Linz (lk) - Wie oft kommen Sie nach Bayern und warum? Wie haben sich die grenzüberschreitenden Beziehungen
in den vergangenen Jahren entwickelt? Wo ergeben sich durch verstärkte Zusammenarbeit Verbesserungsmöglichkeiten?
Zu diesen und noch vielen anderen Fragen hat die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE)
500 Bewohner/innen grenznaher Gemeinden in den Bezirken Braunau, Ried, Rohrbach und Schärding befragt.
"Die Antworten zeigen, dass die Menschen in den Grenzbezirken auf oberösterreichischer Seite die Entwicklung
in ihrem Umfeld positiv sehen", sagt Wirtschaft- und Europa-Landesrat Dr. Michael Strugl. Erfreulich seien
das rege Interesse an der Nachbarregion und der Wille zur Zusammenarbeit. "Die Menschen wissen um die Bedeutung
des gemeinsamen Europa für die wirtschaftliche und persönliche Entwicklung und kennen auch Projekte,
die mit Unterstützung der EU ermöglicht wurden", so Strugl.
Die Beziehungen ins Nachbarland spielen sich stark auch auf einer persönlichen Ebene ab: Drei von zehn Befragten
besuchen Freunde und Verwandte, wenn sie sich in der Nachbarregion aufhalten. "Hauptmotiv ist aber das Einkaufen:
Knapp 80 Prozent der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher in grenznahen Gemeinden nützen ihren
Aufenthalt in Bayern dafür", so Mag. Paul Schmidt, Generalsekretär der ÖGfE. "Drei von
vier Befragten sind mindestens einmal im Monat in der Nachbarregion anzutreffen. Ein wichtiger Faktor, der zeigt,
dass die Regionen noch weiter zusammenwachsen", betont Schmidt.
Tourismus, Wirtschaft, Kultur - OÖ hat sich durch Abbau der Grenzen positiv entwickelt
Seit 19 Jahren ist Oberösterreich in der EU und hat in dieser Zeit eine Phase der Internationalisierung
durchlebt. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist ein Wettbewerbs-, Innovations-, Konjunktur- und
Arbeitsplatzmotor für unser Bundesland. Auch mit Unterstützung aus EU-Fördertöpfen ist es gelungen,
in punkto Wettbewerbsfähigkeit ins obere Mittelfeld aufzuschließen.
Vor allem von der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 hat Oberösterreich überdurchschnittlich stark profitiert
und seine Chancen auf den neuen Märkten gut genutzt. Heute ist OÖ mit einem Exportvolumen von 31,8 Milliarden
Euro (Prognose für 2013) das führende Export-Bundesland dieser Republik. Jeder zweite Arbeitsplatz hängt
direkt oder indirekt mit dem Export zusammen. Da wundert es nicht, dass im Vorjahr ein Beschäftigungsrekord
in OÖ verzeichnet wurde: Knapp 620.000 Menschen waren durchschnittlich in Beschäftigung - deutlich mehr
als vor dem EU-Beitritt. Seitdem sind rund 100.000 Beschäftigte dazugekommen, das ist ein Plus von mehr als
20 Prozent.
So weit die Fakten. Dass die Europäische Union, die Nachbarschaft mit den Grenzregionen in Deutschland/Bayern,
aber auch mit den jahrzehntelang abgeschnittenen Regionen wie Tschechien/Südböhmen, auch in den Köpfen
der Menschen angekommen ist, zeigt die jüngste Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.
Oberösterreicher über Bayern gut informiert
Für die befragten Bewohner/innen der oö. Grenzbezirke Braunau, Ried, Rohrbach und Schärding ist
das Verhältnis zu Bayern von Vertrautheit und regelmäßigen Kontakten geprägt: Vier von fünf
Befragten fühlen sich gut über die Nachbarregion informiert - kein Wunder, halten sich mehr als drei
Viertel von ihnen doch mindestens einmal pro Monat "drüben" auf, mehr als ein Drittel sogar mindestens
einmal wöchentlich. Hauptmotive dafür sind Einkaufen (79 %), der Besuch von Freunden & Verwandten
(29 %) und Urlaub/Ausflüge (27 %). Deutlich abgeschlagen ist das Motiv "Arbeiten" mit nur sieben
Prozent.
Insgesamt wird die Entwicklung der Beziehungen zur Nachbarregion in Bayern je nach Themenfeld unterschiedlich beurteilt:
Positiv werden kultureller Austausch, Tourismus und das nachbarschaftliche Verhältnis allgemein bewertet,
ebenso das Thema Arbeitsplätze. Überwiegend negativ wird die Entwicklung der Verkehrsbelastung gesehen,
keine Veränderung der Entwicklung der Kriminalität attestiert.
Verkehr und Atomkraft könnten gutes Nachbarschaftsverhältnis trüben
Beim Verkehrsaufkommen aus Bayern sehen 27 Prozent der Befragten einen (sehr) problematischen Einfluss auf
das nachbarschaftliche Verhältnis, ebenso bei der Sicherheit der Atomkraftwerke auf bayerischer Seite (49
%).
Als weitgehend unproblematisch gelten jedoch Themen wie die Abwanderung oberösterreichischer Betriebe nach
Bayern, Kriminalität aus Bayern oder der Zuzug bayerischer Arbeitskräfte in die Region.
Bekanntheit von EU-geförderten Projekten ausbaufähig
Vier von zehn befragten Oberösterreichern kennen in ihrer Region Projekte, die mit finanziellen Mitteln
der EU gefördert wurden - 56 Prozent allerdings kennen keine. Dabei wurden in der abgelaufenen Programmperiode
2007 bis 2013 allein aus den EU-Fördertöpfen, die explizit für grenzüberschreitende Projekte
vorgesehen sind, mehr als 160 Projekte unterstützt - von wirtschaftlichen Kooperationen über Tourismus
bis hin zu Arbeitsmarkt und auch Verkehr. Insgesamt standen dafür in Oberösterreich rund zehn Millionen
Euro zur Verfügung.
Positive Haltung gegenüber Euro und Abbau der Grenzkontrollen
Seit mehr als 15 Jahren sind die Grenzkontrollen zwischen Bayern und OÖ bereits Geschichte. Ihren Abbau
halten acht von zehn Befragten im Rückblick für die richtige Entscheidung. Nicht ganz so eindeutig ist
die Meinung zum Euro: Hier glauben zwei Drittel, dass der Euro die Regionen stärker zusammenwachsen hat lassen.
Interessant ist hier der Vergleich zu einer ÖGfE-Umfrage im oö. Grenzgebiet zu Tschechien 2011: Dort
glaubte die Hälfte der Befragten, dass eine gemeinsame Währung das Zusammenwachsen der Regionen fördern
würde. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die Euro-Einführung im Nachhinein positiver beurteilt
wird als sie zunächst vermutet wird.
Europaregion Donau-Moldau ist bekannt und kann Entwicklung positiv beeinflussen
Drei Länder, zwei Sprachen, eine Region: Die Europaregion Donau-Moldau, 2012 in Linz gegründet, ist ein
Zusammenschluss von sieben Regionen (Oberösterreich, das niederösterreichische Most- und Waldviertel,
die tschechischen Kreise Südböhmen, Pilsen und Vysocina, die Oberpfalz und Niederbayern mit Altötting)
zur trilateralen Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Forschung, Bildung und Tourismus. Die Hälfte
der Befragten kennt die Europaregion Donau-Moldau und es werden auch große Erwartungen in die Kooperation
gesetzt: Vor allem bei Kultur- und Tourismusangeboten sollen Verbesserungen eintreten. Skeptisch ist man, wenn
es um die Chancen zur Verbesserung der Verkehrsverbindungen geht: 57 Prozent halten diese für (sehr) groß,
44 Prozent für (sehr) gering.
Das Projekt "Gelebte Nachbarschaft in der Grenzregion Oberösterreich-Bayern"
wird von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) durchgeführt und vom Land
Oberösterreich finanziell unterstützt.
Methodik: Befragt wurden im Sommer 2013 500 Personen in den grenznahen Bezirken Braunau, Ried, Rohrbach und Schärding
in Form von telefonischen Interviews.
Durchgeführt wurde die Umfrage vom Market-Institut in Linz.
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