Wien (wifo) - Das Pensionsantrittsalter steht im Mittelpunkt der Pensionsdiskussion. Für viele Versicherte
ist das Pensionsantrittsalter aber nicht gleichzeitig auch das Erwerbsaustrittsalter. Wie die Analyse der Pensionsneuzuerkennungen
2008/2010 in der Saisonbranche Bauwirtschaft zeigt, weisen Bauarbeiter mit vorzeitiger Alterspension die kürzeste
und jene mit regulärer Alterspension die längste Lücke zwischen der Beendigung der letzten Beschäftigung
und dem Pensionsantritt auf.
Die Ursachen sind nicht zuletzt in den spezifischen Arbeitsmarktbedingungen des Sektors zu finden: Der Beschäftigungsstand
schwankt wetterbedingt im Jahresverlauf stark, sodass viele Arbeitskräfte saisonabhängig temporär
gekündigt werden und Arbeitslosigkeitsepisoden aufweisen. Werden sie nicht vom selben Arbeitgeber wiederbeschäftigt,
müssen sie einen neuen Arbeitsplatz suchen. Diese spezifischen Arbeitsmarktbedingungen beeinflussen maßgeblich
die Art und den Zeitpunkt des Pensionsübertrittes in der Baubranche.
Die Pensionszugangskanäle der zuletzt im Bauwesen unselbständig beschäftigten Männer unterscheiden
sich vom gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt der Männer durch einen um 15 Prozentpunkte höheren Anteil
krankheitsbedingter Pensionierungen (Bauwirtschaft 56%, Gesamtwirtschaft 41%) und einen um 2 Prozentpunkte niedrigeren
Anteil regulärer Alterspensionen (Bauwirtschaft 5%, Gesamtwirtschaft 7%). Baubeschäftigte erreichen aufgrund
der hohen Saisonschwankungen weniger oft die für eine vorzeitige Alterspension notwendigen Versicherungszeiten
(45 Beitragsjahre); von den vorzeitigen Pensionsneuzuerkennungen der Männer erfolgen in der Baubranche 39%
vorzeitig, in der Gesamtwirtschaft sind es 52%. Der Pensionsübertritt der in der Bauwirtschaft beschäftigten
Frauen ähnelt hingegen den Übergangswegen der Frauen in der Gesamtwirtschaft. In der Gesamtwirtschaft
treten Frauen häufiger als Männer zum gesetzlichen Antrittsalter von 60 Jahren in den Ruhestand (Frauen:
42%, Männer: Antritt zum Regelpensionsalter von 65 Jahren 19%). 37% der neu zuerkannten Direktpensionen an
Frauen sind vorzeitige Alterspensionen (Männer 43%) und 22% krankheitsbedingte Pensionen (Männer 38%).
Rund zwei Drittel der Männer, die zuletzt in der Bauwirtschaft beschäftigt waren, treten unmittelbar
aus einer aktiven Beschäftigung in eine vorzeitige Alterspension über; im Bereich der krankheitsbedingten
Pensionen und auch der regulären Alterspensionen erreicht dieser Anteil nur ein Drittel. Die Lücke zwischen
Beschäftigungsbeendigung und Pensionsbeginn beträgt für rund ein Fünftel der krankheitsbedingten
Pensionierungen und für mehr als die Hälfte der regulären Alterspensionen zwei oder mehr Jahre (Übersicht
1).
Im Durchschnitt beenden Bauarbeiter, die in eine vorzeitige Alterspension übertreten, rund 1,4 Jahre vor der
Pensionierung die aktive Beschäftigung; dieser lange Übergang wird allerdings von überdurchschnittlich
großen Lücken weniger Personen verursacht. Ohne diese Ausreißer beenden Bauarbeiter 0,6 Jahre
vor der Pensionierung ihre aktive Beschäftigung. Der Vergleichswert für männliche Angestellte liegt
bei 0,5 Jahren. Für Männer, die krankheitsbedingt in den Ruhestand treten, beträgt die Zeitspanne
zwischen Erwerbsaustritt und Pensionszugang 1,5 Jahre (Arbeiter in der Bauwirtschaft), in der Gesamtwirtschaft
liegt diese Lücke bei 1,7 Jahren. Die Erwerbslücke der Bauarbeiter, die in die reguläre Alterspension
wechseln, beträgt dagegen 7,7 Jahre, jene der angestellten Männer 2,2 Jahre. Auch in der Gesamtwirtschaft
ist hier die Lücken mit 6 Jahren (Arbeiter) bzw. 2,9 Jahren (Angestellte) am höchsten (Übersicht
2).
In der Gesamtwirtschaft dauert die Erwerbslücke der Frauen vor dem Übertritt in eine krankheitsbedingte
Pension um rund 0,5 Jahre länger als die der Männer, vor dem Übertritt in eine vorzeitige Alterspension
sind die Lücken etwa gleich lang. Frauen, die zum Regelpensionsalter pensioniert werden, beenden im Durchschnitt
3,5 Jahre davor ihre letzte reguläre Beschäftigung.
Reformmaßnahmen, die ausschließlich auf die Anhebung des effektiven oder gesetzlichen Pensionsantrittsalters
abzielen, blenden diese große Erwerbslücke zwischen Beschäftigungsbeendigung und Pensionsantritt
aus. Vor allem im Bereich der krankheitsbedingten Pensionen, aber auch der Regelpensionen sind verstärkt Maßnahmen
zur Beschäftigungsförderung erforderlich, um diese Lücke zu schließen. Eine Anhebung des Erwerbsaustrittsalters
und des Pensionsantrittsalters bedeutet eine doppelte Dividende: höhere individuelle Pensionen durch eine
Verlängerung der Erwerbsphase und höhere Beitragseinnahmen der Pensionsversicherung durch eine höhere
Beschäftigungsquote der älteren Erwerbstätigen.
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