Graz (meduni) - Zytotoxische T-Zellen sind ein zentraler Bestandteil unseres Immunsystems. Ihre Aufgabe liegt
darin, von Krankheitserregern befallene körpereigene Zellen aufzuspüren und abzutöten. Dieser Abwehrmechanismus
ist jedoch nicht immer erfolgreich. Gelingt es Viren sich langfristig im Körper festzusetzen, lässt die
Aktivität der zytotoxischen T-Zellen sukzessive nach. Einer kalifornischen Forschergruppe gelang es nun mit
der Unterstützung von Dr. Martin Stradner, Med Uni Graz, einen zentralen Mechanismus der abnehmenden T-Zell-Aktivität
zu entschlüsseln: In ihrer Arbeit, die in der renommierten Fachzeitschrift ‚Nature Immunology' veröffentlicht
wurde, konnten die Forscher zeigen, dass die Funktion der zytotoxischen T-Zellen ganz entscheidend von deren Sauerstoffversorgung
abhängig ist.
Abwehrzellen lernen Tumorzellen und Krankheitserreger zu akzeptieren
Zytotoxische CD8-T-Lymphozyten versuchen die Ausbreitung von Virusinfektionen oder anderen Krankheitsprozessen
zu verhindern, indem sie infizierte Körperzellen, aber auch Krebszellen zerstören. Wenn sich trotz dieser
Abwehrreaktion eine chronische Infektion entwickelt, reduzieren die zytotoxischen T-Zellen ihre Aktivität
und es entsteht eine sogenannte Zellerschöpfung. "Es wäre ja evolutionär nicht von Vorteil,
wenn die T-Zellen zB. bei einer chronischen Hepatitis ständig damit fortfahren infizierte Leberzellen abzutöten
und am Ende zwar das Virus eliminieren, dabei aber die ganze Leber zerstören", erklärt Dr. Martin
Stradner, Klinische Abteilung für Rheumatologie und Immunologie, Medizinische Universität Graz, diesen
Anpassungsmechanismus. Die T-Zell-Erschöpfung ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. So können nicht
nur Viren, sondern auch Tumoren von diesem Mechanismus profitieren: Obwohl die T-Zellen in der Lage sind Tumorzellen
zu erkennen und diese am Anfang auch aktiv bekämpfen, entwickelt sich im Laufe der Zeit durch den ständigen
Stimulus eine Toleranz gegenüber dem Tumor.
Sauerstoffkonzentration ist ein Schlüssel zur Aggressivität der Immunabwehr
Aus therapeutischer Sicht wäre es daher interessant, die Aggressivität der zytotoxischen T-Zellen
beeinflussen zu können. Einen möglichen Weg zeigt nun die Arbeit von Andrew Doedens und seinen KollegInnen
auf. "Auf ihren Patrouillengängen durch den Körper durchwandern die CD8-T-Lymphozyten verschiedene
Gewebe mit ganz unterschiedlichem Sauerstoffgehalt. Wie sich eine geringe Sauerstoffkonzentration auf die Zellen
auswirkt, war bis jetzt nicht bekannt", berichtet Dr. Stradner. "Um diesen Mechanismus genauer zu erforschen,
haben wir CD8-T-Lymphozyten untersucht, denen das Von Hippel-Lindau Gen, kurz VHL, fehlt." VHL ist ein Protein,
das die Aktivität der Hypoxia Inducible Factors (HIFs) bei normaler intrazellulärer Sauerstoffkonzentration
hemmt. Bei Sauerstoffmangel wird diese Hemmung jedoch aufgegeben. Die nun aktiven HIFs programmieren die Zelle
so um, dass sie auch in sauerstoffarmer Umgebung überleben und funktionieren kann. Durch das Fehlen des VHL-Gens
sind die zytotoxischen T-Zellen nun so programmiert, als würden sie sich ständig in einer sauerstoffarmen
Umgebung befinden.
Gesteuerter Kampf gegen Tumorzellen möglich
Diese Veränderung der Sauerstoffwahrnehmung hatte weitreichende Folgen für den Metabolismus und die
Funktion der Zellen: Die zytotoxischen T-Lymphozyten wurden viel aggressiver und erschöpften sich nicht mehr.
Die Simulation einer chronischen Infektion im Mausmodell zeigte, dass diese veränderten T-Lymphozyten Viren
deutlich besser eliminieren, aber auch schwerwiegende Organschäden verursachen. "Unter anderem kam es
zur Entwicklung einer Schocklunge", so der Grazer Immunologe, der als Erwin-Schrödinger-Stipendiat an
der University of California in San Diego an dieser Studie beteiligt war. Gleichzeitig zeigte sich aber auch, dass
die auf Hypoxie umprogrammierten T-Zellen sehr effizient bei der Tumorbekämpfung waren: Durch einen Zelltransfer
der gentechnisch veränderten zytotoxischen T-Zellen in Modelle mit malignen Melanomen konnte das Tumorwachstum
deutlich gehemmt werden, bzw. konnte in einigen Fällen sogar eine Heilung erzielt werden.
Die Erkenntnis, dass die Sauerstoffkonzentration und die HIF-Aktivität so großen Einfluss auf die
Funktion und Aggressivität der zytotoxischen T-Zellen haben, könnte möglicherweise auch als Behandlungsansatz
genutzt werden. Interessant ist dieser Aspekt vor allem deshalb, weil HIF-1alpha-Inhibitoren bereits als Antitumormedikamente
in klinischer Erprobung sind. Auch einige bereits lange zugelassene Medikamente, wie zB. Amphotericin B oder Silibinin,
haben unter anderem eine HIF-1 hemmende Aktivität.
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