EU-Kommissar für Binnenmarkt diskutiert mit ParlamentarierInnen über Maßnahmen
zur Krisenbewältigung
Wien (pk) - "Wir müssen die BürgerInnen wieder mit Europa aussöhnen". Das könne
aber nur mit Hilfe der nationalen Parlamente gelingen. Darin waren sich EU-Kommissar Michel Barnier und Zweiter
Nationalratspräsident Karheinz Kopf im Rahmen eines Gesprächs mit Mitgliedern des Nationalrats und des
Bundesrats am 30.01. einig. In Brüssel setze auch ein Umdenken ein, sagte Barnier, ihm sei der Dialog mit
den ParlamentarierInnen immer sehr am Herzen gelegen. Gegenüber Abgeordnetem Wolfgang Katzian (S) bekräftigte
er die Bedeutung der Sozialpartnerschaft und plädierte dafür, sich wieder mehr auf die Grundidee der
EU zu besinnen - die Stärkung der sozialen Marktwirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der
globalen wirtschaftlichen Entwicklung müsse Europa zusammenhalten, sonst sitzen wir in einigen Jahrzehnten
nicht mehr als gleichberechtigter Partner mit am Tisch, so sein Appell an die Europaskeptiker.
Ein wichtiger Aufgabenbereich bei der Krisenbewältigung
Michel Barnier bekleidet das Amt des EU-Kommissars für Binnenmarkt und Dienstleistungen seit 10. Februar
2010. In dieser Funktion kommt ihm eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise zu, zumal
er unter anderem nicht nur für die Vollendung des Binnenmarkts durch den Abbau von Markthindernissen verantwortlich
zeichnet, sondern auch die Aufsicht über die Finanzdienstleister zu seinen Kompetenzen zählt.
In den letzten Tagen hat Barnier seinen Entwurf zur Regulierung des Bankensektors vorgelegt, wonach den größten
Banken ("too big to fail-Banken") künftig der riskante Eigenhandel verboten werden soll. Darüber
hinaus sollen die Aufsichtsbehörden die Abtrennung potentiell riskanter Handelsgeschäfte vom Einlagengeschäft
verlangen können, wenn die Stabilität des Finanzsystems gefährdet ist. Der Vorschlag basiert auf
den Empfehlungen der Expertengruppe um den finnischen Notenbankgouverneur Erkki Liikanen.
Man habe aus der Krise Konsequenzen gezogen, erläuterte Banier und verwies auf die zahlreichen Gesetzesinitiativen
aus seinem Bereich zur Regulierung des Finanzmarkts, um Ordnung und Transparenz zu schaffen und die Verantwortlichkeiten
einzufordern. Es gehe auch um moralisches Handeln, unterstrich der Kommissar, der sich dafür aussprach, Marktmanipulationen
als Straftatbestand zu verankern.
Die SteuerzahlerInnen haben genug für die Bankenrettung gezahlt
Bei der Bankenunion stehe man in der Zielgeraden, die Banken sollen wieder robuster aufgestellt sein und im Dienst
der Realwirtschaft stehen, stellte er mit Nachdruck fest. Mit der gemeinsamen Bankenaufsicht, dem europäischen
Abwicklungsmechanismus, der angesichts der internationalen Verflechtungen der Banken unumgänglich ist, sowie
mit der geplanten Einlagensicherung habe man seitens der Politik wieder das Heft in die Hand genommen, reagierte
Barnier auf eine Frage von Werner Kogler (G). Hätten wir die Regelungen bereits vor fünf Jahren gehabt,
hätten wir nur drei Banken retten müssen, warb er für die Bankenregulierung. All seine Vorschläge
zielten darauf ab, den Krisen vorzubeugen, im Fall einer Krisenbewältigung aber nicht den SteuerzahlerInnen
in die Taschen zu greifen. Vielmehr müssten die Banken dafür aufkommen, merkte er auf Fragen von Barbara
Rosenkranz (F), Andreas Zakostelsky (V) und Kai Jan Krainer (S) an. Schließlich habe man in den letzten Jahren
13 % des BIP der EU für die Bankenrettung aufgewendet, "das reicht jetzt", so der EU-Kommissar.
Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Paket für die mittelständische Wirtschaft
Die EU habe die richtigen Schritte gesetzt und damit verhindert, dass die Eurozone explodiert. Der Zug sei im Gleis
geblieben, nun gehe es darum, die Erholung mit entsprechenden Maßnahmen zu unterstützen. Dazu gehöre
auch der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, wofür in den nächsten Jahren 6 Mrd. € zur Verfügung
gestellt werden. Ebenso werde für die mittelständische Wirtschaft ein Paket geschnürt, etwa Maßnahmen
gegen Fälschungen sowie Vereinfachungen in Bezug auf das öffentliche Auftragswesen.
Mit Hilfe eines Rahmens für europäische Signaturen und das Rechnungswesen will Barnier die Digitalisierung
des öffentlichen Auftragswesens fördern, zugleich sieht er dabei ein Einsparungspotenzial von rund 80
Mrd. €. Die Bedenken von Abgeordnetem Wolfgang Katzian (S) im Hinblick auf die Auswirkungen der Digitalisierung
auf die ArbeitnehmerInnen nahm der Kommissar ernst und stellte unmissverständlich fest, er sei durchaus für
eine schwarze Liste von Unternehmen, die die Regeln nicht einhalten. Sie sollten auch von öffentlichen Ausschreibungen
ausgeschlossen werden.
Nachdem sich Angelika Rosa Mlinar (N) für einen europäischen Steuerrahmen ausgesprochen hatte, zeigte
sich der Kommissar zuversichtlich, dass man eventuell im Bereich der Unternehmenssteuern einen Schritt weiterkommen
könnte. Er verwies auf die "mutigen" Vorschläge seines Kollegen Steuerkommissar Algirdas Semeta.
Michel Barnier, ein profilierter Europapolitiker
Der am 9. Jänner 1951 in Frankreich geborene Barnier begann seine politische Karriere bereits Anfang der 1970er
Jahre als Abgeordneter im Departement Savoie und als Mitarbeiter im Stab verschiedener Minister. Im Alter von 27
Jahren zog er 1978 für die neogaullistische RPR in die Nationalversammlung als jüngster Abgeordneter
ein. Er wurde in den Folgejahren Umwelt- Europa- und Außenminister, unter Nicolas Sarkozy übertrug man
ihm 2007-2009 das Ressort für Landwirtschaft und Fischerei.
Im Gegensatz zu Teilen der Neogaullisten war Barnier immer ein vehementer Befürworter der europäischen
Einigung. So machte er sich 1992 auch öffentlich für die Annahme des Maastricht-Vertrags im Rahmen des
damaligen Referendums in Frankreich stark. Sein europäisches Engagement brachte ihm schließlich die
Ernennung zum EU-Kommissar für Regionalpolitik und institutionelle Reformen unter Kommissionspräsident
Romano Prodi in den Jahren 1999-2004. In dieser Zeit vertrat er auch die Kommission im Europäischen Konvent,
der einen Verfassungsvertrag für Europa ausarbeiten sollte. Nachdem er im März 2006 zu einem der Vizepräsidenten
der Europäischen Volkspartei gewählt wurde, zog er bei der Europawahl 2009 als Listenführer der
UMP (Union pour un mouvement populaire) in das Europäische Parlament ein. Unter José Manuel Barroso
wurde er dann im Februar 2010 zum Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen berufen.
Im Vorfeld der kommenden EU-Wahlen artikulierte Barnier öffentlich sein Interesse für die Funktion des
Kommissionspräsidenten und befindet sich damit innerhalb der konservativen politischen Familie in Konkurrenz
zum Luxemburger Jean Claude Juncker.
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