Forscher klären wichtigen Mechanismus für Fehlbildungen bei Chromosomen
Wien (öaw) - Bei Schwangerschaften in höherem Alter steigt die Häufigkeit fehlerhafter Chromosomenverteilungen.
Als Folge können Trisomien (zB „Down-Syndrom“) auftreten, die mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen
einhergehen. Forscher am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften (ÖAW) haben nun herausgefunden, welche Mechanismen in der Eizelle zur fehlerhaften Aufteilung
von Chromosomen führen können.
Die in der Eizelle zunächst doppelt vorliegenden Chromosomen werden bis zum Moment der Zellteilung von einem
molekularen Klebstoff namens „Cohesin“ zusammengehalten. Es handelt sich dabei um eine Ringstruktur aus Proteinen,
die mit zunehmendem Alter auseinanderfällt. Dies kann zu einer fehlerhaften Aufteilung der Chromosomen führen.
Diese Fehlbildungen führen häufig zur Entstehung von Down Syndrom (Trisomie 21), Edward Syndrom (Trisomie
18) oder Klinefelter Syndrom (XXY). Der IMBA Wissenschafterin Kikue Tachibana-Konwalski und ihrem Team ist es nun
gelungen, den Zusammenhang zwischen Cohesin und einem wesentlichen Kontrollpunkt im Prozess der Chromosomenverteilung
zu entschlüsseln.
Molekularer Klebstoff reguliert Kontrollpunkt
Bei der Zellteilung müssen sich zunächst alle Chromosomen an die mitotische Spindel zwischen beiden
Polen anheften. Man hat bereits herausgefunden, dass ein gewisser Kontrollpunkt (Spindle Assembly Checkpoint –
SAC) hierbei eine wichtige Rolle spielt. Wird dieser "Checkpoint" überwunden, werden Chromosomen
frühzeitig und damit möglicherweise fehlerhaft auf die Tochterzellen verteilt.
In ihren früheren Arbeiten hat Kikue Tachibana-Konwalski bereits herausgefunden, dass Cohesin eine wichtige
Rolle für den Zusammenhalt der Chromosomen vor der Befruchtung der Eizelle spielt. Aufbauend auf diese Erkenntnis,
konnte die Genetikerin nun zeigen, dass Cohesin für die Regulierung des Kontrollpunktes in der Eizelle benötigt
wird. Da aber mit zunehmendem Alter die Cohesinmenge in den Eizellen abnimmt, kann auch die Regulierung des Kontrollpunktes
nicht mehr zuverlässig erfolgen. Das Risiko von fehlerhaften Chromosomenverteilungen und Fehlgeburten könnte
sich dadurch drastisch erhöhen
Gezielte Spaltung
Um herauszufinden, welche Rolle Cohesin in der Eizelle noch spielen kann, wenden die Wissenschafterin und ihr
Team eine hochspezifische Schnitttechnik für Proteine an. Diese sogenannte „TEV Protease“, an deren Entwicklung
Kikue Tachibana-Konwalski maßgeblich mitgewirkt hat, ermöglicht es den Forschern, Cohesin in der Zelle
gezielt stillzulegen, während es anderswo seine Funktion weiterhin normal ausführen kann. Aber anstatt
den Kontrollpunkt durch die Deaktivierung von Cohesin anzuschalten und damit die Zellteilung zu stoppen, blieb
die erwartete Aktivierung aus, was zur Bildung zahlreicher fehlerhafter Eizellen führte.
Trisomie-Risiko steigt mit zunehmendem Alter
„Tritt die Trisomie bei Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren nur bei etwa drei Prozent aller klinisch
erkannten Schwangerschaften auf, sind es bei Frauen im Alter von 40 Jahren bereits 30 Prozent. Dieser Aspekt ist
vor allem wichtig, da Frauen heute immer später Mütter werden“, betont Kikue Tachibana-Konwalski die
Relevanz ihrer Arbeit. In Zukunft möchte sie die Chromosomenverteilung in Eizellen weiter erforschen und Methoden
entwickeln, wie man älteren Frauen zu gesunden Eizellen verhelfen kann.
Originalpublikation in „Current Biology“ : “Spindle Assembly Checkpoint of Oocytes Depends on a Kinetochore Structure
Determined by Cohesin in Meiosis I”
Kikue Tachibana-Konwalski
Kikue Tachibana-Konwalski wurde 1978 in Graz geboren. Die Forscherin mit österreichisch-japanischer Nationalität
studierte Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Genetik an der University of Cambridge und arbeitete nach der Promotion
fünf Jahre im Labor von Kim Nasmyth an der University of Oxford. Seit November 2011 ist sie Gruppenleiterin
am Institut für Molekulare Biotechnologie, wo unter anderem sie an altersbedingter Unfruchtbarkeit bei Frauen
forscht.
IMBA:
Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie ist ein international anerkanntes Forschungsinstitut
mit dem Ziel, molekulare Prozesse in Zellen und Organismen zu erforschen und Ursachen für die Entstehung humaner
Erkrankungen aufzuklären. Unabhängige wissenschaftliche Arbeitsgruppen arbeiten an biologischen Fragestellungen
aus den Bereichen Zellteilung, Zellbewegung, RNA-Interferenz und Epigenetik, ebenso wie an unmittelbaren medizinischen
Fragestellungen aus den Gebieten Onkologie, Stammzellforschung und Immunologie. Das IMBA ist eine 100% Tochtergesellschaft
der ÖAW. http://www.imba.oeaw.ac.at
ÖAW
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist die führende Trägerin außeruniversitärer
akademischer Forschung in Österreich. Die 28 Forschungseinrichtungen betreiben anwendungsoffene Grundlagenforschung
in gesellschaftlich relevanten Gebieten der Natur-, Lebens- und Technikwissenschaften sowie der Geistes-, Sozial-
und Kulturwissenschaften. http://www.oeaw.ac.at
|