Computer statt Antragsformulare: E-Government gilt als große Zukunftshoffnung. Alois
Paulin von der TU Wien hält bestehende Systeme aber nicht für nachhaltig und schlägt einen ganz
anderen Zugang vor.
Wien (tu) - Ja dürfen die denn das? Ein großer Teil der Bürokratie besteht darin, Berechtigungen
zu überprüfen: Enthält der Akt alle nötigen Unterlagen, um eine Staatsbürgerschaft auszustellen?
Sind alle Anforderungen für einen Führerschein erfüllt? Darf auf diesem Grundstück ein fünfstöckiges
Haus gebaut werden? All diese Entscheidungen könnte man mit den passenden IT-Systemen automatisieren, meint
Alois Paulin vom Institut für Rechnergestützte Automation der TU Wien. Doch IT-Systeme ändern sich
alle paar Jahre, während Staaten Jahrhunderte überstehen. Man braucht also ein dauerhaftes System, das
auch eine Verwaltungsreform oder eine vollkommene Neustrukturierung des Staates mitmachen kann.
E-Government: Die Bürokraten bleiben
E-Government-Lösungen gibt es bereits – die Eingabe von Steuererklärungen oder Anträgen wird
dadurch einfacher. Doch die Verwaltungsstruktur dahinter bleibt bestehen: Nach wie vor haben die Unterlagen einen
vordefinierten Amtsweg zu durchlaufen, man braucht Personal zum Überprüfen, Weiterleiten und zum Ausstellen
von Genehmigungen.
Außerdem sind E-Government-Ansätze meist genau auf das bestehende Verwaltungssystem zugeschnitten: Die
Arbeitsabläufe sind fest einprogrammiert, eine Gesetzesreform kann dazu führen, dass alles neu aufgesetzt
werden muss. Das kostet Zeit und Geld – aus Alois Paulins Sicht ist dieser Ansatz daher nicht nachhaltig. Er schlägt
ein System vor, in dem gewisse Voraussetzungen automatisch bestimmte Rechte mit sich bringen, ganz ohne dass dafür
ein Amtsweg oder ein menschlicher Entscheidungsprozess nötig wäre.
Automatische Rechte statt Antragstellung
Schulzeugnisse, Führerscheinprüfungen, Besitzurkunden – all die Daten, die wir brauchen um bestimmte
Rechte zu erlangen, sind heute in Datenbanken gespeichert. Sind diese Daten erst mal erhoben, kann ein Verwaltungs-Computersystem
automatisch die dazugehörigen Rechte zuerkennen. Man müsste für einen Führerschein also keine
Unterlagen einreichen, er wäre bloß ein grünes Häkchen in einer Datenbank, das sich automatisch
ergibt, sobald die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei der Verkehrskontrolle muss die Polizei nur
die Identität überprüfen und nachsehen, ob bei dieser Person im System das Führerschein-Häkchen
gesetzt ist. Statt um Baugenehmigungen anzusuchen, bekäme man das grüne Licht für den Bau automatisch
durch Grundstücksdatenbank und baubehördliche Vorschriften.
Möge die Macht mit dir sein – als Datenbank-Eintrag
Die Rechte, die sich aus bestimmten Daten ergeben, können natürlich jederzeit geändert werden –
durch Personen, die ihrerseits das Recht dazu haben. So wäre eben auch die Eigenschaft „einen Sitz im Nationalrat
haben“ ein grünes Häkchen in der Datenbank, mit dem man dann wiederum mitentscheiden könnte, welche
Voraussetzungen für den Erwerb anderer Rechte nötig sein sollen. „So entsteht ein völlig flexibles
System, in dem die Spielregeln ganz klar und transparent auf dem Tisch liegen“, sagt Alois Paulin.
Ein solches auf Daten und Berechtigungen basierendes System ist so flexibel, dass es eine vollständige Umstellung
des Staates mitmachen könnte: Auch wer neue Regeln vorschlagen, diskutieren und umsetzen kann, ergibt sich
durch Regeln innerhalb des Systems. „Von unserer heutigen repräsentativen Demokratie über basisdemokratische
Liquid-Democracy-Ansätze bis hin zu einem autoritären Staat könnte man jede Regierungsform in so
einem System abbilden“, sagt Paulin. „Ändert sich die Staatsform, würden sich nur die Spielregeln ändern,
die bestimmte Daten mit bestimmten Rechten verknüpfen.“
Ein besseres Miteinander
Alois Paulin hat auf allgemeine, abstrakte Weise untersucht, wie sich ein solches System bauen lässt, und
einen einfachen Prototyp geschaffen. Sein Verwaltungskonzept hat nicht nur das Potenzial, hohe Verwaltungskosten
zu sparen, es könnte auch zu einem transparenteren Rechtsstaat führen. „Beamte können Fehler machen,
korrupt sein, oder Schlupflöcher nutzen. Ein Datenbank-basiertes System könnte viel nachvollziehbarer
sein und das Miteinander verbessern“, hofft Alois Paulin. Angst vor Beamten, die aufgrund ihres Einblicks in die
Daten übermäßigen Einblick in das Leben anderer bekämen, hat er nicht: „Auch das könnte
man über die Datenbank regeln: Wer darf welche Daten sehen? Vielleicht soll der Polizist auf gewisse Daten
nur genau dann zugreifen können, wenn ich dabei bin – das System ließe hier beliebige Flexibilität
zu.“
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