EU-Kommission begrüßt Verhandlungsdurchbruch
Brüssel (ec) - Die Justizminister haben sich am 06.12. auf eine allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag
der Kommission für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung geeinigt, der
Bürgern und Unternehmen die Eintreibung von Schulden im Ausland erleichtern und Gläubigern in dieser
Hinsicht mehr Sicherheit geben soll. Gleichzeitig wird auf diese Weise auch das Vertrauen in den Handel im EU-Binnenmarkt
gestärkt. Der Vorschlag ist Teil der Kommissionsagenda „Justiz für Wachstum“, die darauf abstellt, das
Potenzial des gemeinsamen Rechtsraums der EU zugunsten von Handel und Wachstum zu nutzen.
„Der heutige Durchbruch bei den Verhandlungen zum Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung
ist ein Erfolg für die kleinen Unternehmen in Europa - die Stützen unserer Wirtschaft. Gerade in wirtschaftlichen
Krisenzeiten brauchen Unternehmen schnelle Lösungen, um Schulden eintreiben zu können. Sie brauchen eine
wirksame europaweite Regelung, damit das Geld gesichert ist, bis ein Gericht über die Rückzahlung entscheidet”,
so die Vizepräsidentin der Kommission und EU-Justizkommissarin Viviane Reding. „Ich zähle auf die Unterstützung
des Europäischen Parlaments und des Rates, damit dieser Vorschlag rasch angenommen wird.“
Aufgrund uneinbringlicher Forderungen gehen europäischen Unternehmen ca. 2,6 % ihres Jahresumsatzes verloren.
Die meisten dieser Unternehmen sind KMU. Bis zu 600 Millionen Euro an Forderungen werden jährlich unnötigerweise
abgeschrieben, weil sich die Unternehmen nicht auf kostspielige, undurchsichtige Rechtsstreitigkeiten in anderen
Ländern einlassen wollen. Der von der Kommission vorgeschlagene Europäische Beschluss zur vorläufigen
Kontenpfändung bietet eine Lösung für diese Probleme.
Der heute im Justizministerrat erzielte Kompromiss bestätigt die Hauptpunkte des Kommissionsvorschlags. So
wurden die Schlüsselelemente, zum Beispiel der „Überraschungseffekt“ (der Pfändungsbeschluss wird
erlassen, ohne dass der Schuldner davon weiß) sowie eine breite Definition grenzüberschreitender Fälle,
im Text des Rates beibehalten. In den folgenden Bereichen gibt es Abweichungen vom ursprünglichen Vorschlag:
Anwendungsbereich: Im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag gelten die Vorschriften im Ratstext nicht für Finanzinstrumente
(z. B. Aktien oder Schuldverschreibungen), Testamente oder ehelichen Güterstand. Das bedeutet, dass Gläubiger
den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung nicht zur Sperrung von Finanzinstrumenten
auf Bankkonten und auch nicht in Testaments- und Güterstandsstreitigkeiten verwenden können.
Verfügbarkeit und Bedingungen: Nach dem Ratstext gelten die Bestimmungen nur für Gläubiger, die
in einem Mitgliedstaat ansässig sind, der diese Bestimmungen anerkannt hat. Außerdem wird der Gläubiger
für die ungerechtfertigte Anwendung des Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung zur Verantwortung
gezogen.
Zugang zu Kontoinformationen: Der Gläubiger kann den mit den neuen Vorschriften eingesetzten Mechanismus nur
anwenden, wenn ein vollstreckbares Urteil gegen den Schuldner vorliegt.
Nächste Schritte: Der Vorschlag der Kommission muss, damit er in Kraft treten kann, vom Europäischen
Parlament wie auch von den EU-Mitgliedstaaten im Rat (der mit qualifizierter Mehrheit abstimmt) verabschiedet werden.
Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat den Vorschlag der Kommission in seiner Abstimmung am 30.
Mai dieses Jahres unterstützt. Der heutige Durchbruch im Rat bedeutet, dass die beiden Gesetzgeber nun mit
der Kommission in einen „Trilog“ eintreten können, um eine endgültige Einigung zu erzielen.
Hintergrund
99 % der Unternehmen in der EU sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Rund eine Million von ihnen haben Schwierigkeiten,
im Ausland Schulden einzutreiben. So werden Forderungen in Höhe von bis zu 600 Millionen Euro jährlich
abgeschrieben, weil es für die Unternehmen zu kostspielig oder schwierig ist, Rechtsstreitigkeiten in anderen
EU-Ländern auszufechten. Problematisch wird es auch für Bürger, wenn über das Internet erworbene
Waren nie eintreffen oder ein im Ausland lebender Elternteil keine Unterhaltszahlungen leistet.
Mit dem Verordnungsvorschlag der Kommission wird ein Europäischer Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung
eingeführt, der Gläubigern ermöglichen soll, den geschuldeten Betrag auf einem Schuldnerkonto sperren
zu lassen. Der Beschluss kann in Verfahren zur Eintreibung von Forderungen von maßgeblicher Bedeutung sein,
da er verhindert, dass Schuldner vor Erwirkung und Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache
Geld von ihrem Konto abheben oder ihr Vermögen beiseite schaffen können. Damit erhöhen sich die
Chancen auf eine erfolgreiche Eintreibung von Forderungen im Ausland.
Der neue Europäische Beschluss wird Gläubiger in die Lage versetzen, in allen EU-Mitgliedstaaten unter
denselben Bedingungen Bankguthaben vorläufig pfänden zu lassen. Wichtig ist dabei auch, dass die nationalen
Systeme zur vorläufigen Pfändung von Guthaben unverändert bestehen bleiben. Der Kommissionsvorschlag
sieht lediglich vor, dass parallel dazu ein europäisches Verfahren eingeführt wird, auf das Gläubiger
zurückgreifen können, um Forderungen in anderen EU-Ländern einzutreiben.
Der Europäische Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung wird Gläubigern als Alternative zu
den im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Instrumenten zur Verfügung stehen. Er wird auf die Sicherung von
Konten ausgerichtet sein, also lediglich die Sperrung von Schuldnerkonten bewirken, nicht aber die Auszahlung von
Geld an Gläubiger gestatten. Der Pfändungsbeschluss wird nur in Fällen mit grenzüberschreitendem
Bezug zur Anwendung gelangen und ohne vorherige Anhörung des Schuldners erlassen. Das heißt, er wird
erlassen, ohne dass der Schuldner davon weiß; somit bleibt der „Überraschungseffekt“ erhalten. Der Rechtsakt
enthält einheitliche Zuständigkeitsvorschriften und regelt folgende Aspekte: Bedingungen und Verfahren
für den Erlass des Beschlusses, Offenlegungsbeschluss in Bezug auf Bankkonten, Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses
durch nationale Gerichte und Behörden, Rechtsbehelfe des Schuldners und sonstige Elemente des Schuldnerschutzes.
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