Heidelberg (idw) - Den gängigen Vorstellungen der Kosmologen zufolge bildet die Materie im Weltall auf
riesigen Größenskalen ein verzweigtes Netz von Filamenten aus Gas. Die große Mehrheit der Wasserstoffatome
sind seit dem Urknall ein Teil dieses weitgehend unveränderten kosmischen Netzwerks. Jetzt ist Forschern der
University of California at Santa Cruz und des Max-Planck-Instituts für Astronomie erstmals eine Aufnahme
dieser kosmischen Filamentstruktur gelungen. Sie nutzten dafür die intensive Strahlung, die von einem supermassereichen
Schwarzen Loch generiert wird und einen kleinen Teil des kosmischen Netzes hell erleuchtet.
Computersimulationen sagen vorher, dass die allermeisten Atome im Universum auf Größenskalen von hunderten
Millionen Lichtjahren und mehr eine Art Netzwerk aus Wasserstoffgas bilden, mit Filamenten, die an Knotenpunkten
miteinander verbunden sind. Galaxien wie unsere Milchstraße entstehen in diesem Modell an genau solchen Knotenpunkten;
Wasserstoffgas, das entlang der Filamente auf eine Galaxie fällt, ist eine wichtige Zutat für die Bildung
neuer Sterne in solchen Galaxien. Direkt überprüfen ließ sich dieses Bild der großräumigen
Struktur des Kosmos allerdings bislang nicht: Selbst an den dichtesten Knotenpunkten ist das Wasserstoffgas so
extrem verdünnt, dass es kaum Licht von sich gibt und sich sogar mit den größten derzeit verfügbaren
Teleskopen nicht nachweisen lässt.
Jetzt haben Astronomen erstmals ein direktes Bild eines Teilgebiets des kosmischen Netzwerks aufgenommen. Sie nutzten
dabei den Umstand, dass sogenannte Quasare wie kosmische Scheinwerfer wirken und nahegeliegene Gaswolken anstrahlen
können. Das Kerngebiet einer Galaxie kann zwischenzeitlich zu einem Quasar werden, wenn Materie auf das zentrale,
supermassereiche Schwarze Loch der Galaxie fällt und dabei gewaltige Energien freisetzt. Die Wirtsgalaxie
des Quasars sitzt – wie andere größere Galaxien auch – an einem der Knoten des kosmischen Netzwerks,
und der Quasar kann dann die direkt umliegenden Gasfilamente anstrahlen.
Dabei kann es zum gleichen Effekt kommen, der auch das Gas in einer Leuchtstoffröhre zum Leuchten anregt:
zur Fluoreszenz. Bei einer Leuchtstofflampe liefert der elektrische Strom die zur Anregung nötige Energie.
In diesem astronomischen Beispiel ist es das intensive Licht des Quasars.
Sebastiano Cantalupo, der an der University of California/Santa Cruz forscht und Erstautor der jetzt veröffentlichten
Studie ist, sagt: »Das Licht des Quasars ist wie der Strahl eines Scheinwerfers. In unserem Falle haben wir
das Glück, dass dieser Scheinwerfer direkt auf ein Filament des kosmischen Netzwerks gerichtet ist und dessen
Gas zum leuchten bringt.« Mithilfe des Keck I-Teleskops am W. M. Keck-Observatorium auf Hawaii (Spiegeldurchmesser:
10 Meter) und einem speziell angefertigten Filter konnten die Astronomen ein Bild des fluoreszierenden kosmischen
Gases aufnehmen. Dessen Licht erreicht uns in einem ganz bestimmten, eng begrenzten Bereich des elektromagnetischen
Spektrums – und der Filter lässt genau diese Art von Licht durch.
Das Wasserstoffgas in den weitgehend leeren Weiten zwischen den Galaxien haben Astronomen bereits seit Jahrzehnten
auf eine andere, indirekte Weise untersucht (Stichwort »Absorptionslinien«). Die indirekte Messung
erlaubte es allerdings nur, Eigenschaften desjenigen kosmischen Gases zu bestimmen, das sich entlang der Verbindungslinie
zwischen einem fernen Hintergrund-Quasar und dem irdischen Beobachter befand (vgl. MPIA Pressemitteilung Wissenschaft
2013_08). Solch ein eindimensionaler Ausschnitt reicht bei weitem nicht aus, um die gesamte dreidimensionale Struktur
des Netzwerks sichtbar zu machen. Fabrizio Arrigoni Battaia, ein an der Forschung beteiligter Doktorand am Max-Planck-Institut
für Astronomie, stellt im Kontrast dazu zu den neuen Ergebnissen fest: »Dies ist das erste Mal, dass
es gelungen ist, ein Bild des kosmischen Netzes aufzunehmen, das dessen Filamentstruktur zeigt.« Der Ausschnitt
aus dem kosmischen Netzwerk aus Gas, der auf dem Bild zu sehen ist, misst im Durchmesser rund 2 Millionen Lichtjahre.
Mithilfe solcher Beobachtungen lassen sich die Ergebnisse von Supercomputer-Simulationen auf die Probe stellen,
mit denen Kosmologen die Entstehung großräumiger Strukturen im Universum nachvollziehen. Tatsächlich
gibt bereits die hier beschriebene Studie Hinweise darauf, dass diesen Simulationen wichtige Elemente fehlen dürften:
Aufgrund der Beobachtungen lässt sich der Gehalt des kosmischen Netzwerks an kühlem Gas abschätzen
– und das Ergebnis liegt deutlich über den Vorhersagen der Simulationen.
Joseph Hennawi, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, der an der Studie beteiligt war, sagt:
»Wenn man verstehen will, wie Galaxien entstehen, dann muss man wissen, welches Rohmaterial sie für
die Sternentstehung zur Verfügung haben – und dieses Rohmaterial beziehen die Galaxien aus dem riesigen kosmischen
Netz aus Gasfilamenten. Die neuen Beobachtungen stellen unser Verständnis in dieser Hinsicht durchaus auf
die Probe – sie legen nahe, dass eine Menge des Gases in Form kleiner, dichter Einzelwolken vorliegt; ein Umstand,
den unsere Modelle derzeit noch nicht berücksichtigen. Wenn wir hier Klarheit schaffen können, verspricht
das wichtige Erkenntnisse über die Galaxienevolution.«
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