Bioinformatiker der Universität Jena entwickeln mit Forschern aus Norwegen umfassendes
Computermodell für den Stoffwechsel der Aminosäure Tryptophan
Jena (idw) - Gefüllte Lebkuchenherzen, Dominosteine, Schokoladennikoläuse – die süßen
Vorboten der Weihnachtszeit stapeln sich schon seit einigen Wochen in den Läden. Und dank der gerade beginnenden
Adventszeit kann das große Naschen nun auch endlich beginnen. Schon beim Gedanken daran, wie die süße
Leckerei auf der Zunge zergeht, werden vermutlich viele Naschkatzen von einem wohligen Glücksgefühl erfasst.
Und das kommt nicht von ungefähr, wie Prof. Dr. Stefan Schuster von der Friedrich-Schiller-Universität
Jena weiß. Der Bioinformatiker hat jetzt gemeinsam mit Forschern aus Norwegen ein Computermodell entwickelt,
mit dem sich simulieren lässt, was in unserem Körper abläuft, wenn wir die Aminosäure Tryptophan
zu uns nehmen, die in Schokolade enthalten ist. In der aktuellen Ausgabe des Journal of Biological Chemistry stellt
das Wissenschaftlerteam das bislang umfassendste Modell des komplexen Stoffwechsels von Tryptophan vor, die neben
anderen Substanzen bei der Wirkung von Schokolade eine Rolle spielt (DOI: 10.1074/jbc.M113.474908).
„Aus Tryptophan entsteht im Körper Serotonin“, erläutert Schuster. Serotonin wiederum ist ein Hormon
und Botenstoff im Gehirn, das ein Wohlgefühl auslöst. Da unser Körper selbst Tryptophan nicht herstellen
kann, müssen wir es mit der Nahrung aufnehmen, etwa aus Sojabohnen und Geflügel oder eben Kakao und Schokolade.
Doch nicht nur als „Zutat“ für Glücksmomente brauchen wir Tryptophan. Auch für das Schlafhormon
Melatonin ist die Aminosäure der entscheidende Baustein. „Abbauprodukte von Tryptophan spielen wiederum bei
einigen neurodegenerativen Erkrankungen sowie bei Alterungsprozessen eine Rolle“, macht Schuster die Vielfalt der
Wirkungen deutlich.
Der komplexe Tryptophan-Stoffwechsel war bislang biochemisch zwar weitgehend bekannt. „Allerdings lässt sich
erst anhand eines Computermodells das Zusammenspiel der Einzelreaktionen und Zwischenprodukte sowie ihrer Regulationsmechanismen
als Gesamtsystem erfassen“, verdeutlicht Prof. Dr. Ines Heiland, eine der Erstautorinnen der Studie. Die Wissenschaftlerin
von der Universität Tromsø war bis vor etwa einem Jahr am Lehrstuhl von Prof. Schuster in Jena tätig
und hat mit den Kollegen hier den systembiologischen Forschungsansatz erarbeitet.
Für ihr Modell des Tryptophan-Stoffwechsels im Menschen haben die Bioinformatiker sehr umfangreiche experimentelle
Daten zum Ablauf der weit verzweigten Stoffwechselwege und der dazugehörenden Transportvorgänge zusammengetragen.
Diese wurden anschließend in ein Gesamtmodell integriert, das es nun erstmals ermöglicht, detailliert
die Wirkungen von Tryptophan und seiner Stoffwechselprodukte in einzelnen Geweben oder Organen realitätsnah
zu simulieren.
Vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten sehen die Forscher vor allem in der medizinischen Diagnostik und
bei der Entwicklung neuer Therapien für neurodegenerative Erkrankungen, wie Parkinson oder Alzheimer. Das
Computermodell erlaube es nun nicht nur, den Krankheitsverlauf besser zu verstehen. „Wir können daran auch
testen, an welchen Stellen des Stoffwechsels regulierend eingegriffen werden kann und wie sich diese Veränderungen
auf den gesamten Metabolismus auswirken“, erläutert Prof. Heiland.
Original-Publikation: Stavrum A.-K. et
al.: Model of Tryptophan Metabolism, Readily Scalable Using Tissue-specific Gene Expression Data, The Journal of
Biological Chemistry, Vol. 288, Issue 48, 34555-34566, November 29, 2013 (DOI: 10.1074/jbc.M113.474908)
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