Mit Radiowellen wird der Himmel kartiert – die TU Wien entwickelt Computerprogramme, mit denen
noch genauere Positionsbestimmungen im Weltraum möglich werden.
Wien (tu) - Wie schafft man es, den Himmel hochpräzise zu kartieren? Anstatt der sichtbaren Sterne
verwendet man dafür heute weit entfernte Radioquellen. Sie werden von verschiedenen Observatorien an unterschiedlichen
Punkten der Erde gleichzeitig vermessen, aus diesen Daten lässt sich dann ihre Position am Himmel sehr exakt
berechnen. Das Geodäsie-Team der TU Wien ist an diesen Messungen beteiligt, diesen Winter konnte eine erfolgreiche
Messkampagne in Australien durchgeführt werden.
Die Sterne sind nicht gut genug
Tausende Jahre lang orientierte man sich bei der Beobachtung des Himmels an den Sternen, doch das hat gravierende
Nachteile: Unser Sonnensystem und die umgebenden Sterne bewegen sich relativ zueinander, im Lauf der Jahrhunderte
kommt es zu dramatischen Verschiebungen. Die Sternbilder sehen heute völlig anders aus als in der Antike,
für Hochpräzisionsangaben sind die Sterne also ungeeignet.
Viel genauere Messungen kann man machen, wenn man helle Objekte betrachtet, die sich weit außerhalb unserer
eigenen Galaxie befinden. Zu ihnen gehören etwa die Quasare – exotische Himmelskörper im Zentrum von
Galaxien, in deren Mitte sich ein superschweres Schwarzes Loch befindet. Das Schwarze Loch zieht aus seiner Umgebung
Masse an sich, durch Reibung heizt sich die Materie auf dem Weg in das Schwarze Loch auf und strahlt Energie ab.
So kann eine Leuchtkraft entstehen, die das Licht ganzer Galaxien überstrahlt. Viele von ihnen sind Milliarden
von Lichtjahren entfernt – und trotzdem können wir sie auf der Erde sehen.
Auf solche weit entfernten Quellen werden die Radioteleskope auf der Erde ausgerichtet – und zwar immer gleich
mehr als eines. „Nur wenn man die Daten aus weit voneinander entfernten Teleskopen miteinander verknüpft,
kann man eine extrem hohe Präzision erreichen“, erklärt Prof. Johannes Böhm vom Department für
Geodäsie und Geoinformation der TU Wien. Im Grunde entsteht durch das Zusammenschalten von Teleskopen auf
unterschiedlichen Kontinenten ein gewaltiges Riesenteleskop mit einer langen Basislinie – im Extremfall so lang
wie der Erddurchmesser. Man spricht daher von „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI).
Besonders in den Bereichen des Himmels, der nur von der Südhalbkugel aus gesehen werden kann, benötigt
man noch mehr Referenzpunkte als heute zur Verfügung stehen. Johannes Böhm wurde daher an die University
of Tasmania (Hobart, Australien) eingeladen, um geeignete Beobachtungspläne zu entwickeln.
Eine Kirsche am Mond
Die Strahlung der Radioquellen ist nicht völlig konstant, man empfängt ein Rauschen. Zwei weit voneinander
entfernte Teleskope empfangen dasselbe Rausch-Signal, allerdings tritt eine minimale zeitliche Verzögerung
auf, wenn die Strahlung zuerst das eine, und danach erst das andere Teleskop erreicht.
Kennt man die Entfernung zwischen den beiden Teleskopen, kann man aus dieser zeitlichen Verzögerung berechnen,
aus welcher Richtung das Radiosignal gekommen ist. Die Ankunftszeit der Signale wird dafür mit einer Atomuhr
gemessen. „Man erreicht dadurch eine Präzision im Bereich von Mikro-Bogensekunden“, erklärt Johannes
Böhm. Das entspricht etwa dem Winkel, unter dem uns ein einzelner Atomkern im Daumennagel eines ausgestreckten
Arms erscheint, oder unter dem man von der Erde aus eine Kirsche auf der Mondoberfläche sehen würde.
Umgekehrt kann man die Signale auch zur Positionsbestimmung auf der Erde nutzen: Ist die Radioquelle bereits genau
bekannt, kann man aus der Lichtlaufzeitdifferenz zwischen den Signalen den Abstand der Teleskope berechnen. So
lässt sich sogar vermessen, wie sich die Kontinente über die Jahre aufgrund der Plattentektonik gegeneinander
verschieben.
Spezialsoftware, entwickelt an der TU Wien
Um das zu erreichen, müssen aber zunächst einige mathematische Probleme gelöst werden: „Wie registriert
man von unterschiedlichen Teleskopen aus in kurzer Zeit möglichst viele Radioquellen? Das ist gar nicht so
einfach zu beantworten“, sagt Johannes Böhm. Die Teleskope lassen sich unterschiedlich schnell bewegen, schwächere
Radiosignale brauchen längere Messphasen als starke – es gibt viele Parameter, die man berücksichtigen
muss, um zu einer guten Radiowellen-Himmelskarte zu kommen.
Johannes Böhm entwickelte mit seinem Team eine eigene Software, die optimale Beobachtungspläne erstellt.
Auch die gemessenen Signale müssen dann noch verarbeitet werden: Zunächst vergleicht man die Signale
unterschiedlicher Stationen und ermittelt die Zeitdifferenz, die dann wieder ins Programm einfließt und für
geometrische Berechnungen verwendet wird.
Natürlich sind exakte Himmelskarten auch für die Raumfahrt unverzichtbar: Speziell im Bereich der Ekliptik,
wo Raumsonden zu anderen Planeten unterwegs sind, braucht man ein dichtes Netz an Radioquellen als Referenzsystem.
Am 19. Dezember 2013 wurde der Satellit Gaia der ESA gestartet, der Milliarden von Sternen kartieren soll – allerdings
handelt es sich hier um Daten im sichtbaren Bereich des Spektrums und um Sterne unserer eigenen Galaxie. Für
geodätische Anwendungen wird daher weiterhin das Radiowellen-Referenzsystem maßgeblich bleiben.
Bisher stützt man sich auf den ICRF-2 (International Celestial Reference Frame 2), der die Positionen von
3414 extragalaktischen Radioquellen beinhaltet. Bis 2017 werden noch neue Radioquellen gesucht, daraus soll dann
ein neuer offizieller Katalog von Radioquellen (der ICRF-3) entstehen, der dann in der Astronomie als Standard-Referenz
dienen wird.
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