Charakteristische Mutation für Knochentumoren identifiziert Therapiemöglichkeiten
wesentlich von neuer Entdeckung betroffen
Graz (meduni) - Chondroblastome und Riesenzelltumoren gefährden durch ihr Wachstum die Stabilität
des Knochens bzw. können in seltenen Fällen sogar in die Lunge streuen. Bislang war wenig über die
Entstehung dieser Tumoren bekannt, was auch das Fehlen ursächlicher Behandlungsmöglichkeiten bedingt.
Einem internationalen Forscherteam rund um Prof. Adrienne Flanagan, mit Beteiligung der Medizinischen Universität
Graz ist es nun gelungen, charakteristische Mutationen für diese Knochentumoren zu identifizieren, was vor
allem auf die Therapie große Auswirkungen haben kann.
"Gutartige" Knochentumoren mit weitreichenden Folgen
Bei Chondroblastomen sowie Riesenzelltumoren des Knochens handelt es sich grundsätzlich um gutartige Knochentumoren,
welche durch ihr Wachstum jedoch weitreichende Folgen nach sich ziehen können. "Chondroblastome"
treten bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen im Alter von 10 bis 20 Jahren auf und schädigen das junge
Skelett sowie die Knochensubstanz durch ihr übermäßiges Wachstum", so Dr. Susanne Scheipl,
Univ.-Klinik für Orthopädie und orthopädische Chirurgie der Med Uni Graz, derzeit University College
London, Cancer Institute. Von Riesenzelltumoren sind vor allem junge Erwachsene im Alter von 20 bis 40 Jahren betroffen,
wobei diese Tumoren in seltenen Fällen in die Lunge streuen können. "Beide Tumoren treten selten
auf, und da ihre Entstehung bisher ungeklärt ist, gibt es auch keine ursächlichen Behandlungsmöglichkeiten",
so Susanne Scheipl weiter. Derzeit geschieht die Behandlung beider Tumoren invasiv durch chirurgische Ausräumung
und Auffüllung des entstandenen Defekts. Die Gefahr, dass die Tumoren nach der Operation wieder auftreten,
ist gegeben, wodurch PatientInnen oft einen langen Behandlungsweg durchlaufen müssen.
Gen-Sequenzierungsanalysen identifizieren Mutationen für Knochentumoren
Mittels Gen-Sequenzierungsanalysen ist es nun erstmals gelungen, bei beiden Tumoren charakteristische Erbgutveränderungen
zu identifizieren. Diese Mutation gestaltet sich derart, dass die Proteinstruktur im Zellkern von Chondroblastomen
und Riesenzelltumoren sich deutlich vom Erbgut anderer - meist bösartiger - Tumoren unterscheidet. "Besonders
spektakulär ist die Tatsache, dass diese Genmutation in beinahe 100% der untersuchten Tumoren festgestellt
werden konnte. Damit handelt es sich um eine hochspezifische Erbgutveränderung, welche in unklaren Fällen
die deutliche Abgrenzung zu anderen Tumoren erlaubt", erläutert Susanne Scheipl. Die klare Abgrenzung
ist insofern bedeutsam, da bösartige Tumoren eine chirurgisch radikalere Therapie nach sich ziehen.
Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass das veraenderte Gen in Riesenzelltumoren und Chondroblastomen ident
ist und sich nur die Position des mutierten Proteins unterscheidet. Diese Erkenntnis ist für Folgestudien
relevant, da die idente Mutation die knorpelige bzw. knöcherne Differenzierung auf unterschiedliche Weise
beeinflussen könnte. Der zugrunde liegende Mechanismus ist Gegenstand weiterer Studien. Zusätzlich konnte
ebenfalls geklärt werden, dass die Erbgutveränderung auf einen bestimmten Zelltyp innerhalb der Tumoren
beschränkt ist - die sogenannten Stromazellen - Zellen, die innerhalb des Tumors für das Wachstum zuständig
sind. "Wie die mutierten Zellen die Knochenfresszellen genau aktivieren, wird derzeit noch erforscht",
sagt Susanne Scheipl, welche auch der Chordom Forschungsgruppe an der Med Uni Graz angehört, die bereits seit
längerer Zeit eng mit Adrienne Flanagan kooperiert. Aus diesem internationalen Forschungsaustausch sind bereits
zahlreiche Publikationen entstanden.
Erstmals essentielle Verbesserung der Diagnostik von Tumoren möglich
Die aktuellen Forschungsergebnisse sind in weiterer Folge essentiell zur eindeutigen Diagnostik von Tumoren.
Bei anderen Tumoren sind derartige Genmutationen sehr selten und bisher nur bei kindlichen Hirntumoren erforscht.
"Die erforschte Veränderung im Genom der untersuchten Tumoren verändert tumorauslösende Gene
nicht aktiv, sondern beeinflusst die Art und Weise, wie diese Gene "markiert" und damit von Enzymen abgelesen
werden", erläutert Susanne Scheipl. Der nächste Schritt liegt daher eindeutig in der Entschlüsselung
jener körpereigenen Mechanismen, welche von diesen Änderungen in der Genmarkierung betroffen sind bzw.
beeinflusst werden.
"In Zukunft besteht somit eine reale Chance, therapeutisch gezielt ansetzen zu können, so dass PatientInnen
große Operationen erspart werden können bzw. wird es möglich sein, Eingriffe viel kleiner gestalten
zu können sowie das Wiederauftreten dieser Tumoren zu verhindern", blickt Susanne Scheipl zuversichtlich
in die Zukunft.
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