Belvedere: Emil Nolde - In Glut und Farbe

 

erstellt am
24. 10. 13
14.00 MEZ

Wien (belvedere) - "Deshalb gern mied ich alles Sinnen vorher, eine vage Vorstellung nur in Glut und Farbe mir genügte (...)"*, schrieb Emil Nolde 1936 über seine instinktive Arbeitsweise und den ungehemmten Umgang mit Farben, der seine Werke auszeichnet. Mit Emil Nolde - In Glut und Farbe widmet das Belvedere in Kooperation mit der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde dem herausragenden Einzelgänger des deutschen Expressionismus eine Ausstellung, die einen lebhaften Eindruck seiner Farbexplosionen vermittelt. Die Schau zeigt Werke aus all seinen Schaffensphasen, von frühen, vom Impressionismus geprägten Gartenbildern über biblische und Legendenbilder oder strahlende, in der Südsee gemalte Pastelle bis hin zu den während des Malverbots entstandenen Ungemalten Bildern. Ergänzt wird die Ausstellung durch Druckgraphiken des Künstlers und ausgewählte Arbeiten österreichischer Maler wie Oskar Kokoschka, Werner Berg oder Max Weiler, die durch Nolde inspiriert wurden.

Emil Nolde fand erst relativ spät und weitgehend eigenständig zur Kunst und zu seiner individuellen Ausdrucksweise. 1867 als Emil Hansen im Dorf Nolde bei Tondern im deutsch-dänischen Grenzgebiet geboren, verbrachte er seine Kindheit auf dem elterlichen Bauernhof. Nach einer Ausbildung zum Holzbildhauer in Flensburg und darauf folgenden Wanderjahren als Möbeltischler war er als Fachlehrer für gewerbliches Zeichnen am St. Galler Industrie- und Gewerbemuseum tätig. Der Verkaufserfolg einer Postkartenserie, in der er Bergen menschliche Züge verlieh, ermöglichte ihm 1897, seine Lehrstelle aufzugeben und sich ganz der Malerei zu widmen. 1898 begann er in München bei Friedrich Fehr zu studieren, wechselte aber bald zu Adolf Hölzel und den Malern der Dachauer Schule. Dort erlernte er die Analyse der Kompositionen großer Meister und die Reduktion der Werke auf ihre wesentlichen Elemente, was zu einer Verdichtung auf wenige große Flächen führte. Nach Noldes kunsthandwerklichen Anfängen führte ihn die Auseinandersetzung mit Meistern wie Leibl, Marées, Böcklin und der Besuch der Hölzel-Schule zunächst zu einer stimmungsvollen, dunkeltonigen Gestaltungsweise. Einige Monate in Paris und an der Académie Julian im Jahr 1900 brachten ihn mit jenem strahlenden Kolorit des französischen Impressionismus in Kontakt, das eine radikale Aufhellung seiner Palette mit sich brachte - seine Bilder wurden strahlender, frischer und bunter. Währenddessen strebten die Maler der Brücke - ausgehend von Munch und bestärkt von den zeitgleichen französischen Fauves - eine ähnliche Enthemmung der Farbe und Spontaneität des Pinselstrichs an. Auf seine 20-monatige Zugehörigkeit zur Künstlergruppe folgte Noldes Beitritt zur Berliner Secession. Später zählte er zu jenen Künstlern, die sich von dieser abspalteten und 1910 die Neue Secession gründeten.

Selbstüberraschungen eines Farbmagiers
"Um 1911 bzw. 1912 fand Nolde zu seinem persönlichen Stil. Vom farbenprächtigen Impressionismus seiner Gartenbilder um 1907 über die 1910 entstandenen religiösen Bilder, die eine neue Strahlkraft der mit strähnigen Pinselzügen aufgetragenen Farben aufwiesen, gelangte er zu einer Malweise, die leuchtende, volltönende Farbflächen betonte und Details unterschlug. Die Themenvielfalt seines unverwechselbaren Werks reicht von grotesken Phantasiewesen, ekstatischen Tänzerinnen und Situationen des Berliner Nachtlebens über Bibelszenen und christliche Legenden bis hin zur Landschaft seiner Heimat Nordschleswig und zu Meeresstimmungen der Ost- und Nordsee", erklärt Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere. Noldes Naturverbundenheit und die ständige Suche nach dem Ursprünglichen führten ihn auf weite Reisen, sogar nach Neuguinea, wo er auf Inspiration abseits der westlichen Zivilisation hoffte. "Die Bildfläche war das eigentliche Austragungsfeld seiner Auseinandersetzung mit Natur und Leben, auf dem sich das Drama der Farben untereinander abspielte. Mit Fortschreiten seines Werks sollte Nolde immer stärker auf diese eigene, den Farben innewohnende Kraft hören und aus ihr heraus seine Bilder entwickeln. Der Künstler schuf seine Gemälde vor allem aus seiner eigenen Vorstellungskraft und Empfindung heraus. Oftmals war er dabei selbst ganz erstaunt über die Ergebnisse und bezeichnete die schönsten seiner Werke daher als Selbstüberraschungen", erläutert Stephan Koja, Kurator der Ausstellung.

Ungemalte Bilder
Noldes unmittelbarer Zugang zur Malerei und sein einzigartiger Umgang mit Farben fanden einen Höhepunkt in seinem immensen Alterswerk der Ungemalten Bilder, die trotz des Malverbots, das am 23. August 1941 über ihn verhängt wurde, im Geheimen entstanden. Aus der Reichskunstkammer ausgeschlossen, wurde ihm jede berufliche Betätigung auf den Gebieten der bildenden Künste untersagt. Dies bedeutete einen großen Schock für den Maler, hatte er doch wie viele andere Künstler anfänglich die Machtergreifung der Nationalsozialisten begrüßt und gehofft, das nationalsozialistische Regime könnte Deutschland nach dem Trauma des Ersten Weltkriegs und des Friedensvertrags von Versailles wieder Orientierung und Selbstvertrauen verleihen. Sein Interesse für den nordischen Naturmystizismus brachte ihn dabei gefährlich nahe an die rassisch beeinflusste nordische Mythenwelt des Nationalsozialismus; dessen Intoleranzen bis hin zum Völkermord sah er allerdings wohl nicht voraus. Aufgrund seiner ausgeprägten Verwurzelung in Nordfriesland war eine Emigration, wie sie ihm von Freunden nahegelegt wurde, für Nolde undenkbar. Um sich nicht durch den Geruch der Ölfarbe zu verraten, schuf der Künstler in den vier Jahren des Malverbots hauptsächlich kleine Aquarelle - Ungemalte Bilder, da sie eigentlich nicht entstehen durften und auch nicht in jener Form verwirklicht werden konnten, in der Nolde sie erschaffen wollte: als großformatige Ölgemälde. So entstanden zwischen 1938 und 1945 über 1300 kleinformatige Aquarelle und Gouachen mit frei erfundenen, meist phantastischen Darstellungen in seinem Atelier in Seebüll, von denen knapp 50 Blätter im Unteren Belvedere präsentiert werden. Dabei ließ Nolde aus zufälligen Farbklecksen Gesichter, Figuren, aber auch phantastische Mischwesen zwischen Mensch und Tier entstehen. Ebenso malte Nolde Landschaften aus seinem Gedächtnis, unter ihnen blutrot gefärbte Meere oder in Lapislazuli getauchte Felsküsten.

In Glut und Farbe
Emil Nolde - In Glut und Farbe zeigt zentrale Werke aus der reichen Sammlung der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, der Hamburger Kunsthalle sowie weiteren Museen und Privatsammlungen. Unter den Arbeiten befinden sich Landschaften, Meere, Bildnisse, Berliner Szenen, religiöse Bilder und Phantasien sowie hochkarätige Folgen von Aquarellen und fast 50 Blätter der Ungemalten Bilder. Gleichzeitig beleuchtet die Ausstellung durch ausgewählte Werke österreichischer Maler wie Werner Berg, Herbert Boeckl, Oskar Kokoschka oder Max Weiler, wie diese auf Noldes Farbexplosionen reagierten und aus seiner Kunst Anregungen für das eigene Werk bezogen. Damit veranschaulicht die Ausstellung auch den intensiven künstlerischen Austausch im Europa des 20. Jahrhunderts.

 

 

 

Informationen: http://www.belvedere.at

 

 

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at