Brüssel (ec) - Nach einer neuen Studie der Europäischen Kommission über das Zuschauerverhalten
nutzen fast 70 % der Europäer – legal oder illegal – Film-Downloads oder -Streams, ohne dafür zu bezahlen.
Der Studie zufolge sehen außerdem 40 % der Besitzer von Smartphones und mehr als 60 % der Besitzer von Tablets
Filme auf diesen Geräten. Dies sei nicht überraschend, so die Studie, denn trotz des generell großen
Zuschauerinteresses an Filmen ist das nächste Kino oft relativ weit entfernt, und die Auswahl an Kinofilmen
ist häufig ziemlich begrenzt. Deshalb wird angeregt, dass die europäische Filmbranche durch die Nutzung
verschiedener Arten gewinnbringender Online-Plattformen höhere Einnahmen erzielen und damit mehr Filme verfügbar
machen sowie neue Zuschauerkreise erreichen könnte. Die Studie über das Zuschauerverhalten beruht auf
Forschung, Analysen und Befragungen von Zuschauern in 10 Mitgliedstaaten – dem Vereinigten Königreich, Frankreich,
Italien, Spanien, Deutschland, Polen, Kroatien, Rumänien, Litauen und Dänemark. Fast 5000 Menschen im
Alter zwischen 4 und 50 Jahren wurden zu ihren Gewohnheiten und Vorlieben beim Ansehen von Filmen befragt.
„Die Studie bestätigt, dass die europäische Filmbranche ihr Potenzial zur Erschließung neuer Zuschauerkreise
oder zur Nutzung grenzübergreifender Partnerschaften nicht ausschöpft. Wir ermutigen Filmemacher, die
Finanzhilfen aus dem neuen EU-Programm für die Kultur- und Kreativbranche, Kreatives Europa, und insbesondere
aus dem Unterprogramm MEDIA optimal zu nutzen. Dessen Unterstützung für den Filmvertrieb und die Filmentwicklung
kann Filmemachern neue Wege eröffnen, die Europas kulturelle Vielfalt bereichern und den Zugang der Zuschauer
zu qualitativ wertvollen Filmen verbessern werden,“ sagte Androulla Vassiliou, die EU-Kommissarin für Bildung,
Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend.
Das Unterprogramm MEDIA des Programms Kreatives Europa wird in den nächsten sieben Jahren 2000 Kinos und 800
europäische Filme fördern. Der größte Teil der Finanzmittel aus dem Programm MEDIA zielt auf
die Förderung des Vertriebs europäischer Filme außerhalb ihres Herkunftslandes.
Hauptergebnisse der Studie
- 97 % der Europäer sehen sich mindestens gelegentlich Filme an
- Europa produziert mehr als 1000 Filme pro Jahr, doch die meisten werden nur in
ihrem Herkunftsland gesehen, und relativ wenige Filme werden im Ausland gezeigt.
- 68 % der Befragten laden Filme herunter, ohne dafür zu bezahlen, und 55
% sehen sich per Streaming kostenfrei Filme auf ihrem Computer, Tablet oder Smartphone an. Vor allem junge, gebildete,
filmversessene Großstadtbewohner, die an einer Vielfalt von Filmen interessiert, aber von den Kosten und
der begrenzten Titelauswahl des legalen Angebots enttäuscht sind, laden sich kostenlos Filme herunter.
- 14 % der Befragten haben kein Kino in der Nähe, das sie in weniger als 30
Minuten erreichen könnten. Besonders hoch ist diese Zahl in Rumänien (37 %), in Litauen (27 %) und in
Kroatien (16 %).
- Europäische Filme gelten als originell und als Denkanstöße, allerdings
stehen die Zuschauer „langatmigen oder schweren“ Handlungssträngen eher kritisch gegenüber.
- Die meisten Leute wählen den Film erst kurz vor dem Kinobesuch aus; dabei
stellen Trailer das wirksamste Marketinginstrument dar.
- 28 % der europäischen Bürgerinnen und Bürger sehen sich Filme
auf Festivals an.
- Fast 50 % der Befragten haben an Bildungsprogrammen über Filme, beispielsweise
in Schulen, Hochschulen und Filmklubs, teilgenommen.
Die Studie unterscheidet fünf Gruppen von Zuschauerprofilen: „hypervernetzte Filmsüchtige“, „eilige,
unabhängige und wählerische Filmkonsumenten“, „Liebhaber von Mainstream-Publikumsrennern“, „Gelegenheits-Filmkonsumenten“
und „Film-Gleichgültige“. Liebhaber europäischer Filme finden sich überwiegend in den ersten beiden
Gruppen.
Hypervernetzte Filmsüchtige (24 % der Zuschauer europäischer Filme) sind typische Angehörige der
Digital-Natives-Generation, und diese Gruppe umfasst mehr Männer und Jugendliche als die anderen Gruppen.
Sie leben hauptsächlich in Großstädten, sind kulturell und medial hoch engagiert und mit Mediengeräten
gut ausgestattet.
Eilige, unabhängige und wählerische Filmkonsumenten (22 % der Zuschauer europäischer Filme) sind
typischerweise junge berufstätige Erwachsene mit wenigen Kindern oder Kinderlose, Frauen im Alter zwischen
26 und 50 Jahren mit durchschnittlichen Einkommen, mit relativ hohem Bildungsstand und akademischen oder Lehrberufen.
Liebhaber von Mainstream-Publikumsrennern (16 % der Zuschauer europäischer Filme) sehen sich überwiegend
amerikanische Publikumsrenner an. Ihr sozialdemografisches Profil und ihre Medienausstattung sind durchschnittlich.
Sie leben in weniger städtischen Umgebungen und haben weniger Zugang zu Kinos.
Gelegenheits-Filmkonsumenten (21 % der Zuschauer europäischer Filme) sehen weniger Filme und nehmen allgemein
weniger Notiz von Medien und Kultur. Es handelt sich dabei typischerweise um jüngere, auf dem Land oder in
Vororten lebende Schülerinnen oder Studentinnen. Obwohl sie weniger Filme sehen, ist ihr Interesse an europäischen
Filmen relativ hoch.
Film-Gleichgültige (16 % der Zuschauer europäischer Filme) sehen bei weitem die wenigsten Filme und halten
sich im Allgemeinen von den meisten kulturellen Aktivitäten außer Fernsehen und Videospielen fern. Dabei
handelt es sich typischerweise entweder um junge oder ältere, weniger gebildete, ärmere Männer,
die auf dem Land oder in Vororten leben und über die wenigsten Mediengeräte und medialen Dienstleistungen
verfügen. Sie interessieren sich wenig für andere Filme als Action-Filme und Komödien und sehen
sich meist amerikanische Publikumsrenner an.
Hintergrund
Eines der Hauptziele des Programms Kreatives Europa ist es, die Nachfrage nach Filmen zu verstärken, ihren
Vertrieb im Ausland zu verbessern und neue Zuschauerkreise innerhalb und außerhalb Europas zu erschließen.
Die Studie soll politische Entscheidungsträger in ganz Europa dabei unterstützen, die Wirksamkeit ihrer
Kulturpolitik und ihrer kulturellen Initiativen zu erhöhen.
Das Programm Kreatives Europa wurde am 1. Januar eingeleitet und verfügt über Haushaltsmittel in Höhe
von 1,46 Milliarden EUR für die kommenden sieben Jahre. Es baut auf den Erfolgen der Programme Kultur und
MEDIA auf, mit denen die Kultur- und AV-Branche seit mehr als 20 Jahren unterstützt wurde. Das Programm wird
mindestens 56 % seiner Mittel für das Unterprogramm MEDIA aufwenden.
Aus dem Unterprogramm MEDIA werden die Film- und AV-Branchen in der EU bei Entwicklung, Vertrieb und Promotion
ihrer Arbeit gefördert. Außerdem werden Schulungs- und Marktzugangsprogramme finanziert, die auch eine
neue internationale Dimension erlangt haben, indem sie auch Drittstaaten erfassen. MEDIA wird etwa 6 Millionen
EUR pro Jahr bereitstellen, um Innovationen in der AV-Branche zu fördern. Im Rahmen dieses neuen Ziels werden
2014 drei Initiativen zur Förderung der Publikumsentwicklung und der Filmkompetenz, internationaler Koproduktionen
und von Videospielen unterstützt.
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