No risk, no fun?

 

erstellt am
23. 10. 13
14.00 MEZ

Hirnstimulation kann risikofreudige Menschen einbremsen und risikoscheue enthemmen
Wien (universität)- Gehören Sie zu den Adrenalin-Junkies, die ihr Schicksal gerne herausfordern um sich lebendig zu fühlen, oder löst der Gedanke, sich an einem Seil hängend in die Tiefe zu stürzen, schieres Entsetzen bei Ihnen aus? In einer kürzlich veröffentlichten Studie haben ein ForscherInnenteam um Jürgen Pripfl und Claus Lamm vom Institut für Psychologische Grundlagenforschung der Universität Wien herausgefunden, dass die linke Gehirnhälfte die Vor- und Nachteile in riskanten Entscheidungen rational abwägt, während die rechte Gehirnhälfte verführerische oder ängstliche Impulse kontrolliert.

Wie die Forscher im Fachmagazin "European Journal of Neuroscience" zeigen, kann eine Stimulation des dorsolateralen präfrontalen Kortex (dlPFC) mit Hilfe schwacher elektrischer Ströme das Risikoverhalten beeinflussen. Während des Experiments erhöhten die WissenschafterInnen die Aktivität der Nervenzellen in dieser Gehirnregion entweder in der linken oder in der rechten Gehirnhälfte. Wurde die neuronale Aktivität in der linken Seite gesteigert, optimierten sowohl risikofreudige als auch risikoscheue SpielerInnen ihr Entscheidungsverhalten und verbesserten Ihre Punktesumme in der "kalten" Variante eines Kartenspiels. "Kalt" deswegen, weil in dieser Variante rein rationales Kalkül zur Abwägung des Risikos notwendig war. Die SpielerInnen mussten auf Basis von drei Spielparametern (Pluspunkte pro aufgedeckter Karte, Anzahl von Verlustkarten im Stapel, Punktverlust bei Aufdecken einer Verlustkarte) zu Beginn jeder Runde die Anzahl aufzudeckender Karten (von 0 bis 32) angeben. Unmittelbar danach ging es in die nächste Runde – ohne Rückmeldung ob eine Verlustkarte gezogen wurde oder nicht. Erst am Ende der letzten von 24 Runden wurde der Gesamtpunktestand bekannt gegeben.

Anders die Situation in der "heißen" Variante des Spiels: In jeder Runde wird eine Karte nach der anderen aufgedeckt, wohlwissend, dass irgendwo im Kartenstapel der "Schwarze Peter" versteckt ist. Es bestand die Möglichkeit, jederzeit abzubrechen und in die nächste Runde zu wechseln. Je mehr Karten aufgedeckt wurden, desto höher wurde natürlich das Risiko, auf den "Schwarzen Peter" zu treffen und damit alle bisher erspielten Punkte zu verlieren. Für risikofreudige Menschen ein Zustand freudiger Erregung und verführerischer Impulse, es an die Spitze zu treiben. Für risikoscheue Menschen ein Zustand, der zunehmend mit ängstlichen Impulsen, eine Verlustkarte zu ziehen, behaftet ist.

Ohne Gehirnstimulation deckten die risikoscheuen Personen in dieser "heißen" Variante wie erwartet weniger Karten auf als risikofreudige. Wurde die Aktivität in der rechten Hirnregion erhöht, veränderte sich das Verhalten: Risikofreudige SpielerInnen reduzierten ihr Risikoverhalten, aber risikoscheue zeigten umgekehrt plötzlich einen vermehrten Hang zum Risiko. Diese gegensätzliche Veränderung im Verhalten ist Resultat ein und desselben Mechanismus des rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex. Diese Struktur kontrolliert affektive Impulse, die aus tieferliegenden Gehirnbereichen kommen.

Während aber für die risikofreudigen SpielerInnen die verführerischen und erregenden Impulse besser kontrollierbar werden und sie dadurch weniger Risiko eingehen, reagieren risikoscheue SpielerInnen umgekehrt: Bei ihnen werden die ängstlichen Impulse, einen Verlust zu erleiden, besser beherrschbar. Sie trauen sich daher mehr zu und steigern ihr Risikoverhalten.

Die Erkenntnisse der WissenschafterInnen könnten für die Behandlung bestimmter psychischer Krankheiten relevant sein, bei denen Störungen in der Impulskontrolle vorhanden sind, wie beispielsweise Suchtkrankheiten.

Publikation in "European Journal of Neuroscience"
Jürgen Pripfl, Renate Neumann, Ulla Köhler and Claus Lamm: Effects of transcranial direct current stimulation on risky decision making are mediated by ‘hot’ and ‘cold’ decisions, personality, and hemisphere. Eurpean Journal of Neuroscience, Online veröffentlicht am 11. Oktober 2013,
DOI: 10.1111/ejn.12375

 

 

 

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