SPÖ feiert auf historischem Boden ihr Partei-Jubiläum – Solidarisches Miteinander,
soziale Gerechtigkeit und Frieden auch heute von größter Aktualität
Hainfeld (sk) - Die österreichische Sozialdemokratie feierte am 11.01. in Hainfeld ihr 125-jähriges
Jubiläum. Zum Jahreswechsel 1888/89 fand in Hainfeld der Einigungsparteitag statt. Auf diesem historischen
Boden fand man sich ein, um die 125-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialdemokratie zu feiern und auch um einen
Ausblick in die Zukunft zu wagen. Nach einleitenden Worten von Niederösterreichs SPÖ-Vorsitzenden Matthias
Stadler sprach S&D-Vorsitzender Hannes Swoboda über die Bedeutung sozialdemokratischer Politik in Europa:
"Wir kämpfen für Europa, aber für ein anderes, ein soziales Europa."
Der niederösterreichische SPÖ-Vorsitzende Matthias Stadler begrüßte die Anwesenden "im
Bethlehem der Sozialdemokratie", wie Karl Renner Hainfeld genannt hatte. Stadler betonte, dass hier der Grundstein
für eine Gesinnung gelegt wurde, "die nicht nur für das 19. und das 20. Jahrhundert, sondern auch
für die Zukunft Bedeutung haben wird". Stadler fuhr fort: "Das solidarische Miteinander, der Gedanke
der Gerechtigkeit und des Friedens sind Grundsteine, die hier gelegt wurden", und betonte: "Ich sehe
uns noch lange nicht am Ende des Weges."
Swoboda erklärte, dass die wesentlichen Werte, die den Einigungsparteitag geprägt haben, "auch heute
nicht an Aktualität verloren haben: Die soziale Frage zu lösen ohne Unterschied von Nation, Rasse und
Geschlecht". Daher machte Swoboda in Hinblick auf Europa klar: "Wir dürfen den Kampf gegen die Armut
nicht aufgeben." Auch müsse weiterhin um ein gerechteres Steuersystem gekämpft werden. Swoboda sprach
in dem Zusammenhang auch von Steuerhinterziehungen von 1.000 Mrd. Euro pro Jahr, das sei nicht hinzunehmen.
Der gemeinsame gewerkschaftliche Kampf sei zu fördern: "Ich würde mir auf europäischer Ebene
so starke Gewerkschaften wünschen, wie wir sie in Österreich haben. Das ist eines unserer Ziele, die
wir erreichen wollen." Swoboda wies weiters darauf hin, dass sowohl im Bereich der Gesundheitssysteme als
auch im Bereich der Bildung die öffentliche Hand eine größere Rolle in Europa spielen sollte. Auch
in Sachen Gleichbehandlung gebe es noch einiges zu tun, obwohl die österreichischen SozialdemokratInnen hier
schon viel erreicht haben.
Eine Absage müsse dem Nationalismus erteilt werden. "Der Nationalismus führt in die Irre",
betonte Swoboda die Rolle des Nationalismus bei den beiden Weltkriegen. "Der Nationalismus führt zum
Krieg - und wenn es ein Wirtschaftskrieg ist." Swoboda betonte, dass der österreichische Arbeitsmarkt
europaweit sehr gut dastehe, was bis heute unmittelbar mit sozialdemokratischer Politik im Zusammenhang stehe.
Swoboda hob besonders auch den "aktiven Einsatz von Bundeskanzler Werner Faymann für die Jugendbeschäftigung"
hervor. "Es macht mich als Österreicher stolz, dass in den letzten Jahren immer wieder von internationaler
Seite darauf hingewiesen wird, dass dieses Land einen aktiven und so erfolgreichen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit
führt."
"Unsere Politik hat es geschafft, den Menschen Arbeit zu geben und das werden wir auch nicht aufgeben, weder
auf nationaler, noch auf europäischer Ebene." Swoboda schlussfolgerte: "Jenen, die behaupten, das
sozialdemokratische Jahrhundert sei vorbei, sei gesagt: Das ist grundfalsch, das sozialdemokratische Jahrhundert
hat noch gar nicht erst begonnen."
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek betonte in der anschließenden Talk-Runde, dass die Geschichte der
Sozialdemokratie immer auch eine Geschichte der Frauenbewegung gewesen sei. "Meine Vision ist eine ganz klare,
nicht nur eine über die egalitäre Gesellschaft der Geschlechter in allen Bereichen, sondern auch die
der Migranten, Minderheiten, Benachteiligter." Das sei auch das Motiv Heinisch-Hoseks, die Bildungsreform
vorantreiben zu wollen. In der gleichen Diskussionsrunde betonte Nationalratsabgeordnete und JG-Vorsitzende Katharina
Kucharowits, dass viele junge Menschen durchaus an Politik interessiert sind. Es gebe für die Sozialdemokratie
auch wichtige Ansätze, Politik für Junge zu machen, etwa im Bereich Wohnen oder im Bereich Arbeitsmarkt,
Stichwort Generation Praktikum. ÖGB-Präsident Erich Foglar erklärte, dass die Ziele um die damals
gekämpft wurde, auch heute noch die gleichen sind: Der Kampf um Freiheit, um Mitbestimmung und Demokratie,
um Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit. Geändert hätten sich die Rahmenbedingungen.
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Liessmann: "Für eine Wiedergewinnung des Politischen"
Konrad Paul Liessmann, Universitätsprofessor der Universität Wien, hielt eine Rede vor den rund 500
Anwesenden in Hainfeld, der Geburtsstätte der SPÖ. Er sprach über die Errungenschaften der Partei,
die Zukunft der Sozialdemokratie, die Folgen des globalisierten Kapitalismus und die daraus resultierenden Ungleichheiten
in der Gesellschaft sowie über zukunftspolitische Perspektiven, die Idee der Europäischen Union und das
Verhältnis zwischen Staat und Demokratie: "Was meines Erachtens Not tut, ist ein neues Konzept von Demokratie,
ohne den Parlamentarismus zu schwächen. Wir brauchen ein europäisches Staatskonzept, das mehr ist als
eine Krisenbewältigungsagentur für Banken, die in Not geraten sind. Was Not tut, ist eine Wiedergewinnung
des Politischen".
"Der globalisierte Kapitalismus produziert wunderbaren Reichtum für wenige, aber auch Verarmung, Verslumung
und Verschmutzung", mit diesen Worten leitete Liessmann seine Rede ein und sprach dabei die ungerechte Verteilung
des Reichtums weltweit an, aber: "Mit seinen Möglichkeiten war das 20. Jahrhundert sozial und demokratisch.
Wir haben alle Vorstellungen in uns aufgenommen und zur Selbstverständlichkeit werden lassen, die das Thema
des sozialdemokratischen Jahrhunderts definieren: Wachstum, Gleichheit, Arbeit, Vernunft, Staat und Internationalismus",
zitierte Liessmann den Soziologen Ralf Dahrendorf.
"Die Diskussionen aber stellen sich heute, nach der Krise, ganz anders dar, als damals, als man geglaubt hatte,
der Staat habe seine Schuldigkeit getan und kann zu einer kleinen, schlanken Dienstleistungsagentur seiner Bürger
werden. Denn heute wissen wir: Ohne Staat geht fast gar nichts. Wie sich Staat und Demokratie zueinander verhalten,
ist eine der brennenden Fragen unserer Zeit", betonte Liessmann.
"Demokratie gibt es schon seit 2500 Jahren, aber in unterschiedlicher Gestalt. Von einer res publica, der
wir immer noch die Grundidee der Demokratie verdanken, bis zum neuen Parlamentarismus, wo Politik eine öffentliche,
gemeinsame Angelegenheit ist", so Liessmann, aber :"Wir beobachten nicht nur eine Erosion und Schwächung
klassischer Institutionen, sondern überhaupt die zunehmende Verdrängung des Politischen durch die Interessen
der Ökonomie. Mit der allgemeinen Mobilität geht ein radikaler Wandel der politischen Öffentlichkeit
einher. Diese war geprägt von der Grundstruktur des 19. Jahrhunderts und knüpfte an klassische Sozialschichten
an. Der Politologe Franz Walter sagt dazu: Struktur und Selbstverständnis traditioneller Parteien haben sich
grundlegend gewandelt."
"Die Sozialdemokratie ist in einem Milieu verankert, das sie grundlegend gestaltet hat", sagte Liessmann
und verwies auf die Einrichtungen der Sozialdemokratie: Arbeiterbildungsstätten, Volkshochschulen sowie einer
Arbeiterzeitung. "All das sollte ein Lebensgefühl ermöglichen, das den einzelnen Mitgliedern und
Anhängern dieser Partei Möglichkeiten offeriert, innerhalb dieses sozialen Milieus Karrieren verfolgen
zu können. Solch eine Partei hatte ihren Mitgliedern mehr zu bieten als einmal alle paar Jahre in einer Wahlzelle
ein Kreuz zu machen", so Liessmann.
Die moderne Chancengesellschaft ohne Kontext zur sozialdemokratischen Solidarität wäre eine ziemlich
kalte, betonte Liessmann. "Chancengleichheit muss hergestellt werden, aber in der Chance liegt auch das Menetekel
des Scheiterns. Man kann immer auch verlieren. Wer hier nicht mithalten kann, hat rundum und ein für alle
Mal verloren. Wir kennen das Problem der Langzeitarbeitslosen und das der Leiharbeiter", denn "Es stellt
sich immer dringlicher die Frage, ob das Konzept der Lohnarbeit für die Lebens-, und Überlebensmöglichkeit
der Menschen überhaupt ausreicht", betonte Liessmann.
"Die Frage nach dem Staat ist heute immer auch die Frage, welche Mittel und Wege staatlichem Handeln noch
zur Verfügung stehen, um ordnungspolitische Aufgaben zu erfüllen und Regeln zu definieren und zu setzen.
Denn der Staat soll den Menschen nicht nur ihre Freiheit garantieren, sondern diese auch davor schützen, dass
alle Lebensbereiche den Prinzipien des Marktes bzw. den Interessen monopolähnlicher Marktbeherrscher unterworfen
werden. Wie lange kämpfen wir schon um die Finanztransaktionssteuer und wie schwer ist es, so etwas einfaches,
vernünftiges und nachvollziehbares gegen Minderheiten durchzusetzen?", so Liessmann und weiter: "Man
soll eine sinnvolle Grenze zwischen Markt und Gesellschaft suchen. Dinge, auf die Menschen einen Rechtsanspruch
haben, können nicht alleine den Märkten überantwortet werden", sagte Liessmann.
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Bundeskanzler Faymann - Für ein sozialdemokratisches und sozialeres Europa
"Wir wollen nicht nur für ein stärkeres Europa eintreten, sondern auch für ein verstärktes
soziales Europa", hielt SPÖ-Vorsitzender Bundeskanzler Werner Faymann fest. In seiner programmatischen
Rede betonte Faymann die Absage der Sozialdemokratie an Verhetzung, an nationale Alleingänge, wo internationale
Lösungen erforderlich sind und plädierte für den sozialdemokratischen Grundwert der internationalen
Solidarität, an Stelle von Ausgrenzung und dem "Suchen nach Sündenböcken".
"Die Verhetzung in der Politik ist keine Erfindung von Herrn Strache", betonte Faymann. "Aber nach
zwei Weltkriegen muss man sich vor Augen führen, dass es in der EU um ein friedliches Europa geht", sagte
der SPÖ-Vorsitzende und sagte in Anlehnung an Bruno Kreisky, der erklärt hatte, dass ihm mehr Schulden
lieber wären als mehr Arbeitslose: "Mir ist es allemal lieber, dass die EU existiert und wir uns Gedanken
machen über die Bürokratie und die Kosten - als ein einziger Tag Krieg in Europa."
Faymann erklärte, dass die Prinzipienerklärung von Hainfeld ein Grundrecht geschaffen habe, sich für
Freiheit, Gleichheit und Demokratie einzusetzen. Denn dieses Zusammentreffen vor 125 Jahren beim Einigungsparteitag
war zur damaligen Rechtslage illegal. Noch heute gebe es aber viele Menschen, die nicht nur in ähnlicher Armut,
sondern auch in prekären politischen, in undemokratischen Verhältnissen leben. "Was ich mir wünsche
ist, dass die Sozialdemokratie wieder diese Kraft der internationalen Solidarität entwickelt", plädierte
Faymann.
"Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben hart daran gearbeitet, dass wir heute auf einem hohen
Niveau unsere kritische Brille aufsetzen können, was denn alles noch zu erreichen sei", erklärte
Faymann und erteilte den Tendenzen des Neoliberalismus eine klare Absage: "Es gibt gibt welche, die die Errungenschaften
nicht als etwas positives sehen, sondern als etwas, das es gilt stückchenweise wieder abzuschneiden."
Der SPÖ-Vorsitzende erläuterte in dem Zusammenhang: "Es geht dabei etwa um Ratschläge, dass
wir die Menschen ab einem gewissen Alter nicht in Pension gehen lassen sollen, sondern in die Arbeitslosigkeit
schicken sollen. Und in einem nächsten Schritt sagen diese Stimmen, es gibt zu viele Arbeitslose, also soll
man die Zugangsbeschränkungen verschärfen."
"Der gemeinsame Wohlstand ist nur abzusichern, wenn es auch anderen gut geht. Es ist die Kaufkraft, die in
Europa existent sein muss. Denn schon Henry Ford hatte gesagt: Autos kaufen keine Autos", sagte Faymann und
kritisierte, dass ein beträchtlicher Teil von dem, was miteinander hart erarbeitet wird, in irgendwelchen
Steueroasen lande "und damit kein Beitrag daran geleistet wird, dass die Gemeinschaft an diesem erworbenen
Wohlstand teilhaben kann. Das ist nicht fair." Die Antwort auf derartig international organisierte Ungerechtigkeit
könne nur eine auf internationaler Ebene sein. Das bedeute aber auch, erklärte Faymann, dass es hier
nicht mehr um Innenpolitik und nationale Lösungen gehe, "sondern diese neue Finanzlogik verlangt europäische
und internationale Lösungen".
"Unsere Gegner sind jene, die auch gar kein Interesse an internationalen Lösungen haben. Aber auch jene,
die sehen, dass noch vieles nicht gerecht ist und sich die Falschen zum Feind machen." Wesentlich, um etwas
verändern zu können, sei es, andere Mehrheiten in Europa zu schaffen. "Auch ein österreichisches
Parlament ist abhängig davon, ob es ein schwarz- blaues Parlament ist, oder ein sozialdemokratisch geprägtes,
es zählen die Mehrheitsverhältnisse."
Faymann resümierte: "Wir müssen auftreten gegen die Hetzer, die zerstören wollen, was wir aufgebaut
haben. Aber auch jenen die Hand reichen, die gewillt sind - um mit Bruno Kreisky zu reden - ein Stück des
Weges mit uns zu gehen, um Europa zu verändern."
"Wer stolz auf seine Geschichte sein kann, muss auch die Aufgaben für die Zukunft ableiten. Ich bin stolz
auf unsere Geschichte. Daher gilt es nach wie vor: Aufzustehen und für die gemeinsame Sache einzutreten",
schloss der SPÖ-Vorsitzende.
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