Wien (universität) - Wer kennt nicht das Gefühl des Tätigkeitsrausches,
der völligen Vertiefung und des Aufgehens in einer Sache? Untersuchungen zu Flow, wie dieser Zustand höchster
Motivation genannt wird, wurden vor allem durch den Psychologen Mihály Csíkszentmihályi geprägt.
Zum Erleben von Flow bei MusikerInnen gibt es bislang jedoch nur wenig Forschung. Manuela Marin, Systematische
Musikwissenschafterin und Musikpsychologin an der Universität Wien, hat nun in Zusammenarbeit mit dem Gehirnforscher
Joydeep Bhattacharya, Goldsmiths, University of London, das Erleben von Flow bei KlavierstudentInnen untersucht.
Die Ergebnisse erscheinen demnächst in der Open-Access-Zeitschrift Frontiers in Psychology.
Veränderte Bewusstseinszustände, die während einer Tätigkeit auftreten, sind wissenschaftlich
schwer zu untersuchen. So auch das Erleben von Flow, einem Glückszustand, in dem man hochkonzentriert ist,
alles um sich herum vergisst und einer Tätigkeit aus innerem Antrieb nachgeht. Dieser Zustand des Einswerdens
mit einer Tätigkeit tritt vor allem dann auf, wenn eine Balance zwischen Fähigkeiten und Herausforderungen
herrscht. "Csíkszentmihályi hat diesen besonderen Zustand schon in den 1960er Jahren bei Malern
und Bildhauern beobachtet. Der Grund für die Motivation der Künstler lag primär in der Aktivität
an sich. Diese hatte sozusagen ihre Zielsetzung bei sich selbst und wurde als lohnend empfunden. Extrinsische Faktoren
wie Ruhm und Geld haben sie meist nicht angetrieben Kunst zu schaffen", erklärt Manuela Marin, die in
der Forschungsgruppe von Helmut Leder, Vorstand des Instituts für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden
der Universität Wien, vor allem zum ästhetischen Erleben und Verhalten forscht.
Der Musikerpersönlichkeit auf der Spur
Manche Menschen können schneller Flow erleben als andere und werden als autotelische Persönlichkeiten
bezeichnet. Erste Befunde der Persönlichkeitsforschung haben gezeigt, dass das Erleben von Flow bei Tätigkeiten
in der Freizeit und in der Arbeitswelt mit gewissen Persönlichkeitseigenschaften zusammenhängt. Zum Beispiel
sind autotelische Persönlichkeiten im Allgemeinen neugierig und am Leben interessiert, ausdauernd und weniger
ichbezogen. Im Musikbereich wurde bisher festgestellt, dass MusikerInnen mit wenig Lampenfieber mehr Flow erleben
also solche, die an großer Aufführungsangst leiden. Manuela Marin hatte die Idee, den möglichen
Zusammenhang zwischen Flow, Emotion und Persönlichkeit bei MusikerInnen zu untersuchen. "Musikalische
Kommunikation basiert stark auf den Ausdruck und der Rezeption von Emotionen, daher ist es für MusikerInnen
wichtig, effektiv mit Emotionen umgehen zu können. Hierbei könnte die emotionale Intelligenz eine Rolle
spielen. Es gibt zum Beispiel Hinweise darauf, dass MusikerInnen mit einer längeren musikalischen Ausbildung
eine höhere emotionale Intelligenz besitzen", so Manuela Marin.
Positiver Zusammenhang zwischen emotionaler Intelligenz und Flow
KlavierstudentInnen gaben bei einer Befragung an, dass die durch die Musik ausgedrückten und induzierten Emotionen
in der Tat eine Rolle beim Erleben von Flow spielen. Es konnte auch gezeigt werden, dass neben der täglichen
Übedauer die emotionale Intelligenz positiv mit Flow zusammenhängt. Anders ausgedrückt, je höher
die emotionale Intelligenz der MusikerInnen, desto mehr Flow wurde beim Klavierspielen erlebt. Dazu meint Marin:
"Diese Befunde sind wichtig, und nur wenn wir mehr über die Rolle von Persönlichkeit und individuellen
Unterschieden in Bezug auf das Erleben von Flow bei MusikerInnen erfahren, wird es möglich sein, experimentelle
Untersuchungen im Labor effizient durchzuführen. Dies gilt auch für Forschung von Flow außerhalb
des Musikbereichs. Deshalb interessieren uns allgemeine Persönlichkeitsmerkmale mehr als individuelle Unterschiede,
die spezifisch für eine Aktivität sind."
Mehr Flow, bessere Leistung?
Flow wird nicht nur mit empfundener Freude, sondern oft auch mit hoher Leistung in Beziehung gebracht. In der vorliegenden
Studie wurde daher auch untersucht, ob das Gewinnen eines Klavierwettbewerbes mit dem Auftreten von Flow im Zusammenhang
steht. "Unsere Daten sprechen nicht dafür, aber das kann mehrere Ursachen haben. Es stellt sich uns derzeit
vor allem die Frage, wie man Erfolg im Kunstbereich überhaupt misst. Unsere Studie hat sich nur ein mögliches
Maß unter vielen angesehen. Es wird daher zukünftig notwendig sein, andere Kriterien miteinzubeziehen
und Leistung differenzierter zu betrachten", erläutert Manuela Marin abschließend.
Publikation:
Marin, M. M., & Bhattacharya, J.: Getting into the musical zone: Trait
emotional intelligence and amount of practice predict flow in pianists. Frontiers in Psychology, 4 (853).
http://www.frontiersin.org/Journal/10.3389/fpsyg.2013.00853/abstract
|