Insbesondere ein stärkeres Deutschland und kräftigere EWU sollten sich positiv auswirken
und zur lange erwarteten Erhöhung der Inlandsnachfrage beitragen
Wien (ba) - Die Konjunkturerholung in der entwickelten Welt und die damit verbundene, beginnende Normalisierung
der Zinsen stellen für die Region Zentral- und Osteuropa Chancen und Risiken dar. In Zentraleuropa haben sich
erste positive Effekte schon 2013 in Form einer höheren Auslandsnachfrage eingestellt. Dieser Trend
sollte sich heuer, unterstützt durch ein stärkeres Deutschland und eine kräftigere EWU, fortsetzen
und zudem zur lange erwarteten Verbesserung der Inlandsnachfrage führen. Das ist eine der zentralen Aussagen
der neuesten Ausgabe des "CEE Quarterly", das UniCredit Economics & FI/FX Research veröffentlicht.
Dementsprechend haben die UniCredit Analysten die meisten ihrer Prognosen für die jüngeren EU-Mitgliedsländer
nach oben revidiert. Darüber hinaus erscheinen die jüngeren EU-Mitgliedsländer dank der Reformanstrengungen
seit 2008 besser positioniert als andere Schwellenländer, um einen Anstieg der Finanzierungskosten in den
nächsten Quartalen zu bewältigen.
Region profitiert von stärkerer Industrie und gleicht übertriebene Kapitalflüsse aus
Im Gegensatz zum Jahresanfang 2013, als sich die Diskussion über Schwellenmärkte auf das Management der
rekordverdächtigen Portfoliozuflüsse konzentrierte, besteht die wichtigste Herausforderung für diese
Länder zu Beginn 2014 in der Bewältigung von Kapitalabflüssen, insbesondere auch angesichts einer
Normalisierung der Zinsen in der entwickelten Welt. Denn dieser Prozess könnte über mehrere Jahre anhalten.
In der Zwischenzeit ist unklar, in welchem Ausmaß sich die Zuflüsse der Vergangenheit umkehren werden.
Es hängt jedoch von einer Reihe interner und externer Faktoren ab. „Auf Länderebene stellen die zahlreichen
Wahlen in 2014 nicht nur ein Risiko sondern auch eine Chance dar, insofern als dass sie neue Reformkraft
entfesseln könnten“, sagt Gillian Edgeworth, Chef-Ökonomin EEMEA bei UniCredit, „Mit Blick auf CEE stehen
heuer etwa in der Türkei und in Ungarn Wahlen an.“ Auf internationaler Ebene ist die Entscheidung der US-Notenbank,
die schrittweise Reduktion ihrer Anleihenkäufe zu verschieben, ein wertvoller Hinweis auf ihre Absicht eine
plötzliche geldpolitische Straffung zu vermeiden.
Angesichts der Abflüsse von privatem Kapital in den letzten Quartalen ist die Ausdauer institutioneller Investoren
ermutigend. Die UniCredit Analysten sind überzeugt, dass die Kapitalzuflüsse nicht mehr die Raten von
2011 bis Anfang 2013 erreichen werden, stattdessen werden die künftigen Kapitalbewegungen von größerer
Volatilität als in der Vergangenheit charakterisiert sein. Insgesamt dürfte jedoch mit dem 1. Quartal
2014 das Schlimmste in Sachen Kapitalabflüsse überstanden sein, wenn die Märkte die ersten Schritte
der US-Notenbank zur Reduktion der Anleihenankäufe verdaut haben.
Der deutlichste positive Trend, der 2013 in der gesamten Region Zentral- und Osteuropa sichtbar war, ist die Wende
in der Industrieproduktion, die sich auch 2014 fortsetzen soll. In den ersten neun Monaten vergangenen Jahres hat
die industrielle Produktion in Ungarn, Slowakei und in der Türkei um mehr als 10 Prozent annualisiert zugelegt,
in Rumänien und Polen waren es mehr als 8 Prozent. Diese Verbesserung ist teilweise auf ein besonders schwaches
Jahresfinale 2012 zurückzuführen und signalisiert damit, dass das aktuelle Tempo des Industriewachstums
nicht gehalten werden wird können. Basierend auf der Annahme eines weiteren Exportwachstums in Deutschland,
dem eine Konjunkturerholung auch in anderen Ländern der EWU folgen sollte, erwarten die UniCredit Analysten
weitere Zugewinne der Industrie.
EU-Fördermittel könnten Erholung beschleunigen, Bankenunion als politischer Anker
Der Rückgang ausländischer Direktinvestitionen seit 2008 ist in CEE prononcierter ausgefallen als
in anderen Schwellenmärkten, allerdings ist die Region auch von einem höheren Niveau gestartet. In den
Jahren 2011 und 2012 lagen die FDI in CEE nur 0,2 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der Schwellenmärkte.
Weiters haben sich FDI in die Produktion seit 2011 erholt. Ausländische Direktinvestitionen in die Erzeugung
haben in den Jahren 2011 und 2012 mehr als 22 Prozent der gesamten FDI ausgemacht und entsprachen nominell betrachtet
weitgehend dem Durchschnitt der Periode 2004 bis 2008. Die Tschechische Republik, Polen und Serbien sind im Vergleich
zu den Jahren vor der Krise am besten in der Lage FDI in die Produktion anzuziehen, Bulgarien, Kroatien und Litauen
hinken hinterher. Diese regionale Entwicklung wird verstärkt durch die Tatsache, dass Ungarn, Rumänien,
Serbien und die Slowakei von der Inbetriebnahme neuer Fertigungskapazitäten für die Automobilindustrie
profitieren.
„Unter der Annahme eines weiteren BIP-Wachstums in Deutschland, begleitet von Signalen für eine Erholung in
der EWU und einer sanften Verlangsamung in China, sollten wir kontinuierlich steigende FDI in die Produktionssektoren
der gesamten Region sehen“, stellt Gillian Edgeworth fest, „Die Trägheit des Welthandels ist das primäre
Risiko für dieses Szenario.“ Nachdem das EU-Budget 2014-20 und die nächste Förderrunde erst jüngst
verabschiedet wurden, werden diese Mittel voraussichtlich erst zum Jahresende 2014 bzw. Jahresanfang 2015 auch
tatsächlich fließen. Die EU-Förderungen könnten damit dieses Mal die Erholung ankurbeln ebenso
wie sie nach 2008 in manchen Ländern wie Polen oder im Baltikum den Abschwung abgefedert haben.
Neben der Industrie wird das BIP-Wachstum in manchen Ländern auch mehr Unterstützung vom Kreditgeschäft
erhalten. In den jüngeren EU-Mitgliedsländern ist das Kreditwachstum bereits klar unter das Einlagenwachstum
gesunken. Die lokalen Bankensysteme zahlen weiter die Finanzierungen durch ihre Muttergesellschaften zurück,
aber die Bereitschaft der EZB, ein weiteres LTRO-Programm zur Verfügung zu stellen, sollte das Risiko reduzieren,
dass sich diese Entwicklung beschleunigt. Selbst unter der Annahme, dass sich das Kreditwachstum nicht beschleunigt
sondern ab jetzt stabil bleibt, sollte sich die Inlandsnachfrage in der Tschechischen Republik und speziell in
Polen verstärken. Ein positiver Impuls vom Kreditgeschäft wird zudem für Ungarn erwartet, was aber
weitgehend auf das „Funding for Growth“-Programm der lokalen Notenbank zurückzuführen ist.
Generell sollte ein Fortschritt bei der Bankenunion innerhalb der EWU positive Effekte auf jene Länder haben,
deren Bankensysteme zu einem großen Teil in ausländischem Eigentum stehen. 2013 verlief in diesem Zusammenhang
insofern enttäuschend, als das die Pläne für die Bankenunion ohne merkliche Fortschritte bei
der Einbeziehung der jüngeren EU-Mitgliedsländer, die außerhalb der EWU bleiben, weiter vorangetrieben
wurden. Darüber hinaus bestehen weitere Herausforderungen wie etwa die Notwendigkeit für griechische
Banken, sich von Vermögenswerten in der gesamten Region zu trennen, oder der hohe Anteil notleidender
Kredite in manchen Ländern. Unter diesem Aspekt könnten schon kleine Fortschritte bei der Bankenmarktkonsolidierung
in der EWU die Verlustrisiken für CEE reduzieren. Wenn erst einmal der Einheitliche Bankenaufsichtsmechanismus
in der EWU etabliert ist, könnten sich EWU-Mitgliedsländer und EWU-Nichtmitglieder bereit zeigen, neuerlich
über ihre künftige Einbindung zu diskutieren. Auf diese Weise könnte die Bankenunion als der notwendige
politische Anker für die Region Zentral- und Osteuropa fungieren.
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