Grundsatzdebatten vom Pflegeregress bis zur Parteienförderung
Wien (pk) – Entfall des Pflegeregresses, Wertanpassung bei der Familienbeihilfe, U-Ausschüsse als Minderheitsrecht,
Abschaffung des Amtsgeheimnisses sowie Begrenzung der Parteienförderung. So lauten die vorrangigen Forderungen,
mit denen die Opposition in die Anfangsphase der neuen Legislaturperiode gehen will. In einer Reihe von Ersten
Lesungen zu entsprechenden Gesetzesanträgen hatten die Abgeordneten bei der Nationalratssitzung am 20.11.
die Gelegenheit, ihre grundsätzlichen Standpunkte abzustecken, bevor die Anträge den sachlich zuständigen
Ausschüssen zugewiesen wurden.
FPÖ will Pflegeregress verbieten…
Die Freiheitlichen brachten zunächst den Pflegeregress in der Steiermark zur Sprache und verlangten ein
generelles Verbot der Rückforderung von Pflegekosten gegenüber Angehörigen pflegebedürftiger
Menschen. Norbert Hofer (F) wählte in seinem Antrag dazu den Weg über eine Verfassungsbestimmung im Konsumentenschutzgesetz.
Pflegebedürftige mit Kindern und Pflegebedürftige ohne Kinder würden nach steirischem Landesgesetz
ungleich behandelt, argumentierte seine Parteikollegin Dagmar Belakowitsch-Jenewein in der Debatte. Im Sinne der
Rechtssicherheit müsse daher eine bundesgesetzliche Regelung zur Pflege geschaffen werden. Die Abgeordneten
Ulrike Königsberger-Ludwig (S) und Marcus Franz (T) orteten das Hauptproblem ebenfalls in der Länderkompetenz
Pflege. Franz empfahl neben einer zentral gesteuerten Grundversorgung in Österreich auch noch, mehr auf private
Pflegeversicherungen zu setzen.
Jedoch stießen sich nicht alle Fraktionen an der föderalen Pflegegesetzgebung. Während Judith Schwentner
(G) von den Regierungsfraktionen forderte, bei Fragen der Pflege mehr Druck auf die Landeshauptmänner auszuüben,
hielten die NEOS dem Föderalismus die Stange. Es entspräche nicht dem Föderalismusgedanken, einem
Bundesland auf nationaler Eben mit einer Verfassungsbestimmung die Art der Pflegefinanzierung vorzuschreiben, so
Gerald Loacker. ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer unterstrich die Bedeutung einer präventiven Gesundheitsvorsorge,
um Pflegebedürftigkeit überhaupt zu verhindern.
…und Familienbeihilfe wertanpassen
Weiteres Anliegen der Freiheitlichen war eine jährliche, automatische Inflationsanpassung der Familienbeihilfe.
Antragstellerin Anneliese Kitzmüller beklagte, der reale Wertverlust der Familienbeihilfe betrage seit 2002
bereits 25 %, die Familien seien die "Sparmeister in Österreich". Damit stimmten auch Leopold Steinbichler
vom Team Stronach und Michael Pock von den NEOS überein, die angesichts steigender Lebenshaltungskosten unbedingt
eine Inflationsabgeltung bei der Familienbeihilfe einforderten. Pock plädierte außerdem für weitere
Investitionen in Einrichtungen zur Kinderbetreuung.
Am Modell der Absetzbeträge bei der Familienbeihilfe übten Angela Lueger (S) und Daniela Musiol (G) Kritik,
da nur BezieherInnen hoher Einkommen dies zur Reduktion ihrer Steuer nutzen könnten. Musiol pochte zudem auf
Umsetzung des Ministerratsbeschlusses vom Juni, in dem eine Erhöhung der Familienbeihilfe anvisiert wurde.
Neben der Valorisierung der Familienbeihilfe sei vor allem eine Reform des Auszahlungssystems nötig, meinte
ÖVP-Mandatarin Gabriele Tamandl. "Verwirrend" sei die bestehende Stufenregelung. Die Absetzbarkeit
von Beiträgen aufzugeben, konnte sie sich dagegen nicht vorstellen.
Grüne: Einsetzung eines U-Ausschusses muss Minderheitsrecht werden
Werner Kogler bekräftigte namens der Grünen einmal mehr die Forderung nach einem Minderheitsrecht auf
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und verwies dabei auf das Vorbild Deutschlands. Seinen Intentionen nach
sollten bereits 20 Abgeordnete oder alle Abgeordneten eines Klubs ausreichen, um einen U-Ausschuss einzurichten.
Auch die Anforderung von Akten und die Ladung von Auskunftspersonen sollten nicht mehr von einem Mehrheitsbeschluss
des U-Ausschusses abhängig sein. Keinesfalls dürfe es noch einmal vorkommen, dass ein Untersuchungsausschuss
von der Mehrheit "abgewürgt" wird, warnte er. Auf dem Spiel stand für Kogler in dieser Frage
vor allem auch das Vertrauen in die Demokratie, aber auch das internationale Ansehen Österreichs in Sachen
Transparenz.
Die Frage der Einsetzung sei bloß ein "Streit um des Kaisers Bart", erwiderte SPÖ-Mandatar
Otto Pendl und betonte ebenso wie Wolfgang Gerstl von der Volkspartei, primär gelte es, Regeln zu finden,
die ein faires Verfahren nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung garantieren. Beide Abgeordnete erinnerten
an die Erfahrungen aus den letzten Untersuchungsausschüssen und kritisierten Vorverurteilungen und Missachtung
von Zeugenrechten. Gerstl meinte zudem, das österreichische Parlament sei eines der minderheitenfreundlichsten
in Europa. Die Notwendigkeit von klaren Spielregeln für das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss unterstrichen
auch Walter Rosenkranz (F) und Georg Vetter (T). U-Ausschüsse dürfen kein Mehrheitsinstrument bleiben,
es müsse aber auch Vorsorge getroffen werden, dass das Parlament nicht durch eine Inflation von Untersuchungsausschüssen
lahmgelegt werde, mahnten sie. Zustimmung zum Antrag der Grünen kam von den NEOS. Nikolaus Scherak erwartete
sich vom Minderheitsrecht auf Einsetzung vor allem präventive Wirkung in Bezug auf Korruption sowie eine Stärkung
des Parlaments.
Grüne fordern "Aus" für Amtsgeheimnis
Die Aufhebung des Amtsgeheimnisses und die Schaffung eines Grundrechts auf Information sind die Kernpunkte einer
von Albert Steinhauser präsentierten Initiative der Grünen. Die BürgerInnen sollten einen umfassenden
Zugang zu Akten, Dokumenten und allen sonstigen Informationen öffentlicher Stellen haben, unabhängig
von der Art der Speicherung, forderte der Justizsprecher der Grünen und sah die Transparenz dabei vor allem
auch unter den Gesichtspunkten Korruptionsbekämpfung, Demokratie und moderne Verwaltung.
Ein Informationsfreiheitsgesetz sei ein Gebot der Stunde, pflichtete ihm Abgeordneter Peter Wittmann (S) bei, warnte
aber angesichts des Spannungsverhältnisses zwischen Transparenz und Datenschutz davor, "das Kind mit
dem Bade auszuschütten". Ähnlich sah dies auch Bernd Schönegger von der ÖVP, der von einer
sensiblen Materie sprach, im Antrag der Grünen aber einen praktikablen Weg sah, den Anforderungen der modernen
Informationsgesellschaft Rechnung zu tragen. Die Amtsverschwiegenheit in ihrer derzeitigen Form sei nicht mehr
haltbar, waren die Abgeordneten Harald Stefan (F) und Georg Vetter (T) überzeugt, die gleichfalls Wert darauf
legten, das Grundrecht des Datenschutzes zu gewährleisten. Wir wollen einen gläsernen Staat, aber keinen
gläsernen Menschen, betonte Stefan in diesem Zusammenhang. Für einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel
plädierte Beate Meinl-Reisinger von den NEOS. Die Bürger sollten nicht mehr Bittsteller sein, vielmehr
gehe es darum, den Staat zur Information gegenüber den Bürgern zu verpflichten, stand für sie fest.
NEOS für deutliche Kürzung der Parteienförderung
Österreich sei bei der Parteienförderung Europameister und Vizeweltmeister, stellte Abgeordneter Rainer
Hable (N) fest und sprach sich in seinem Antrag für eine deutliche Kürzung aus. Demnach sollte jede im
Nationalrat vertretene Partei künftig nur noch 2,50 € statt bisher 4,60 € pro Jahr für jede bei der Nationalratswahl
für sie abgegebene Stimme erhalten. Parallel dazu wollen die NEOS auch die Länder zu Förderungskürzungen
verpflichten und überdies die Möglichkeit streichen, Partei- und Klubabgaben steuerlich als Werbungskosten
geltend zu machen. Irritiert zeigte sich Hable auch über den Umstand, dass in den letzten Jahren zwar regelmäßig
die Parteienförderung, nicht aber die Familienbeihilfe erhöht wurde.
Abgeordneter Norbert Darabos (S) erteilte dem Antrag eine klare Absage. Das Modell der NEOS würde eine Abkehr
von der Parteiendemokratie und eine Entwicklung in Richtung einer "Big-Spender-Demokratie" bedeuten,
kritisierte er und warnte vor "amerikanischen Verhältnissen". Darabos bekannte sich vielmehr zu
einer transparenten, staatlichen Parteienförderung und meinte ebenso wie Reinhold Lopatka von der Volkspartei,
Österreich habe bereits eines der modernsten Parteiengesetze in Europa. Reformbedarf bestehe bestenfalls noch
hinsichtlich des Einbaus einer "Oligarchenklausel", die verhindert, "dass sich reiche, ältere
Herren, die sich vieles kaufen können, auch eine Partei kaufen können", fügte der ÖVP-Mandatar
an. In dieselbe Kerbe schlug Dieter Brosz (G) mit seiner Warnung, die politische Arbeit dürfe nicht von Großfinanciers
abhängig sein. Internationale Vergleiche ließ der Grün-Sprecher überdies nicht gelten, zumal,
wie er sagte, der Deutsche Bundestag beispielsweise "um Eckhäuser" besser ausgestattet sei als das
österreichische Parlament. Auch FPÖ-Abgeordneter Herbert Kickl dämpfte die Erwartungen der NEOS
und lehnte den Antrag als Ausdruck von "Plutokratie", bei der "die Reichen anschaffen", ab.
Georg Vetter hingegen wies für das Team Stronach diese Kritik scharf zurück und bekräftigte, wirtschaftlich
erfolgreiche Menschen müssten in Österreich auch das Recht haben, sich am demokratischen Wettbewerb zu
beteiligen.
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