Brüssel (ec) - Die Europäische Kommission hat heute neue Vorschriften vorgeschlagen, um die größten
Banken und Banken mit besonders komplexer Struktur am riskanten Eigenhandel zu hindern. Zudem würden die Aufsichtsbehörden
durch die neuen Vorschriften dazu befugt, von diesen Banken die Abtrennung potenziell riskanter Handelsgeschäfte
vom Einlagengeschäft zu verlangen, wenn die betreffenden Tätigkeiten die Stabilität des Finanzsystems
gefährden. Ergänzend zu diesem Vorschlag hat die Kommission flankierende Maßnahmen zur Förderung
der Transparenz bestimmter Transaktionen im Schattenbankwesen verabschiedet. Diese ergänzen die bereits eingeleiteten
übergreifenden Reformen zur Stärkung des Finanzsektors in der EU.
Die Kommission hat bei der Ausarbeitung ihrer Vorschläge unterschiedlichen Faktoren Rechnung getragen, darunter
dem äußerst hilfreichen Bericht der hochrangigen Expertengruppe unter dem Vorsitz des Präsidenten
der finnischen Zentralbank, Erkki Liikanen sowie bereits bestehenden nationalen Vorschriften einiger Mitgliedstaaten,
internationalen Ansätzen zu diesem Thema (Rat für Finanzstabilität) und Entwicklungen in anderen
Staaten.
Hierzu der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier: „Die heutigen Vorschläge
sind der letzte Baustein des neu gestalteten Regulierungsrahmens für das europäische Bankenwesen. Die
Vorschriften betreffen die wenigen Großbanken, für die immer noch „too-big-to-fail“ gelten könnte,
d. h. die zu groß sind, um sie in die Insolvenz zu entlassen, deren Rettung zu teuer ist oder die aufgrund
ihrer komplexen Struktur nicht ordnungsgemäß abgewickelt werden können. Die vorgeschlagenen Maßnahmen
werden für größere Finanzstabilität sorgen und sicherstellen, dass nicht letzten Endes die
Steuerzahler für die Fehler von Banken einstehen müssen. Die heutigen Vorschläge schaffen einen
gemeinsamen Rahmen auf EU-Ebene, einen Rahmen, den wir brauchen, um zu verhindern, dass unterschiedliche nationale
Lösungen zu Brüchen in der Bankenunion führen oder das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts
beeinträchtigen. Die Vorschläge sind sorgfältig austariert, um das für Wettbewerbsfähigkeit
und Wachstum so wichtige, gleichzeitig aber so delikate Gleichgewicht zwischen Finanzstabilität und der Schaffung
eines günstigen Umfelds für die Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu wahren“.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten widmen sich seit Beginn der Finanzkrise der Aufgabe, die Regulierung
und Beaufsichtigung der Finanzmärkte von Grund auf neu zu ordnen. Die EU hat Reformen auf den Weg gebracht,
die die Auswirkungen möglicher Insolvenzen von Banken verringern und so ein Finanzsystem schaffen sollen,
das mehr Sicherheit, Robustheit und Transparenz bietet, mehr Verantwortung übernimmt und im Dienste der Wirtschaft
und der Gesellschaft steht. Um die Widerstandsfähigkeit der Banken zu erhöhen und Auswirkungen möglicher
Bankinsolvenzen zu mindern, wurden neue Eigenkapitalanforderungen an Banken und Vorschriften für die Sanierung
und Abwicklung von Banken verabschiedet. Die Bankenunion wurde auf den Weg gebracht, was aber noch nicht heißt,
dass es ausgeschlossen ist, dass es einige EU-Banken gibt, die nach wie vor zu groß sein können, um
sie scheitern zu lassen („too-big-to-fail“) oder sie zu retten („too-big-to-save“), und die aufgrund ihrer komplexen
Struktur nicht abgewickelt werden können („too-complex-to-resolve“). Deshalb sind weitere Maßnahmen
erforderlich, insbesondere eine mögliche strukturelle Abtrennung des risikoträchtigen Handelsgeschäfts
vom Einlagengeschäft. Die heutigen Vorschläge sollen den EU-Bankensektor widerstandsfähiger machen
und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Banken weiterhin Wirtschaft und Wachstum finanzieren.
Der Vorschlag zur Strukturreform der EU-Banken gilt nur für die größten Banken sowie für Banken
mit besonders komplexer Struktur und signifikantem Handelsgeschäft. Der Vorschlag umfasst folgende Elemente:
- Das Verbot des Eigenhandels in Finanzinstrumenten und Waren, d. h. des Handels
für eigene Rechnung zum ausschließlichen Zweck der Gewinnerzielung der Bank. Diese Tätigkeiten
bergen zahlreiche Risiken, ohne den Bankkunden oder der Wirtschaft konkrete Vorteile zu bieten.
- Die Befugnis und in bestimmten Fällen auch die Verpflichtung der Aufsichtsbehörden,
die Übertragung anderer hochsensibler Tätigkeiten (wie Market-Making, Handel mit komplexen Derivaten
und Verbriefungen) auf separate Handelsunternehmen innerhalb der Gruppe zu verlangen. Dadurch soll die Gefahr gebannt
werden, dass Banken das Verbot bestimmter Handelsgeschäfte durch versteckte Eigenhandelsgeschäfte umgehen,
die ein zu hohes Gewicht erhalten oder zu stark gehebelt werden und so die gesamte Bank und das Finanzsystem insgesamt
gefährden können. Die Banken müssen Tätigkeiten nicht abtrennen, wenn sie ihrer Aufsichtsbehörde
gegenüber glaubhaft nachweisen können, dass die entstehenden Risiken auf anderem Wege gemindert werden.
- Bestimmungen über die rechtlichen, wirtschaftlichen und operativen Verbindungen
sowie die Verbindungen im Bereich der Unternehmensführung zwischen dem abgetrennten Handelsunternehmen und
dem Rest der Bankengruppe.
Um Banken daran zu hindern, diese Regeln durch teilweise Auslagerung von Tätigkeiten in den Sektor der weniger
streng regulierten Schattenbanken zu umgehen, muss die strukturelle Abtrennung durch Bestimmungen zur Erhöhung
der Transparenz des Schattenbankwesens flankiert werden. Deshalb ist in dem begleitenden Vorschlag zur Stärkung
der Transparenz eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen, die Regulierungsbehörden und Anlegern ein besseres
Verständnis von Wertpapierfinanzierungsgeschäften ermöglichen sollen. Diese Transaktionen waren
während der Finanzkrise eine Quelle von Ansteckungsgefahren, Hebelgeschäften und prozyklischen Wirkungen.
Diese Vorgänge müssen besser überwacht werden, um die ihrer Nutzung inhärenten systemischen
Risiken einzudämmen.
Hintergrund
Kommissar Barnier kündigte vor dem Hintergrund nationaler Initiativen und angesichts der zunehmenden internationalen
Bedeutung der Frage von Bankenstrukturreformen im November 2011 die Einrichtung einer hochrangigen Expertengruppe
unter dem Vorsitz des Präsidenten der finnischen Zentralbank, Erkki Liikanen, an, die damit beauftragt wurde,
die Notwendigkeit von Strukturreformen im EU-Bankensektor zu prüfen. Die Gruppe legte ihren Bericht im Oktober
2012 vor und empfahl darin eine obligatorische Abtrennung bestimmter hochriskanter Handelsgeschäfte von Banken,
deren Handelstätigkeiten bestimmte Schwellen überschreiten.
Für die Schattenbanken schlug der Rat für Finanzstabilität im Jahr 2013 eine Reihe von Empfehlungen
zur Regulierung des Sektors vor, die auf dem G20-Gipfel in St. Petersburg im September 2013 gebilligt wurden.
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