Sicherung von Kindeswohl und Kinderrechten als gesamtgesellschaftlicher Auftrag
Innsbruck (lk) - Am 20. Dezember tritt das neue Tiroler Kinder- und Jugendhilfegesetz (TKJHG) in Kraft und
löst damit das Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetz 2002 ab. „Mit dem neuen Tiroler Kinder- und Jugendhilfegesetz
haben wir ein modernes Gesetz, das – wie auch das Vorgängergesetz – das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellt“,
erläutert Soziallandesrätin Christine Baur. Das Wohl des Kindes habe bei allen Maßnahmen von öffentlichen
und privaten Einrichtungen stets Vorrang. Dies entspricht auch dem 2011 beschlossenen Bundesverfassungsgesetz über
die Rechte der Kinder. Die Sicherung des Kindeswohls sei in erster Linie Aufgabe der Familie, aber vor allem auch
eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, so Baur.
Liegt der Verdacht einer Gefährdung des Kindes oder Jugendlichen vor, so ist dieser Verdacht von den Fachkräften
der Kinder- und Jugendhilfe zu prüfen. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe sind
in einem sehr verantwortungsvollen und schwierigen Aufgabenfeld tätig. Doch auch die größte Sorgfalt
und das beste Gesetz können den Kinderschutz nicht zu 100 Prozent garantieren“, stellt LRin Baur klar. Damit
der Schutz von Kindern und Jugendlichen bestmöglich gesichert ist, sind im neuen Tiroler Kinder- und Jugendhilfegesetz
das bereits angewandte Vieraugen-Prinzip oder die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, aber auch ihrer Eltern
in der Hilfeplanung gesetzlich verankert.
Betroffene in die Hilfeplanung miteinbeziehen
Wenn Kinder und Jugendliche in die Hilfeplanung miteinbezogen werden, dann sind die behördlichen Unterstützungsleistungen
näher am Kind dran: „Entscheidungen werden nicht über den Kopf von Minderjährigen und deren Eltern
getroffen. Schon beim Erstgespräch mit der Kinder- und Jugendhilfe sitzen die Betroffenen am Tisch. Gemeinsam
wird versucht, eine Vorgangsweise zu vereinbaren, die für alle Beteiligten annehmbar ist“, präzisiert
Baur. Wer Hilfen der Kinder- und Jugendhilfe erhält oder erhalten hat, hat außerdem künftig das
Recht auf Akteneinsicht. „Datenschutz wird in der Kinder- und Jugendhilfe nach wie vor großgeschrieben. Gleichzeitig
wird aber großer Wert auf Transparenz gelegt“, erklärt Baur. Verlängert wurde deshalb auch die
Dauer der Aktenaufbewahrung.
Vieraugenprinzip
Erfährt die Kinder- und Jugendhilfe von einer möglichen Kindeswohlgefährdung, wird in einem
ersten Schritt die Gefährdung abgeklärt. „Wenn wir die Gefahrensituation einschätzen, dann tun wir
dies nach dem Vieraugenprinzip. Das heißt, dass nicht eine Fachkraft allein die Gefahr beurteilt, sondern
die Situation von mindestens zwei Kolleginnen und Kollegen bewertet wird“, erläutert Silvia Rass-Schell, Vorständin
der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe. Dieses Vieraugenprinzip ist nunmehr gesetzlich verankert.
Das Gesetz beinhaltet auch mehr Befugnisse für die Kinder- und Jugendanwaltschaft. Beispielsweise kann diese
auch ohne Einwilligung des Trägers direkt mit den Kindern und Jugendlichen in einer Einrichtung der Kinder-
und Jugendhilfe Kontakt aufnehmen.
Weiterführende Planung
Für LRin Christine Baur ist das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz ein Auftrag, ständig weiterzuarbeiten:
„Die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe steigen stetig. Darauf nehmen wir in der Ressourcenplanung laufend Rücksicht.“
Das betrifft auch den Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder und Jugendliche in Wohngemeinschaften. Können
familiäre Probleme durch Unterstützung der Erziehung nicht bewältigt werden, werden Minderjährige
in einer familienähnlichen Einrichtung, in einer Pflegefamilie, in einer sozialpädagogischen Einrichtung
oder im Rahmen des betreuten Wohnens untergebracht.
„Allein im letzten Jahr wurden tirolweit 27 neue Plätze inklusive einer Mutter-Kind-Einrichtung geschaffen“,
berichtet Baur. Weitere neun Plätze entstehen im nächsten Jahr. Speziell in Krisensituationen ist es
eine große Herausforderung, einen adäquaten Platz für das Kind oder den Jugendlichen zu finden.
Hier leisten im Raum Innsbruck die Einrichtungen CHill out und KIZ wertvolle Arbeit. Denn waren 2003 am Stichtag
31.12. noch 417 Kinder und Jugendliche in der so genannten Vollen Erziehung, so mussten 2012 am Stichtag 31.12.
schon 506 Minderjährige außerhalb ihrer Familie untergebracht werden. 2012 waren insgesamt 759 Minderjährige
in der Vollen Erziehung.
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