
Sie nehmen elektrische Leistung in Form von einzelnen Pulsen auf, etwa aus einer Batterie, und geben möglichst
konstante Gleichspannung weiter, zum Beispiel an einen Elektromotor. Für die Entwicklung solcher Umrichter
sind präzise Batteriemodelle unverzichtbar.
Präsentation auf Fachmesse
Auf der Fachmesse sps ipc drives ab 26. November in Nürnberg wird der TU-Batterietester zum ersten Mal öffentlich
präsentiert. Die TU Wien wird dort in Halle 4 außerdem auch ein intelligentes Regelungssystem für
Elektromotoren und ein Projektmanagement-Tool zur Kostenreduktion in der Planung und Inbetriebnahme industrieller
Anlagen vorstellen.
Publikationen
Unger Johannes, Christoph Hametner, Stefan Jakubek and Marcus Quasthoff.
"Optimal model based design of experiments applied to high current rate battery cells." In Electrical
Systems for Aircraft, Railway and Ship Propulsion (ESARS), pp. 1-6, 2012.
Hametner Christoph and Stefan Jakubek. "State of charge estimation for Lithium Ion cells: Design of experiments,
nonlinear identification and fuzzy observer design." Journal of Power Sources 238, pp. 413-421, 2013.
|