Heinisch-Hosek: Anlässlich des Gedenkens an die Novemberpogrome
1938 einen Schwerpunkt auf die Schicksale von Frauen legen
Wien (bpd) - "Als Frauenministerin ist es mir ein besonderes Anliegen, anlässlich des Gedenkens
an die Novemberpogrome 1938 einen Schwerpunkt auf die Schicksale von Frauen zu legen. Darum ist es mir eine Ehre,
dass mit Elisabeth Orth eine große Schauspielerin für diese Lesung zur Verfügung steht", sagte
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek am Abend des 21.11. in ihrer Begrüßung bei der Veranstaltung
"Lesung mit Elisabeth Orth anlässlich 75 Jahre Novemberpogrom" in Wien. "Nach einer großartigen
Idee von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Ereignisse zum Gedenken an die Novemberpogrome zu bündeln,
ist ein umfangreiches, sehr würdevolles Programm entstanden. Diese Veranstaltung ist ein wesentlicher Teil
davon."
Anstelle eines Rückblicks auf die Geschehnisse der Novemberpogrome brachte Heinisch-Hosek das Schicksal einer
Frau näher. Käthe Leichter war promovierte Doktorin der Philosophie an der Universität Heidelberg.
Dieser Titel wurde ihr 1939 vom Nazi-Regime aberkannt, weil sie versucht hatte, sich gefälschte Ausweispapiere
zu beschaffen, um durch eine Flucht ins Ausland ihr Leben zu retten. Das Gericht verurteilte sie zu einer siebenmonatigen
Haftstrafe, aus der sie nicht mehr entlassen wurde. Nach ihrer Gefangenschaft im KZ Ravensbrück wurde Käthe
Leichter 1942 in Bernburg ermordet.
Käthe Leichters Sohn Franz schrieb an die Universität und erhielt folgende Antwort, aus der die Ministerin
rezitierte: "Wir erachten es für notwendig, aufgrund der uns zur Verfügung stehenden Akten den Fall
Ihrer Mutter, die verfolgt, gedemütigt, entehrt und durch das Nazi-Regime ihres Lebens beraubt wurde, genau
zu prüfen. […] Nach den damaligen 'gesetzlichen' Bestimmungen war mit jeglicher strafgerichtlichen Verurteilung
der automatische Verlust der Doktorwürde verbunden. In einem Schreiben vom 31. Oktober 1939 mit Übersendung
des Urteils wies das Landesgericht Wien die Universität Heidelberg hierauf hin. Wir können nur mit Entsetzen
und tiefempfundener Scham zur Kenntnis nehmen, dass der damalige Rektor der Universität Frau Dr. Leichter
– den 'gesetzlich' genannten Bestimmungen folgend – mit einem in die Haftanstalt gesandten Brief vom 7. Dezember
1939 aufforderte, sich künftig 'der Führung der Doktorwürde zu enthalten'. […] Die strafgerichtliche
Verurteilung und damit auch der daraus resultierende Verlust der Doktorwürde Ihrer Mutter ist auf der Grundlage
einer 'gesetzlichen' Regelung erfolgt, die im höchsten Maß menschenrechtswidrig und daher ungültig
ist. Ihre Mutter gilt aus der Sicht unserer Universität selbstverständlich als promovierte Wissenschaftlerin,
die den Heidelberger Doktortitel zu Recht führte und deren Namen mit dem Heidelberger Doktortitel verbunden
ist und verbunden bleibt." Die Entziehung der Doktorwürde von Käthe Leichter wurde annulliert.
"Der Rest des Briefes erfolgte in ähnlich würdevoller und wertschätzender Art und ist späte
Genugtuung für Käthe Leichters Sohn und auch für die Reputation dieser großartigen Frau",
so Heinisch-Hosek abschließend.
Elisabeth Orth, österreichische Schauspielerin, Kammerschauspielerin und Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters,
las unter anderem Texte von Rosa Jochmann und Selma Meerbaum-Eisinger. Für die musikalische Umrahmung sorgte
das Original Wiener Salonensemble.
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