Hohe Behandlungszahlen und demografischer Wandel stellen deutsches Gesundheitssystem vor Herausforderung
Paris/Berlin (oecd) - Die Deutschen sind im OECD-Vergleich relativ gesund, lassen sich aber häufiger
im Krankenhaus behandeln als die Menschen in anderen Industrieländern. Wie aus der jüngsten Ausgabe von
Health at a Glance der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht,
kommen hierzulande auf tausend Einwohner 244 Krankenhausbehandlungen – der OECD-Schnitt liegt bei 156.
Mit 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts lagen die deutschen Ausgaben für Gesundheit im Jahr 2011 zwei
Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt. Gleichzeitig stellt Deutschland ein deutlich größeres
Angebot an Infrastruktur zur Verfügung als andere OECD-Staaten. Dieses Angebot sorgt dafür, dass das
Gesundheitssystem für die Bevölkerung sehr gut zugänglich ist. So gibt es praktisch keine Wartezeiten
für (wahl)operative Eingriffe und Patienten können frei entscheiden, welchen Arzt sie aufsuchen. Auch
liegt das Land mit acht Krankenhausbetten pro tausend Einwohnern im Vergleich nur hinter Japan und Korea (OECD-Schnitt:
5) – und das, obwohl die Anzahl der Krankenhausbetten pro Einwohner seit dem Jahr 2000 um knapp zehn Prozent gesunken
ist. Deutlich über dem Durchschnitt der OECD-Länder rangiert Deutschland darüber hinaus beim medizinischen
Personal: Auf tausend Einwohner kommen 3,8 Ärzte und 11,4 Pflegekräfte, der Durchschnitt in der OECD
beträgt 3,2 Ärzte und 8,8 Pfleger.
Erfreulich ist der Trend für die Lebenserwartung bei der Geburt. Diese stieg in Deutschland zwischen 1990
und 2011 um fünfeinhalb Jahre auf 80,8 und liegt damit mehr als ein halbes Jahr über dem OECD-Durchschnitt.
Als größte Herausforderungen für die Stabilität und Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems
benennt der Bericht die hohe Zahl der Krankenhausbehandlungen und die mit der Bevölkerungsalterung verknüpfte
Belastung des Pflegesystems.
Krankenhausbehandlungen
Im Verhältnis zu seinen Einwohnern hat Deutschland die zweithöchste Zahl von Krankenhausbehandlungen
in der OECD. Nur in Österreich gibt es noch höhere Fallzahlen. Besonders häufig operiert werden
in Deutschland Herzkrankheiten. Bei Erweiterungen von verschlossenen Herzkranzgefäßen (koronare Angioplastie)
liegt das Land auf Platz eins, bei koronaren Bypass-Operationen auf Platz vier. Auch künstliche Hüftgelenke
werden nur in der Schweiz noch häufiger eingesetzt als in Deutschland, in puncto Kniegelenkersatz steht das
Land an dritter Stelle. Die Altersstruktur der Bevölkerung erklärt einen Teil dieser Behandlungen. Andere
Faktoren sind der technologische Fortschritt, neue klinische Verfahren sowie die Verfügbarkeit von Krankenhausbetten.
Innerhalb Deutschlands gibt es allerdings beträchtliche regionale Unterschiede in den Operationsraten, die
nicht allein auf die Demografie zurückzuführen sind. So liegt die Operationsrate bei koronaren Bypässen
in der Region mit den höchsten Raten des Landes acht Mal höher als in dem Gebiet mit dem niedrigsten
Wert. Beim Kniegelenkersatz unterscheiden sich die Operationsraten um den Faktor 3,5. Solche Unterschiede lassen
darauf schließen, dass die Effizienz der Behandlung regional noch gesteigert werden kann.
Langzeitpflege
Deutschland hat so viele Über-80-Jährige wie nur wenige andere OECD-Staaten. Der Bevölkerungsanteil
dieser Altersgruppe wird sich zwischen 2011 und 2050 verdreifachen und dann 15 Prozent betragen. Nur in Japan und
Spanien werden Mitte des Jahrhunderts prozentual noch mehr hochbetagte Menschen leben. Mit dem Pflege-Neuordnungsgesetz
hat Deutschland einen wichtigen Schritt getan, um die Situation von Demenzkranken und pflegenden Familienangehörigen
zu verbessern und Pflegemöglichkeiten zu Hause zu unterstützen. Allerdings wird der erhöhte Pflegebedarf
Anstrengungen bei der Ausbildung von Fachkräften erfordern und den weiteren Ausbau von stationären Einrichtungen
nötig machen.
Health at a Glance
zeigt auch, dass Gesundheitsprävention in Deutschland weiterhin Priorität haben sollte. So rauchen
in Deutschland zum Beispiel 22 Prozent der Erwachsenen täglich, das entspricht etwa dem OECD-Durchschnitt.
In Ländern mit geringem Raucheranteil wie Schweden, Australien oder den Vereinigten Staaten liegt die Quote
dagegen bei 15 Prozent oder weniger. Auch der überdurchschnittliche Alkoholkonsum stellt ein Risiko für
die Gesundheit dar. Mit 11,7 Litern reinem Alkohol pro Kopf und Jahr trinken die Deutschen ganze zwei Liter mehr
als der Durchschnitt der OECD-Bürger. In der gesamten OECD hat der Anteil an fettleibigen Personen im vergangenen
Jahrzehnt zugenommen, so auch in Deutschland. Hier stieg er von 11,5 Prozent im Jahr 1999 auf 14,7 Prozent im Jahr
2009.
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