Aktuelle Stunde im Nationalrat: Opposition fordert effizientere Maßnahmen im Bereich
Jugendbeschäftigung und Bildung
Wien (pk) - NSA und die Lage des Budgets stehen am 20.11. im Mittelpunkt der Sitzung des Nationalrats. Zur Abhöraffäre
des US-Geheimdienstes geben Verteidigungsminister Gerald Klug und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eine Erklärung
ab. Die Auseinandersetzung über den Staatshaushalt findet im Rahmen einer Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen
unter dem Titel "Desinformationspolitik über die budgetäre Lage Österreichs" ihre Fortsetzung.
Zudem haben die Grünen einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur "näheren Untersuchung
der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer Budgetlüge der Bundesregierung"
eingebracht.
Die Sitzung begann jedoch mit einer Aktuellen Stunde, die im Zeichen der besorgniserregend hohen Jugendarbeitslosigkeit
in Europa stand. Auf Vorschlag der SPÖ wurde unter dem Titel "Jugendbeschäftigung: Vorbild Österreich"
über diverse Konzepte diskutiert, die geeignet sind, junge Menschen wieder vermehrt in die Berufs- und Arbeitswelt
zu integrieren.
Oberhauser: Österreiches Modell wurde zur Bench-Mark in Europa
Die Erstrednerin der Sozialdemokratischen Fraktion, Sabine Oberhauser, sprach von einem Thema, das nicht nur für
Österreich, sondern für die ganze EU von großer Bedeutung sei. Aktuell gibt es in Europa mehr als
5,5 Millionen Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren, die keine Arbeit finden. Es könne nicht so einfach hingenommen
werden, dass sich so viele junge Menschen keine eigene Existenz mehr aufbauen können und zurück in ihre
Kinderzimmer ziehen müssen, sagte sie. Auch in Österreich seien Phänomene wie etwa "Generation
Praktikum" bekannt, räumte die Rednerin ein, dennoch man habe man es durch eine vernünftige Politik
der Sozialpartner geschafft, die Jugendarbeitslosigkeit relativ gering zu halten; mit 8,7 % ist sie die zweitniedrigste
in Europa. Das österreichische Modell, das u.a. auf einer sehr guten dualen Ausbildung basiert, wurde somit
zu einer Bench-Mark in Europa, war die stellvertretende Klubvorsitzende der SPÖ überzeugt. In den letzten
Jahren habe die Bundesregierung zudem eine Reihe von weiteren wichtigen Maßnahmen beschlossen, um der schwierigen
wirtschaftlichen Entwicklung entgegenzusteuern. Als Beispiele führte sie die Einführung der Ausbildungsgarantie
für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren, das Jugendcoaching oder die Aktion "Zukunft Jugend" an.
Diese erfolgreiche Strategie weiterzuverfolgen, also die Jugendlichen auf ihren Weg in die Zukunft bestmöglich
zu unterstützen, das werde auch die zentrale Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein, sagte sie.
Hundstorfer: Trotz guter Zahlen werde weiter massiv gegengesteuert
Auch wenn die Zwischenrufe der Oppositionsparteien noch so laut sind, die vorliegenden Fakten müsse man zur
Kenntnis nehmen, leitete Sozialminister Rudolf Hundstorfer seine Wortmeldung ein. Trotz einer schwierigen wirtschaftlichen
Situation weise Österreich die niedrigste Arbeitslosenrate in ganz Europa auf. Positiv sei vor allem, dass
es einen kontinuierlichen Rückgang im Bereich der 15- bis 19-Jährigen gibt. Eine Tatsache sei es auch,
dass das politische Programm einer Ausbildungsgarantie mittlerweile zu einem Exportartikel geworden ist. So habe
etwa vor kurzem der schwedische Reichstag beschlossen, das duale Berufsausbildungssystem nach österreichischem
Vorbild zu übernehmen. Auch mit Spanien, Griechenland und Portugal gebe es in dieser Frage intensivste Kontakte.
All dies sei das Ergebnis einer konsequenten Politik in den letzten fünf Jahren, war der Bundesminister überzeugt.
Dennoch dürfe man nie zufrieden sein und müsse weiter massiv gegensteuern, betonte Hundstorfer. Es sei
richtig, dass es noch Probleme beim Übergang von der Schule in den Beruf gibt und dass zu viele Jugendliche
ihre Lehrausbildungen nicht abschließen. Aus diesem Grund seien auch zusätzlich 500 Mio. € für
diverse Maßnahmen zur Verfügung gestellt worden, die vor allem den 15- bis 24-Jährigen zugute kommen
sollen. Ein Beispiel sei etwa das Projekt Ausbildungsfit, bei dem man sich Jugendlichen mit speziellen Problemen
annimmt und das ab 1. Jänner nächsten Jahres wirksam werden wird. Österreich sei durch all diese
Maßnahmen zu einem Ideengeber in Europa geworden und leiste somit einen wichtigen Beitrag zur EU-Gemeinschaft,
unterstrich der Sozialminister.
Das Image der Lehre verbessern
In der nachfolgenden Debatte hob Abgeordneter Wolfgang Katzian (S) das sehr gute duale Ausbildungssystem sowie
die effiziente Jugendarbeitsmarktpolitik hervor, die dazu beitragen, dass Österreich im europäischen
Vergleich so gut abschneidet. Im Besonderen ging er auf das Erfolgsmodell Lehre ein, das weiterhin einen zentralen
Stellenwert im Rahmen der Beschäftigung von jungen Menschen haben werde. Dennoch sollte man daran arbeiten,
dass das Image dieser Berufswahl verbessert und generell die Durchlässigkeit des Ausbildungssystems erhöht
wird, wünschte sich Katzian.
ÖVP-Mandatar Peter Haubner sprach von einem guten Gesamtsystem, das auf der dualen Ausbildung sowie dem gutem
und praxisnahen Berufs- und Fachhochschulsystem basiert. Diesen Weg gelte es fortzusetzen, meinte Haubner, wobei
vor allem die Unternehmen durch weitere Anreize noch besser unterstützt werden sollten. Dieser Meinung schloss
sich auch August Wöginger (V) an. Er ging insbesondere auf die erfolgreiche Aktion "Zukunft Jugend"
ein, die allen Arbeitslosen zwischen 15 und 24 Jahren garantiert, dass sie entweder einen Arbeitsplatz, eine zielgerichtete
Schulung oder eine geförderte Beschäftigung bekommen. Im Mittelpunkt stehe dabei, dass den Jugendlichen
Hoffnung und eine Perspektive gegeben wird, hob Wöginger hervor.
FPÖ: Tatsächliche Jugendarbeitslosigkeit ist höher als offizielle
Der Klubobmann der Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache, warf den Regierungsvertretern vor, wieder das sattsam
bekannte Lied zu singen, dass in Österreich alles besser sei als in anderen europäischen Ländern.
Angesichts der vielen jungen Menschen, die verzweifelt eine Arbeit suchen, stelle dies eine Verhöhnung dar,
kritisierte er. Die Tatsache, dass sich Jugendarbeitslosigkeit auf einem historischen Hoch befindet, sei für
ihn wahrlich kein Anlass zur Freude. Statt sich selbstzufrieden zurückzulehnen, sollten endlich effektive
Maßnahmen ergriffen werden, um den 76.250 jungen Menschen, die davon betroffen sind, wieder Zukunftsperspektiven
zu geben, forderte Strache. Stattdessen werde aber nur die Arbeitslosigkeit verwaltet und die Menschen in irgendwelchen
Schulungen geparkt. Ein weiteres massives Problem ortete Strache im Bildungssektor, zumal 28 % der Pflichtschulabgänger
nicht sinnerfassend lesen können. Wenn man sich zudem vor Augen halte, dass wahrscheinlich die bisherigen
Regierungsparteien in einer Neuauflage diesen Kurs fortsetzen und "weiterwurschteln" werden, dann sei
nichts Gutes zu erwarten.
In ihrer ersten Rede bezichtigte SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits den FPÖ-Klubobmann der Panikmache.
Es sei nicht richtig, dass über 72.000 junge Menschen arbeitslos sind, sagte sie; die korrekte Zahl betrage
42.000. Natürlich sei jeder Arbeitslose einer zu viel, betonte die Rednerin, weshalb die zahlreichen erfolgreichen
Maßnahmen, z.B. Ausbildungsgarantie, Jugendcoaching etc., die in der Vergangenheit begonnen wurden, fortgesetzt
werden müssen.
Bernhard Themessl (F) entgegnete seiner Vorrednerin, dass es sich bei den 42.000 nur um die offizielle Statistik
handle. Auch die Arbeiterkammer habe bestätigt, dass insgesamt 76.000 Jugendliche betroffen seien, da über
30.000 in diversen Stiftungen oder überbetrieblichen Lehrausbildungen "versteckt" seien. Außerdem
bestreite niemand, dass das duale Ausbildungssystem ein Vorzeigemodell in Europa ist. Die Politik in den letzten
Jahren habe aber dazu beigetragen, dass dieses System gefährdet ist. Als Beispiele führte der FPÖ-Mandatar
die Lockerung des Kündigungsschutzes oder die Abschaffung des Blum-Bonus an.
Grüne urgieren Bildungsreform
Wenn schon ein gemeinsamer Diskurs von Seiten der Regierungsparteien gefordert wird, dann frage sie sich, warum
von Seiten der SPÖ und ÖVP die Konstituierung von entsprechenden Fachausschüssen verhindert wird,
bemängelte Birgit Schatz von den Grünen. Ihre Partei stehe bereit für eine konstruktive Zusammenarbeit,
die Basis dafür sei aber eine gute Bildungsreform. Es sei nämlich ein Skandal, dass in einem Land wie
Österreich ein Viertel der PflichtschulabsolventInnenen nicht ordentlich lesen, schreiben und rechnen kann.
Außerdem wünschte sie sich Qualitätssicherungsmaßnahmen in den Betrieben, da viele Jugendliche
ihre Lehren abbrechen.
In seinem privaten Umfeld habe er die Erfahrung gemacht, dass sich sehr viele junge Menschen davor fürchten,
keinen Platz mehr in der Arbeitswelt zu finden, einen Kredit aufzunehmen oder eine Familie zu gründen, erklärte
Julian Schmied (G) in seiner Antrittsrede. Außerdem müssen diejenigen, die einen Job haben, oft unter
sehr prekären Bedingungen arbeiten, gab er zu bedenken. Er habe den Eindruck, dass dieses Stimmungsgefühl
in der Politik aber noch nicht angekommen ist. Handlungsbedarf sah Schmied vor allem im Bildungsbereich sowie hinsichtlich
der Förderung von Start-up-Unternehmen und der Erleichterung des Berufseinstiegs.
Team Stronach kritisiert EU-Bürokratie
Kathrin Nachbaur vom Team Stronach war der Auffassung, dass vor allem die zentralplanerische Bürokratie in
der EU und die Umsetzung des Euro maßgeblich zum Problem der hohen Jugendarbeitslosigkeit beigetragen haben.
Die Teilnahme von wirtschaftlich sehr unterschiedlichen Ländern am Projekt der gemeinsamen Währung raube
den reicheren Staaten ihr Vermögen und den schwachen Ländern ihre Wettbewerbsfähigkeit, war sie
überzeugt. Die Jugendarbeitslosigkeit sei nämlich gerade in jenen Ländern am höchsten, die
Nettoempfänger sind. Nachbaur trat ebenso wie ihr Kollege Leopold Steinbichler (T) zudem für unternehmerfreundlichere
Rahmenbedingungen, die Entlastung der Leistungsträger, die Senkung der Lohnnebenkosten sowie ein einfaches
und gerechtes Steuersystem ein, das Innovationen begünstigt. Steinbichler forderte überdies Maßnahmen
für den Agrarsektor, da immer mehr Bauern ihre Höfe aufgeben.
NEOS: Gelder werden falsch eingesetzt
Angelika Rosa Mlinar (N) erinnerte nochmals an die erschreckend hohe Raten im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit
in Europa, die teilweise über 55 % liegen. Damit verbunden seien neben den ökonomischen Effekten auch
weitreichende gesellschaftliche Auswirkungen, da junge Menschen mit dem unerträglichen Gefühl leben müssen,
sich nicht durch eigene Kraft konstruktiv in die Gesellschaft einbringen zu können. Während in Europa
nun 3,2 Billionen € für die Bankenrettung zur Verfügung gestellt würden, seien für die Bekämpfung
der Jugendarbeitslosigkeit aber nur 45 Mrd. € vorgesehen, gab Mlinar zu bedenken. Dies ist ihrer Ansicht nach nicht
nur zu wenig, die Gelder würden auch falsch eingesetzt. Statt die Menschen in Massenkursen zwischenzuparken
und staatlich geförderte Billigjobs auf Zeit zu schaffen, sollte etwa die Gründung von Unternehmen erleichtert
werden, forderte sie.
Ein weiterer Vertreter der NEOS, Gerald Loacker, gab zu bedenken, dass aufgrund der Probleme im Bildungsbereich
und der demographischen Entwicklung die Betriebe es in Zukunft schwerer haben werden, gut ausgebildete Fachkräfte
zu finden. Die Lehrlinge litten zudem nicht nur unter einem Imageproblem, sondern auch unter einer Ungleichbehandlung
in arbeitsrechtlicher Hinsicht, meinte Loacker und fügte hinzu, hier wären die Gewerkschaften gefordert.
Fortsetzung Nationalrat
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