Wien (aelc) - Konzepte für eLearning in Unternehmen und Prognosen für die Zukunft des Corporate Learning
standen vergangene Woche im Mittelpunkt der Austrian eLearning Conference in Wien. Laut Meinung der vertretenen
Experten werden den Betrieben die Kompetenzen der Mitarbeiter immer wichtiger: Was zählt ist die Fähigkeit,
Wissen erfolgreich in der Praxis einzusetzen. Neben dem vieldiskutierten Trend zu MOOCs (Massive Open Online Courses)
gewinnt Lernen am Arbeitsplatz im Austausch mit Kollegen und Experten an Bedeutung. Zukünftig könnte
der Computer als Lernpartner eine immer größere Rolle spielen.
„Mit E-Learning können wir Geschwindigkeit aufnehmen für mehr Innovationen. Und wir müssen noch
mehr Innovationspotenzial entwickeln, nur dann ist Europa in der Konkurrenz zu Asien überlebensfähig“,
erklärte Hans Harrer, Vorstand Senat der Wirtschaft Österreich und Schirmherr der AeLC, zum Kongressauftakt.
Die Wirtschaft brauche mehr „Rule Breaker“, deren „Rule-Breaker-Gen“ Unternehmen mithilfe von eLearning stärken
könnten.
„Kompetenzlernen wird wichtiger“, beobachtet Horst Krieger, Leiter Neue Medien der Unternehmensberatungs GmbH „die
Berater" und neben Dr. Erwin Bratengeyer von der Donau-Universität Krems Programmleiter der AeLC. „Unternehmen
legen immer mehr Wert darauf, dass Mitarbeiter handeln können mit dem, was sie gelernt haben.“ Hinzu komme
der Trend zum Embedded Learning: „Lernen findet immer häufiger direkt am Arbeitsplatz statt.“
Sag niemals nie: Lernpartner Computer auf dem Vormarsch
Mit Prof. Dr. Werner Sauter, Wissenschaftlicher Leiter der Blended Solutions GmbH, war ein ausgewiesener Experte
für Kompetenzlernen als Keynote-Speaker vertreten. „Sag niemals nie“, sei ein wichtiges Gebot für Bildungsleute,
betonte der eLearning-Vorreiter. Wer glaube, Computer werden dieses oder jenes nie können, werde in der Praxis
leicht eines Besseren belehrt. „Innovationen kommen schneller als wir denken.“
Für Sauter geht die eLearning-Reise hin zum „Trialen Lernen“ – das Lernen im Arbeitsprozess mit menschlichen
Lernpartnern und dem Lernpartner Computer: „Computer können in fünf bis zehn Jahren Informationen lesen
und bewerten, Problemlösungen analysieren und eingegebenes Erfahrungswissen verarbeiten“, so der Experte.
Informelles Lernen und selbstorganisiertes Workplace Learning ersetze immer häufiger formelles Lernen. Bei
dieser Entwicklung werde Technik künftig nicht mehr der limitierende Faktor sein, sondern der Mensch. „Wir
müssen Menschen Zeit geben, um Lernroutinen zu verändern.“ Um selbstorganisiertes Lernen zu ermöglichen
und Lernprozesse am Arbeitsplatz zu unterstützen, gelte es für Betriebe, gegenseitiges Coaching der Mitarbeiter
zu fördern, so dass Menschen ihr Erfahrungswissen teilen und gemeinsam weiterentwickeln. „Um Kompetenzen zu
vermitteln, müssen wir reale Entscheidungssituationen mit Projekten schaffen“, so Sauter.
Neue Pädagogik vor Qualität vor Innovation
Neben der Kompetenzentwicklung als Lernziel seien neue Lernprozesse im Sinne von Open Learning zentral, betonte
Keynote-Speaker Prof. (KR) Christian M. Stracke von der Universtät Duisburg-Essen. Nicht die Vermittlung von
Inhalten, sondern die Möglichkeit, diese zu entdecken und zu erarbeiten, steht dabei für den international
aktiven eLearning-Experten im Vordergrund. Dafür seien Innovationen in der Aus- und Weiterbildung dringend
notwendig. Dies dürfe jedoch nicht auf Kosten der Qualität gehen. „Innovationen sind technologiegetrieben.
Aber Lernen verändert sich nicht vollständig, egal welche Technologie es gibt“, so Stracke. Deshalb dürfe
die Bildungsgeschichte nicht ignoriert werden. „Wir müssen auf einen Mix aus alt und neu setzen, sonst wird
die Qualität zurückgehen.“ Wichtig sei auch, was die Lerner wollten. „Sie müssen die Lernangebote
annehmen und wir müssen Lernprozesse entsprechend aufsetzen.“ Die dritte Säule seien Bildungsstandards,
die den Rahmen für das Lernen vorgeben.
„Qualität ist wichtig, aber eine neue Pädagogik ist noch wichtiger“, so Stracke weiter. Diese müsse
die veränderten Gegebenheiten im Internetzeitalter berücksichtigen. „Auf zu neuen pädagogischen
Ufern!“, lautete sein Aufruf in Wien. Personen wie Pestalozzi hätten bereits innovative Bildungsansätze
formuliert, auf die wir uns heute besinnen könnten. Als ein Projekt, das offene Lernszenarios mit Workplace
Learning kombiniere, erwähnte Stracke „Aristotele“, das von der Europäischen Kommission mit initiiert
wurde.
Es „MOOCt“: Was können Massive Open Online Courses leisten?
„MOOC ist zurzeit das Buzzword schlechthin. Ich bin aber erschrocken von der Qualität“, erklärte Stracke.
„Es geht darum, dass möglichst viele Teilnehmer zusammen kommen und einen gewissen Stoff online rezipieren“,
erläuterte Thea Payome, Herausgeberin und Chefredakteurin CHECK.point eLearning, den Begriff. Dadurch bilde
sich eine virtuelle Community, die im Austausch die ganze Begleitarbeit zu dem Lernstoff leiste. MOOCs seien zunächst
in den USA entstanden, würden nun aber auch in Deutschland massiv gefördert. „Unter dem Kosten-Aspekt
werden sich Wirtschaft und Universitäten mehr zusammentun“, sagte Payome voraus. Die Wirtschaft habe ein Interesse
daran, dass günstige Angebote zur Verfügung stünden, die sie nicht selbst finanzieren müsse.
MOOCs seien das Gegenstück zu der optimalen Proseminargröße von 20 Studenten im Präsenzraum.
„Dass es beides geben wird ist keine Frage, aber offen bleibt, wofür man was einsetzt.“
Einen Einsatzvorschlag machte Konstantinos Toubekis von papagei.com: „Ich kann mir vorstellen, dass die MOOCs für
das Thema Deutsch als Fremdsprache eine unglaubliche Relevanz entwickeln können.“ Bislang sei das Thema ein
Monopol der Goethe-Institute. Knapp 18 Millionen Menschen lernen weltweit deutsch. Schon heute bekomme papagei.com
– etwa aus China oder Kolumbien – Anfragen für entsprechende Angebote. Sein Unternehmen unterrichte mit der
Videomethode beispielsweise Frauen aus Südosteuropa, die über die IHKs nach Deutschland kommen, um hier
als Pflegekräfte zu arbeiten. Diese Frauen lernen so pflegerelevanten Content, gleichzeitig aber auch deutsch.
„MOOCs werden in diesem Anwendungsszenario an Bedeutung gewinnen.“
Mit Videos lernen – auch mit selbstgemachten
„Ohne Videos würde es MOOCs gar nicht geben“, hob Dr. Sandra Schön vom Salzburg NewMediaLab die Rolle
von Bewegtbildern im modernen eLearning hervor. Lernvideos seien auf Wachstumskurs und würden heute von Unternehmen
wie Hagebaumarkt, Wella, Credit Suisse oder Accenture eingesetzt. Wer Lernvideos extern machen lasse, bezahle dafür
500 bis 10.000 Euro. Deshalb gingen einige Unternehmen inzwischen dazu über, ihre Mitarbeiter Videos selbst
drehen zu lassen. Die Vorteile laut Schön: „Wenig Reibungsverluste durch lange Erklärungen, es geht schnell,
macht Spaß und ist günstig. Das lohnt sich auch bei kleinen Zugriffszahlen.“ Ein Beispiel sei Spar:
Das Unternehmen zeige in selbstgemachten Lernvideos einfache Handgriffe, z.B. Schnitttätigkeiten an der Wursttheke.
Dr. Sandra Schön stellte einige Tools vor, mit denen Betriebe und deren Mitarbeiter selbst produktiv werden
können: Explain everything sei ein einfaches Werkzeug, um interaktive Whiteboards zu erstellen. Mit Screencast
ließen sich auf dem Tablet PDFs oder Präsentationen mitschreiben, mitsprechen und aufnehmen. Trickfilme
könnten Beschäftigte mit iMotion erstellen: Dabei entstehen Videos mit Legetechnik oder die Mitarbeiter
zeichnen und nehmen ihre Arbeit am Bildschirm auf – ganz ohne Videokamera. Ein weiteres Tool sei PowToon, mit dem
Nutzer das gesamte Video im Web erstellen könnten. So einfach das alles gehe – die Qualität der selbstgemachten
Videos könne zum Problem werden. „Das passt nicht immer zur Corporate Identity“, so Schön.
Im Trend: Lern-Apps, 3-D und Tutoren im Lernprozess
„Wir müssen uns um die lernenden Personen kümmern und sie ihre Selbstlern- und Videokompetenz üben
und anwenden lassen“, forderte Dr. Daniel Stoller-Schai von der LerNetz AG – Netzwerk für interaktive Lernmedien
in der Schweiz. „Beim Thema Learning Management Systeme würde ich das L immer kleiner machen.“ Unternehmen
bräuchten Managementsysteme für die Mitarbeiter, die sie etwa durch Videoportale ergänzten. Plattformen
wie Second Life spielten heute zwar kaum noch eine Rolle, aber aus dem Bereich 3-D werde noch einiges kommen. Die
Schweizer Bank UBS etwa habe ein Pilotprojekt für ein Rollenspiel in der 3-D-Welt gestartet.
Weitere Trends skizzierte Jochen Biller von der Studiengemeinschaft Werner Kamprath Darmstadt GmbH anhand einer
aktuellen Studie aus seinem Hause. Demnach sind mobile Lern-Techniken auf dem Vormarsch: 83 Prozent der Befragten
finden das Thema wichtig. Lern-Apps halten 63 Prozent für bedeutsam. Dabei komme es auf sehr kleine Lerneinheiten
an. „Lerner bleiben im Durchschnitt nur drei Minuten dabei.“ Auch die Bedeutung von Tutoren im Lernprozess als
Ansprechpartner zum Lernstoff sei beachtlich: 93 Prozent finden diese Aufgabe wichtig, aber nur 39 Prozent wollen
dafür bezahlen. Überraschenderweise legen 90 Prozent der befragten Personalentwickler noch Wert darauf,
dass das Lernmaterial als PDF abrufbar ist. „Wir diskutieren in dieser Konferenz Themen, von denen viele Personalentwickler
noch weit entfernt sind“, so das Fazit von Biller.
Was E-Learning kosten darf
„Das Wissen für E-Learning ist teilweise in den Unternehmen noch nicht verankert und es gibt einen großen
Nachholbedarf an Backgroundwissen“, bestätigte Thomas Kalian von Berlitz. Den Betrieben komme es vorrangig
darauf an, dass die Lernangebote individuellen Ansprüchen der Lernenden genügten und der Return on Invest
gegeben sei. „Wir arbeiten vor allem für Großunternehmen, anscheinend ist der Veränderungsdruck
da größer“, meinte Prof. Dr. Sauter. Da bei Formen des hybriden Lernens mehr Verantwortung auf die Lerner
übertragen werde, die sich im Austausch gegenseitig unterstützen, seien diese innovativen Lernformen
aber gerade aus Kostengründen attraktiv.
„Wir erleben derzeit im Bildungssystem eine starke Kommerzialisierung“, konstatierte der eLearning-Spezialist Prof.
Dr. Johann Günther. Je höher die Produktionskosten ausfielen, desto größer müsse das
Publikum sein. In Folge dessen stünden die Produzenten unter einem großen Preisdruck. „Ich beobachte
ein engeres Zusammenrücken zwischen Industrie und Bildungseinrichtungen –das verbessert die Sache sicherlich“,
so Günther.
Gelungener Mix für Einsteiger und Spezialisten
Wie sich der Markt der Dienstleister für eLearning derzeit entwickelt, konnten die Teilnehmer der AeLC im
sogenannten Solutions-Café aus erster Hand erfahren. In Vorträgen der Sessions waren akademische Projekte
Thema – etwa von der Donau Universität Krems zu einem eLearning Qualitätssicherungstool, der Universität
Innsbruck zu einem Überblick über Vorlesungsaufzeichnungen und der Medizinischen Universität Graz
zu einem Leitfaden für Testfragenerstellung. Best-Practice-Beispiele standen in einem World-Cafe am ersten
Kongresstag im Vordergrund.
Ein Extra-Programmpunkt an Tag 2 war die Guided Surprise Tour: Neben der Präsentation ihrer aktuellen Lernangebote
bewirteten die eLearning-Aussteller der parallel laufenden Messe Professional Learning Austria die AeLC-Teilnehmer
mit köstlichen Häppchen, die von orangefarbenen Moodle-Muffins über herzhaftes Fingerfood bis hin
zum allseits beliebten Punschkrapfen reichten. „Es war ein breites Spektrum abgedeckt, sowohl für Einsteiger
als auch für Spezialisten“, resümierte Michael Chrobak, Manager eLearning der Raiffeisen International
Bank AG, zum Abschluss der Konferenz.
Über die Austrian eLearning Conference (AeLC)
Die Austrian eLearning Conference, kurz AeLC, ist die branchenübergreifende Informations- und Vernetzungsplattform
zum Thema eLearning in Österreich. Mit hochkarätigen Vorträgen, Best-Practice-Beispielen und Workshops
beleuchtet der Kongress jährlich aktuelle Trends und Entwicklungen parallel zu den Fachmessen Personal Austria
und Professional Learning in der Messe Wien. Die Anbindung an Österreichs Messe-Treffpunkt für das Personalmanagement
ermöglicht einen regen Austausch zwischen Experten, Personalverantwortlichen und Anbietern.
spring Messe Management veranstaltet Fachmessen für Personalmanagement, Professional Learning, Corporate
Health, Job and Career und den Public Sector. Langjährige Messe-Erfahrung, thematische Expertise und nachhaltige
Kundenorientierung machen die Veranstaltungen von spring zu etablierten Branchenplattformen. spring-Fachmessen
sind Seismographen für neue Produkte, Ideen und Managemententwicklungen. Das Tochterunternehmen der Deutschen
Messe AG ist in vier Ländern vertreten: Deutschland, Österreich, Ungarn und Russland.
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