10 Jahre Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim
Alkoven/Linz (lk) - "Wert des Lebens": das war der Titel der Ausstellung, mit der im Mai 2003
die neu geschaffene Gedenkstätte in Schloss Hartheim ihrer Bestimmung übergeben wurde. Ziel und Auftrag
der Gedenkstätte ist es, in zeitgemäßer Form die Rolle von Schloss Hartheim während der Zeit
des Nationalsozialismus aufzuarbeiten und der Opfer des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms in würdevollem
Rahmen zu gedenken. Dahinter steht das Bekenntnis des Landes Oberösterreich zu den dunklen Seiten seiner Geschichte.
Oberösterreich nimmt die daraus erwachsene Verantwortung sehr ernst und möchte zeigen, dass dieses Gedenken
auch ein stets bleibender Auftrag an Gegenwart und Zukunft ist.
Heute ist Schloss Hartheim ein Ort des Gedenkens und Lernens. In seiner Arbeit geht es sowohl um die Dokumentation
der Verbrechen der NS-Zeit, als auch um das Aufzeigen und Benennen von fragwürdigen und problematischen Ideen
und Denkmustern, die immer wieder neu entstehen und wirksam werden können.
Zehn Jahre nach der Gründung des Lern- und Gedenkortes soll im Rahmen eines Festaktes am 30.10. um 17 Uhr,
im Kulturtreff Alkoven die bisherige Arbeit reflektiert werden.
Geschichte Schloss Hartheim
Schloss Hartheim zählt zu den bedeutendsten Renaissancebauten Oberösterreichs, seine jetzige Form
geht auf das 17. Jahrhundert zurück. 1898 wurde in Schloss Hartheim ein Pflegeheim für geistig und mehrfach
behinderte Menschen eingerichtet. 1938 wurde das Pflegeheim von den Nationalsozialisten aufgelöst und enteignet,
ab 1940 wurde das Schloss zu einer von sechs Tötungsanstalten des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms
"T4". Nach Abbruch dieses mörderischen Programms im Jahr 1941 wurde Schloss Hartheim von der SS
weiter als Tötungsanstalt genutzt. Insgesamt starben in der Gaskammer von Hartheim rund 30.000 Menschen.
Der Weg zum Lern- und Gedenkort
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss zunächst als Flüchtlingsunterkunft genutzt, und diente
in der Folge als Wohngebäude. 1969 wurde eine erste Gedenkstätte errichtet, im Laufe der Zeit gestaltete
sich aber das Nebeneinander von Alltagsleben und Gedenkstätte immer komplexer. Daher ging man in den 90er
Jahren des 20. Jahrhunderts daran, nach neuen Lösungen zu suchen, um einen angemessenen Ort des Gedenkens
und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu schaffen. 1995 ist nach jahrelangen Vorarbeiten eines Proponentenkomitees
der Verein Schloss Hartheim gegründet worden, 1997 beschloss schließlich die OÖ. Landesregierung
die Restaurierung des Schlosses und die Einrichtung des Lern- und Gedenkortes. Dieser hat mit der Eröffnung
der Ausstellung "Wert des Lebens" im Mai 2003 seine Arbeit aufgenommen. Mit der Errichtung der "Stiftung
Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim" durch das Land Oberösterreich im Jahr 2005 wurde schließlich
die Finanzierung der Institution dauerhaft gesichert.
Arbeit des Lern- und Gedenkortes
Der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim hat drei grundlegende Aufgabengebiete:
- gedenken,
- dokumentieren,
- vermitteln.
Die Schwerpunkte der inhaltlichen Arbeit:
Hartheim als Ort, an dem vergangene Entwicklungen und ihre Folgen gezeigt und untersucht
werden
Zentrale Anlaufstelle ist die in Schloss Hartheim untergebrachte Dokumentationsstelle des OÖ. Landesarchivs.
Ihr Auftrag ist es, Hartheim relevante Materialien zu sammeln und Forscherinnen und Forschern zur Verfügung
zu stellen. Eine wesentliche Aufgabe ist die Arbeit am "Gedenkbuch Hartheim" mit dem Ziel einer möglichst
vollständigen namentlichen Erfassung der in Hartheim ermordeten Menschen. 22.500 Opfern konnte bisher so eine
Identität gegeben und somit ihre Menschenwürde wieder hergestellt werden.
Hartheim als Ort der Gegenwart und Zukunft:
Hartheim ist heute auch ein Ort der Diskussion, Reflexion und des Meinungsaustausches. Im Mittelpunkt der
Arbeit steht dabei die Auseinandersetzungen mit zentralen Themen der Zeit: Wo liegen die ethischen Herausforderungen?
Wie ist der Umgang unserer Gesellschaft mit Menschen mit Beeinträchtigungen? Wie ist der Wert des Lebens heute?
Thematisiert werden aber auch vergangene und aktuelle Diskussionen rund um Euthanasie und Sterbehilfe. Diese inhaltlichen
Schwerpunkte werden in unterschiedlichen Veranstaltungsformaten angesprochen.
Ein Schwerpunkt ist dabei die "Internationale Hartheim Konferenz", die seit 2007 bereits drei Mal stattgefunden
hat (2007: "Sinn und Schuldigkeit - Fragen zum Lebensende", 2009: "Ambivalenzen der Biowissenschaften",
2012: "Biologisierung des Sozialen").
Vermittlungsprogramme für junge Menschen
Eine wesentliche Aufgabe ist es, junge Menschen in altersgerechter Form mit den Zielen und Aufgaben des
Lern- und Gedenkortes vertraut zu machen und ihnen eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik zu ermöglichen.
Dazu wurden sechs Vermittlungsprogramme entwickelt: "Gleich sein - anders sein - gemeinsam sein?", "Miteinander
- Gegeneinander - Füreinander", "Die Macht der Sprache", "Zukunft Menschenzucht",
"Gedenken - Mitdenken" und "Berufsbildmenschenbild". Für alle Programme ist der Gang und
die Begleitung durch die Gedenkstätte inkludiert.
Die Besucherzahlen steigen kontinuierlich an: 2004, im ersten Jahr nach dem Start 2003, waren es 12.525 Menschen,
2012 insgesamt 18.277 Personen, die Ausstellung und Gedenkstätte besucht haben.
Details zu den Besucherzahlen
- 59% der Besucherinnen und Besucher, die ein Vermittlungsprogramm in Anspruch
genommen haben, waren Kinder und Jugendliche im Alter zwischen neun und 18 Jahren, 41 % Erwachsene.
- Was einen Vergleich der Bildungseinrichtungen, die nach Hartheim kommen, betrifft,
so zeigt sich, dass die größte Gruppe (27,3%) aus berufsbildenden Einrichtungen (BAKIP, PädAk,
Fachschulen für Soziales, Gesundheit, Pflege) kommt; je rd. 20% kommen aus Unterstufen, AHS Oberstufen, etc.
Mit deutlichem Abstand folgen Lehrlinge (10,1% der Teilnehmenden an Vermittlungsprogrammen).
Finanzen
Das Budget des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim beläuft sich auf 440.000 Euro. Davon kommen 180.000
Euro von Seiten des Landes Oberösterreich als Subvention.
Die Stiftung Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim wurde zur dauerhaften finanziellen Absicherung der Arbeit des
Lern- und Gedenkortes eingerichtet. Derzeit beträgt das Stiftungsvermögen sieben Millionen Euro. Davon
kommen insgesamt 2,9 Millionen vom Land OÖ, der Rest von oö. Gemeinden, Institutionen und Firmen.
Mehr als 1.300 Personen und Institutionen haben die Stiftung mit finanziellen Beiträgen bisher unterstützt.
Jährlich werden derzeit von der Stiftung rund 275.000 Euro ausgeschüttet, von denen 220.000 Euro in die
Arbeit des Lern- und Gedenkortes fließen, der Rest wird wieder veranlagt.
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