Wien (universität) - Ausdauerbelastungen sind ein ausgezeichnetes Modell zur Erforschung
von physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers. Oliver Neubauer, Post-Doc am Institut für Ernährungswissenschaften
der Universität Wien, hat gemeinsam mit australischen KooperationspartnerInnen Genreaktionen bei weißen
Blutkörperchen und in der Skelettmuskulatur nach Radfahren und Laufen untersucht. Die Ergebnisse, die ein
neues Licht auf die Wechselwirkung zwischen Immunsystem und Muskulatur werfen, sind in zwei Artikeln im "Journal
of Applied Physiology" erschienen.
Ausdauerbelastungen wie Triathlon-Wettkämpfe sind nicht nur faszinierende sportliche Herausforderungen, sie
eignen sich auch hervorragend zur Erforschung physiologischer Mechanismen. Im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds
(FWF) geförderten und mehrfach publizierten Projekts wurden 2006 gemeinsam mit Projektleiter Karl-Heinz Wagner,
Professor am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien, und dem Team vom "Emerging
Field Oxidative Stress and DNA Stability" der Universität Wien akute Stress- und Regenerationsreaktionen
im Blut von Ironman-Teilnehmern untersucht. "Besonders spannend fand ich Hinweise darauf, dass die belastungsbedingte
Schädigung der Skelettmuskulatur eine wesentliche Einflussgröße für die Mobilisierung der
Immunzellen in der Blutzirkulation darstellt, insbesondere bei den neutrophilen Leukozyten – die Teil des angeborenen
Immunsystems und die häufigste Untergruppe der weißen Blutzellen sind", so Oliver Neubauer, Post-Doc
im Team der Forschungsplattform "Active Ageing" der Universität Wien und viermaliger Finisher eines
Ironman-Triathlons.
Gene verraten Immunreaktionen und Trainingsanpassungen
Die Erforschung der molekularen Mechanismen, die hinter den wechselwirksamen Reaktionen der neutrophilen Leukozyten
und der Muskulatur nach einer Ausdauerbelastung stecken, war die Triebfeder für eine weitere Studie. Diese
Folgestudie nahm Oliver Neubauer mit WissenschafterInnen an der Griffith University und weiteren Forschungseinrichtungen
in Australien in Angriff. Dazu radelten und liefen acht junge, trainierte Probanden zwei Stunden lange am Radergometer
und am Laufband. Vier Mal wurden den Probanden Blutproben und Muskelbiopsien entnommen – einmal im Ruhezustand
vor, dann 3, 48 und 96 Stunden nach der Rad-Lauf-Kombination. Nach Abtrennung der neutrophilen Leukozyten aus dem
Blut wurden mittels Gen-Array-Technik in jeder der gewonnenen Neutrophilen- und Muskelproben 27.000 Gene auf deren
Aktivierungszustand überprüft.
Die systemisch-biologische Analyse der an- und ausgeschalteten Gene ergibt einerseits einen vertiefenden Einblick,
wie Neutrophile eine durch physiologische Belastung ausgelöste systemische Entzündungsreaktion regulieren.
Andererseits demonstrieren die Veränderungen der Genreaktionen im Muskelgewebe zu den drei Messzeitpunkten,
welche vielfältigen Mechanismen den trainings- und gesundheitsrelevanten Anpassungen in der Muskulatur zugrunde
liegen.
Immunzellen kommunizieren nach körperlicher Belastung mit der Skelettmuskulatur
"Die Erkenntnisse untermauern, dass auch eine moderate Muskelschädigung nach einer Ausdauerbelastung
zu nachhaltigen Interaktionen zwischen Immunzellen und Muskulatur führt", betont Oliver Neubauer, Erstautor
beider Publikationen. Zum Beispiel werden bestimmte Gene in den neutrophilen Leukozyten speziell durch – in die
Zirkulation übergetretene – Muskelproteine wie Myoglobin aktiviert. Die Studienresultate weisen auf einen
neuen Signalweg hin, über den Neutrophile zum raschen Wiederabschalten der systemischen Entzündung beitragen.
Während auf Organismus-Ebene Entwarnung gegeben wird, wandern Neutrophile gemeinsam mit Monozyten in die Muskulatur
ein. Die beobachteten Genreaktionen in den Muskelproben zeigen erstmals, dass bis 96 Stunden nach einer Ausdauerbelastung
Leukozyten in der Muskulatur aktiv sein können und die muskuläre Regeneration somit noch nicht abgeschlossen
ist. "Die Immunzellen kommunizieren mithilfe von Chemokinen – das sind kleine Signalproteine – mit dem Muskelgewebe
und sind entscheidend an Reparatur, Neubildung und Adaptation der Muskulatur beteiligt", so Neubauer.
Das Projekt wurde im Rahmen eines vom FWF geförderten Erwin-Schrödinger- Auslandsstipendiums durchgeführt.
Gemeinsam mit WissenschafterInnen von der Forschungsplattform "Active Ageing" der Universität Wien
hat es sich Oliver Neubauer nun zum Ziel gesetzt, in künftigen Forschungsprojekten herauszufinden, welche
Unterschiede es in der Regeneration der Skelettmuskulatur nach körperlicher Belastung zwischen jüngeren
und älteren Menschen gibt und welche Rolle die Immunzellen dabei spielen.
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