Wien (rk) - Vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierung hat sich das Spektrum der in Wien gesprochenen Sprachen
erweitert. Die Ursache der unterschiedlichen Bewertung von Sprachen, mögliche historische Gründe und
die politische Dimension von Sprachen waren Inhalt des von der Initiative Minderheiten initiierten Symposium "Mehrsprachigkeit
in Wien historisch betrachtet". Im Rahmen der Pressekonferenz zeichneten ExpertInnen ein Bild der aktuellen
und historischen Situation in Wien.
Frauenberger: Eine gemeinsame Sprache sprechen, Mehrsprachigkeit fördern
Mit Blick auf den Jahresförderschwerpunkte "Mehrsprachigkeit" der Wiener Integrations- und Diversitätsabteilung
(MA17) bekräftigte Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger einmal mehr: "Eine gemeinsame Sprache
ist für Zusammenleben unumgänglich. Darüber hinaus werden in Wien aber 250 Sprachen gesprochen,
jede davon ist ein wichtiges Potential für die jeweilige Person und die Stadt insgesamt!" Erst gestern
seien, so die Stadträtin, zwei neue Projekte zur Förderung der Mehrsprachigkeit präsentiert worden.
"Initiativen wie unsere muttersprachlichen LesepatInnen oder die neue Wiener Sprachen App tragen zur Wertschätzung
von Mehrsprachigkeit bei", betont Frauenberger und verwies gleichzeitig auf eine neue Broschüre der MA17,
die neben den neuen auch alle weiteren Maßnahmen zur Förderung einer gemeinsamen Sprache und von Mehrsprachigkeit
beinhaltet.
Akkilic: Jede Sprache, inklusive der Gebärdensprache, eröffnet neue Möglichkeiten
Senol Akkilic, Integrationssprecher der Wiener Grünen, bekräftigt dies in dem er meint, dass Wien
seit der Habsburgermonarchie und bis in die Gegenwart eine mehrsprachige Stadt gewesen sei. "Sich mit dieser
Geschichte auseinandersetzen ist für die Zukunft unserer Kinder und für das gute Zusammenleben in Wien
von zentraler Bedeutung. Jede Sprache, inklusive der Gebärdensprache, eröffnet neue Möglichkeiten,
mit denen wir am Arbeitsmarkt, in der virtuellen Welt und im Sozialleben neue Impulse setzen und neue Visionen
entwickeln können. Deutsch und alle anderen Sprachen stehen nicht im Wettbewerb zueinander, sondern ergänzen
sich", so Akkilic.
Wakounig: Bilinguale Schulmodelle als Vorbild nutzen
Der Klagenfurter Bildungswissenschafter und Obmann der Initiative Minderheiten, Vladimir Wakounig, beleuchtet
kritisch den Stellenwert von Mehrsprachigkeit im Bildungssystem und bringt Beispiele aus deutschen Städten
- wie Hamburg. "In diesen Städten ist zweisprachige Erziehung von Kindern mit Migrationshintergrund längst
zu einer guten Praxis sprachlicher Bildung geworden. Diese bilingualen Schulmodelle, die wissenschaftlich begleitet
werden, werden keineswegs ethnisiert bzw. stigmatisiert, sondern sind im bildungspolitischen und wissenschaftlichen
Diskurs zu Schulen geworden, die für andere Städte Vorbildwirkungen haben können."
Teutsch: LehrerInnen auf Vielfalt der Schulrealität vorbereiten
"Die Wahrnehmung der Diversität und die Förderung der Potenziale der Mehrsprachigkeit spielen
in allen Reformprojekten im Bildungsbereich eine zentrale Rolle. So auch in der aktuellen Entwicklung der PädagogInnenbildung
NEU, die vorsieht, dass zukünftig alle Lehrerinnen und Lehrer sich mit den Themen "Inklusion" und
"Sprachliche Bildung" auseinandersetzen müssen, sodass sie auf die Vielfalt der Schulrealität
gut vorbereitet sind.", betont Rüdiger Teutsch, Leiter der Integrations-Abteilung des Bildungsministeriums.
Fischer/Wonisch: Historischen Kontext beachten
Während der Historiker Wladmir Fischer darauf eingeht, warum die historische Perspektive auch für
die Politik heute wichtig ist - denn, so Fischer "der symbolische Sprachgebrauch ist wichtig für die
politische Repräsentation und Mitbestimmung. Mit dem tatsächlichen Sprachgebrauch hat er jedoch nicht
unbedingt etwas zu tun", bringt die Leiterin des Forschungszentrums für historische Minderheiten, Regina
Wonisch, das Beispiel des tschechischen Schulstreit Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Komensky-Schulverein, der
sich um die Einführung tschechischer Schulen bemüht hat, ging davon aus "dass die Kinder",
so Wonisch, "leichter Deutsch lernen, wenn sie zunächst ihre Muttersprache beherrschten". Spätestens
seit dem 19. Jahrhundert sei Sprache nicht nur Kommunikationsmittel, sondern - mit der Entstehung von Nationalstaaten
und Nationalsprachen - etwas, worüber politische, soziale und kulturelle Differenzen verhandelt werden, so
die ExpertInnen
Das Symposium fand vom 27./28. November im Österreichischen Museum für Volkskunde statt und ist ein Projekt
der Initiative Minderheiten in Kooperation mit dem Forschungszentrum für historische Minderheiten, dem Arbeitskreis
Archiv der Migration, dem lernraum.wien - VHS Wien, der AK Wien, BUM MEDIA und dem Österreichischen Museum
für Volkskunde.
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