Röthy: "Dichtes Netzwerk, das trägt und hält"
Wien (epdö) - Mit einem großen Festakt feierte die Stadtdiakonie Wien am 29.01. ihren 100. Geburtstag.
Zahlreiche Gäste kamen in die Wiener Superintendentur, um Geschäftsführerin Claudia Röthy und
ihrem Team zum Jubiläum zu gratulieren. Seit 1914 kümmert sich die damals unter dem Namen Stadtmission
gegründete Stadtdiakonie um benachteiligte Menschen in Wien. Heute bilden die Arbeit für und mit Schulkindern,
das Evangelische Sozialzentrum Wien sowie die Betreuung von Notleidenden im "´s Häferl" Schwerpunkte
der diakonischen Arbeit. Röthy, seit 2007 Geschäftsführerin der Stadtdiakonie Wien, freute sich
über die vielen Unterstützerinnen und Unterstützer, diese würden ein "dichtes Netzwerk
bilden, das wir brauchen, das uns trägt und hält".
Wiens Superintendent Hansjörg Lein bedankte sich für die Arbeit der Stadtdiakonie. "Diakonie ist
ein wesentlicher Bestandteil von Kirche. Christlicher Glaube hat auch eine christliche Praxis aufzuweisen. Es braucht
die Einheit von Wort und Tat", betonte Lein.
Migration und Zuwanderung seien aktuell die größten Herausforderungen urbaner Gesellschaften, davon
zeigte sich Gastreferent Günter Bauer, Vorstand der Diakonie in München und Oberbayern überzeugt.
2007 hätten erstmals mehr Menschen in Städten gewohnt als am Land, diese Zunahme sei aber in erster Linie
durch Zuwanderung geschehen. So würde etwa auch eine Stadt wie Wien wachsen, aber nicht von sich heraus, sondern
durch die Aufnahme von Flüchtlingen und MigrantInnen. "Flüchtlinge und MigrantInnen bringen ihre
Kultur und ihre religiösen Traditionen mit. Das ist ein enormer Reichtum. Die entscheidende Frage ist aber:
Wie nehmen wir sie auf?", sagte Bauer in seinem Vortrag. Er beklagte, dass viele Menschen von den zahlreichen
Möglichkeiten, welche die Stadt böte, ausgeschlossen seien, etwa weil sie alt, krank und gebrechlich
oder ausländischer Herkunft sind. "Es braucht Teilhabemöglichkeiten für alle. Die sozialen
Angebote, die es gibt, sind gut und notwendig, aber es braucht auch ein regelmäßiges Grundeinkommen
für jede und jeden sowie eine gute medizinische und psychologische Versorgung", so Bauer.
Die zu diesem Anlass entstandene Festschrift "Sehen.Erkennen.Handeln" wurde von Bischof Michael Bünker
vorgestellt. Der Dreischritt "Sehen.Erkennen.Handeln" sei stark an Joseph Cardijns Dreischritt sehen-urteilen-handeln
angelehnt. Der katholische Theologe gilt als Gründer der Christlichen Arbeiterjugend, der Dreischritt wurde
später auch von der katholischen Befreiungstheologie in Südamerika aufgegriffen. In diesen Schritten
spiele sich diakonisches Handeln ab, so Bünker. Die Stadtdiakonie würdigte Bünker als "Ort
des Vertrauens", mit ihrer Arbeit würde sie einen wichtigen Beitrag in der Stadt leisten.
Ein Höhepunkt des Festaktes waren die sozialkritischen Lieder von Norbert Karvanek, Leiter des "´s
Häferl", das finnisch-italienische "Duo Ilon" sorgte für den musikalischen Rahmen. Das
Buffet für den Festakt wurde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des "Häferls" zubereitet.
Bei den Zutaten handelte es sich um jene Lebensmittel, die auch im Häferl verkocht werden, also um Produkte,
die zwar noch einwandfrei sind, aber von Supermärkten nicht mehr verkauft werden können.
Viel Zeit zum Feiern bleibt den Verantwortlichen bei der Stadtdiakonie Wien nicht: Schnee und Kälte lassen
den Andrang von Menschen in Not auf einen warmen Ort und ein warmes Essen massiv steigen. Die Nachfrage nach einem
warmen Platz und einem warmen Essen sei groß, der Andrang im "´s Häferl" enorm. "Soziale
Notstellen und ein warmer Ort sind in solchen Situationen für Armutsbetroffene eine existentielle Frage",
so Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie. Diese Hilfen werde mehr als je gebraucht. Die servierten Menüs
im Häferl seien in den letzten Jahren stark gestiegen: Die Summe an warmen Essen im Häferl habe sich
in zwei Jahren beinahe verdoppelt. "Waren es im Jahr 2011 noch 14.067 Essen so sind es jetzt annähernd
35.000 Portionen, die serviert wurden", so Schenk. „2004 waren es noch 5027". Zwischen 100 und 200 Menschen
werden an vier Tagen pro Woche im Häferl mit Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise versorgt. „An diesen Tagen
bieten wir jedem Gast gratis Essen an, wir verteilen bei Bedarf Kleidung und bieten Raum für soziale Kommunikation
und Beratung", erläutert Kavranek. „Wir sind keine Ausspeisung, wir servieren unseren Gästen das
Essen, der Unterschied ist uns wichtig!“
Geld- und Lebensmittelspenden werden dringend gebraucht. Auch „sich selbst spenden" und für die Gäste
kochen sei eine Möglichkeit zu helfen.
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