Wahlkarten können künftig am Wahltag in jedem Wahllokal abgegeben werden
Wien (Ppk) - Die Vorzugsstimmen-Hürde bei Wahlen zum Europäischen Parlament wird gesenkt. Künftig
werden KandidatInnen bereits dann vorgereiht, wenn sie 5 % der auf ihre Partei entfallenden Stimmen als Vorzugsstimmen
erhalten. Darauf hat sich der Verfassungsausschuss des Nationalrats verständigt. Neben SPÖ und ÖVP
stimmte auch das Team Stronach für einen entsprechenden Antrag der Koalitionsparteien. Derzeit ist die Hürde
mit 7 % der Parteistimmen festgelegt. Ein angenommener Abänderungsantrag stellt außerdem sicher, dass
das vorläufige Vorzugsstimmenergebnis in Hinkunft bereits wenige Tage nach dem Wahltag bekannt gegeben werden
kann.
Darüber hinaus wird mit der neuen Europawahlordnung auch die Abgabe von Briefwahlstimmen erleichtert. Demnach
können Wahlkarten künftig am Wahlsonntag in jedem beliebigen Wahllokal bzw. in jeder beliebigen Bezirkswahlbehörde
abgegeben werden. Die Überbringung muss nicht persönlich, sondern kann auch durch eine andere Person
erfolgen.
Um vereinzelt noch bestehenden Problemen mit der Weiterleitung unfrankierter Wahlkarten aus dem Ausland entgegenzuwirken,
wird der Beförderungshinweis für ausländische Postverwaltungen auf der Rückseite von Wahlkarten
nicht nur in Englisch, sondern auch in Deutsch und in Französisch abgedruckt. Vorgesehen ist außerdem,
einzelne Fristregelungen zu ändern und einige formalrechtliche Bestimmungen für UnionsbürgerInnen,
insbesondere in Bezug auf den Nachweis ihres aktiven und passiven Wahlrechts in ihrem Heimatland, zu adaptieren.
Grün-Abgeordnete Daniela Musiol begründete die Ablehnung des Gesetzentwurfs durch ihre Fraktion damit,
dass es notwendig wäre, insgesamt über eine Personalisierung des Wahlrechts zu diskutieren. Die Senkung
der Vorzugsstimmenhürde greift ihrer Meinung nach zu kurz, zudem steige durch das geltende System die Frauenquote
im Parlament nicht. Positiv ist für Musiol, dass Wahlkarten künftig an mehr Orten abgegeben werden können
und das Vorzugsstimmenergebnis durch die vorgesehene Sofortmeldung der Wahlbehörden früher bekannt sein
wird.
Für die FPÖ begrüßte Abgeordneter Harald Stefan zwar prinzipiell die Verstärkung des
Persönlichkeitswahlrechts, lehnte den Antrag aber wegen der Verknüpfung mit der Briefwahl ab. Er erinnerte
an die Bedenken seiner Fraktion gegen die derzeitige Ausgestaltung der Briefwahl, die, wie er sagte, sämtliche
Grundsätze des Wahlrechts in Frage stellt, und meinte, auch die vorliegende Regelung bringe diesbezüglich
keine Verbesserungen.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hingegen sah ebenso wie ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl den Antrag als wichtigen
Schritt in Richtung einer Verstärkung des Persönlichkeitswahlrechts. Die von den Freiheitlichen urgierte
Evaluierung der Briefwahl wiederum ist nach den Worten der Ressortleiterin nach der EU-Wahl geplant.
Der Antrag der Koalitionsparteien wurde unter Berücksichtigung des S-V-Abänderungsantrags mit S-V-T-Mehrheit
beschlossen.
Mit dem Beschluss wird auch ein erstes Vorhaben aus dem Kapitel Staatsreform und Demokratie des Regierungsprogramms
umgesetzt. Geht es nach der Koalition, soll in weiterer Folge die Vorzugsstimmenregelung auch für Nationalratswahlen
geändert werden. Außerdem ist geplant, im Rahmen einer parlamentarischen Enquete-Kommission über
Maßnahmen zur Stärkung der direkten Demokratie zu beraten. Eine weitere Kommission auf parlamentarischer
Ebene soll sich das Thema Föderalismusreform vorknöpfen.
Ebenfalls am Radar der Regierung: die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Implementierung eines Grundrechts
auf Zugang zu Informationen, die Entflechtung wechselseitiger Zustimmungsrechte von Bund und Ländern, eine
Modernisierung des Datenschutzes, verschärfte Regeln für einen Mandatsverlust, ein modernes Dienstrecht
für Beamte und ein Überdenken der Staatsaufgaben. Zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses und zur Demokratiereform
liegen auch bereits mehrere Initiativanträge der Opposition vor.
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