SPÖ und ÖVP stimmen Gesetz zu, Opposition vermisst Modernisierung im Bildungsbereich
Wien (pk) - Das neue LehrerInnendienstrecht ist am 17.12. im Nationalrat mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit
abgesegnet worden. Damit gilt das harmonisierte Dienst- und Besoldungsschema automatisch für all jene Lehrkräfte,
die ihre Arbeit ab dem Schuljahr 2019/20 beginnen; bis dahin ist die Dienstrechtsnovelle ab 2014/15 freiwillig
wählbar. Mitverhandelt und mehrheitlich abgelehnt wurde ein Vorstoß der Grünen für ein neues
PädagogInnendienstrecht inklusive Elementarpädagogik.
Kontrovers diskutierten die Abgeordneten das bereits im Verfassungsausschuss debattierte Jahresarbeitszeitmodell
an Schulen (siehe Parlamentskorrespondenz Nr.881). Eine jährlich zu bemessende Arbeitszeit an Schulen und
weitere Adaptierungen der Novelle beantragte heute die Opposition geschlossen. Die Initiative wurde von SPÖ
und ÖVP aber nicht mitgetragen und blieb damit in der Minderheit. Generell sieht das neue Dienstrecht für
alle vollbeschäftigten Lehrkräfte 24 Wochenstunden Unterrichts- bzw. Betreuungspflicht vor, wobei zwei
Stunden der SchülerInnen- und Elternberatung gewidmet sind.
Der Verfassungsausschuss gestand im Vorfeld LehrerInnen der Sekundarstufe 2 in Schularbeitsfächern zwei zusätzliche
Abschlagsstunden zu, wie sie die Regierungsvorlage bereits für Klassenvorstände, MentorInnen, BeratungslehrerInnen
und KustodInnen festlegt. Abstriche gibt es dafür bei der Fächerzulage. Die gesetzliche Möglichkeit,
LehrerInnen außerhalb ihrer Lehrbefähigung unterrichten zu lassen, entschärfte der Ausschuss. Nach
einem Semester bzw. einem Schuljahr fachfremden Unterrichts muss die betreffende Lehrperson zustimmen. "Das
vorliegende Lehrerdienstrecht ist ein Anschlag auf das Bildungssystem", warnte FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz,
die neue Stundenkontingentierung höhle den fachspezifischen Unterricht aus. Das Bildungskonzept seiner Fraktion
als Gegenkonzept zum LehrerInnendienstrecht fand jedoch keine ausreichende Mehrheit.
Zentral ist im novellierten Dienstrecht für Lehrkräfte aller Schulformen von Bund und Ländern das
abgeflachte Besoldungsschema mit € 2.420 brutto als Einstiegsgehalt und € 4.330 brutto am Ende der Karriere. Ein
Masterabschluss ist für sämtliche neuen LehrerInnen obligatorisch; bis 2029 können auch Bachelor-AbsolventInnen
unterrichten, wenn sie den Master innerhalb von fünf Jahren nachholen. Die mit der neuen PädagogInnenausbildung
beschlossenen höheren Ausbildungsanforderungen für alle LehrerInnen bedingten natürlich mehr Gehalt,
erläuterten Elmar Mayer (S) und Wolfgang Gerstl (V) einhellig. Außerdem komme der Qualitätszuwachs
in der LehrerInnenausbildung den SchülerInnen zugute, fügte SPÖ-Mandatar Peter Wittmann an. Anstelle
des Unterrichtspraktikums durchlaufen BerufseinsteigerInnen zukünftig eine einjährige "Induktionsphase"
in vollem Dienstverhältnis an den Schulen. Abänderungsanträge der NEOS bzw. von NEOS und FPÖ
zur Ausgestaltung der Induktionsphase wurden von der Plenumsmehrheit abgelehnt. Ein Entschließungsantrag
von NEOS, Team Stronach und Grünen auf mehr Schulautonomie fand ebenfalls keine Mehrheit im Plenum.
Opposition für schulische Autonomie und Jahresarbeitszeit
In einem Vier-Parteien-Abänderungsantrag fassten Grüne, NEOS, FPÖ und Team Stronach ihre Kritikpunkte
und Lösungsvorschläge zum LehrerInnendienstrecht zusammen. Knackpunkte sind demnach die vorgeschriebene
Wochenarbeitszeit von 24 Stunden und die fehlende Autonomie an Schulen. Um ein tatsächlich gleiches Bezahlungsschema
sicherzustellen, empfehlen die Oppositionsparteien ein Jahresnormmodell. Die Schulen könnten dann auf Grundlage
einer Jahresarbeitszeit autonom den flexiblen Einsatz der Lehrkräfte entscheiden. "Wir müssen die
Schulen aus dem Untertanensystem zu mehr Autonomie bringen", plädierte Grünen-Bildungssprecher Harald
Walser. Nur so könne auf die Bedürfnisse der einzelnen Standorte eingegangen werden. Pädagogische,
personelle und finanzielle Autonomie von Schulen in einem bundesweit festgelegten Rahmen sei nötig, konkretisierte
NEOS-Klubobmann Matthias Strolz die Forderung nach mehr schulischer Selbstbestimmung. "Die Schule braucht
mehr Autonomie, aber zum jetzigen Zeitpunkt würde das eine Überforderung darstellen", meinte Elmar
Mayer (S) dazu.
Zur arbeitszeitlichen Entlastung von Lehrpersonen müsse es laut Oppositionsantrag mehr Supportpersonal für
Tätigkeiten außerhalb des Unterrichts geben. Das vorgeschlagene Zulagensystem für LehrerInnen in
den Sekundarstufen 1 und 2 "diskriminiere" PädagogInnen in Volks- und Sonderschulen, heißt
es weiter im Antrag. Gefordert wird daher, Vor- und Nachbereitungszeiten für den Unterricht in die Arbeitszeit
von LehrerInnen einzurechnen. Die Kritik der Grünen an der neuen Arbeitszeitregelung manifestierte sich auch
im zum LehrerInnendienstrecht mitverhandelten Antrag der Fraktion auf ein neues PädagogInnendienstrecht. Neben
dem Jahresarbeitsmodell für LehrerInnen wird darin zudem die Einbeziehung der ElementarpädagogInnen in
das neue Dienstrecht samt tertiärer Ausbildung gefordert.
Die Regelung, JunglehrerInnen in einer von MentorInnen begleiteten Induktionsphase mit dem Lehrberuf vertraut zu
machen, erhitzte ebenfalls die Gemüter. NEOS-Klubobmann Matthias Strolz und FPÖ-Bildungssprecher Walter
Rosenkranz setzten sich mit einem Abänderungsantrag dafür ein, jeder Junglehrerin bzw. jedem Junglehrer
zumindest eine exklusive Wochenstunde Mentoring während der Induktionsphase zu ermöglichen. Die gesetzliche
Regelung, der zufolge jeweils drei Mentees Coachinggespräche mit der Betreuungsperson zu führen hätten,
sei wohl kaum zielführend, bemängelte Strolz. Er drängte zudem mit einem weiteren Antrag auf eine
um 20 Prozent reduzierte Lehrverpflichtung während der Induktionsphase. Nur so sei ausreichend Zeit für
Planung und Gestaltung des Unterrichts zu gewährleisten, vor allem, wenn JunglehrerInnen noch berufsbegleitend
ein Masterstudium zu absolvieren hätten. Mayer verwies im Gegenzug auf den durch Studien belegten Vorteil
einer praxisorientierten akademischen Ausbildung und sagte, immerhin gebe es derzeit trotz aller Unkenrufe zum
neuen Dienstrecht einen wahren Ansturm auf Lehramtsstudien.
Walter Rosenkranz (F) hielt schließlich in einem eigenen Entschließungsantrag die Eckpunkte für
ein "modernes FPÖ-Bildungskonzept" fest und bezog sich dabei unter anderem auf den Ausbau ganztägiger
Schulangebote, die intensive Begabtenförderung, die Reform der Zentralmatura und den Erhalt der Sonderschulen
mit vermehrter Inklusion. Außerdem legen die Freiheitlichen in dem Antrag ein Bekenntnis zum differenzierten
Schulsystem mit AHS ab. Der freiheitliche Antrag auf Rückverweisung des Entwurfs zum LehrerInnendienstrecht
an den Verfassungsausschuss zur näheren Behandlung erhielt keine Mehrheit. Georg Vetter vom Team Stronach
konstatierte dazu, eigentlich hätte der Beschluss darüber am Ende des Schulentwicklungsprozesses stehen
sollen, der jetzige Zeitpunkt sei zu früh. Für FPÖ-Abgeordneten Gernot Darman wird mit der Novelle
der "rot-schwarze Machterhalt fixiert".
Heinisch-Hosek: Reformprojekt LehrerInnendienstrecht
Den Vorwurf der Grünen-Mandatarin Gabriela Moser, das neue LehrerInnendienstrecht sei im Grunde ein "Sparprogramm",
ließ die neue Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek nicht gelten. "Das neue Dienstrecht für
die größte Berufsgruppe im öffentlichen Dienst ist ein Reformprojekt", betonte sie. Die Lehrkräfte
würden dadurch entlastet, da sie weniger ungewollte Überstunden auf Grund zu gering bemessener Arbeitszeiten
absolvieren müssten. Zurückkommend auf die Forderung der Opposition nach mehr Autonomie von Schulen versicherte
sie, das novellierte Dienst-und Besoldungsschema ebne den Weg dorthin. Bedauerlich sei nur, dass dafür keine
sozialpartnerschaftliche Einigung mit der Lehrergewerkschaft zu finden war.
Ihr Regierungskollege Bundesminister Josef Ostermayer verwies in diesem Zusammenhang auf die bereits 13 Jahre lang
andauernde Debatte zum modernen Dienstrecht für Lehrkräfte, nunmehr sei endlich eine Entscheidung zu
treffen, appellierte er an das Plenum. Für die Koalitionsparteien sprachen Michaela Steinacker (V) und Erwin
Preiner (S) ihr Lob für den Entwurf aus, der nicht zuletzt als Absicherung eines guten Bildungssystems die
Grundlage für den österreichischen Wirtschaftsstandort bilde. Michael Hammer (V) erinnerte an die Entschließungen,
mit denen der Verfassungsausschuss für weitere Verbesserungen an Schulen wie mehr Supportpersonal eingetreten
ist.
In zweiter Lesung wurde das LehrerInnendienstrecht Neu in getrennter Abstimmung mehrheitlich angenommen. Bei der
namentlichen Abstimmung darüber in dritter Lesung stimmten 93 von 169 MandatarInnen dafür. Mehrheitlich
angenommen wurde die Entschließung des Verfassungsausschusses zum Schwerpunkt innere Schulreform. Einhellig
stimmte der Nationalrat für die Ausschussentschließungen zu besseren Arbeitsplätzen für Lehrkräfte,
zur Entlastung von LehrerInnen von Verwaltungsaufgaben und zum Ausbau des Unterstützungssystems an Schulen.
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