Wolfgang Brandstetter legt Jahresvorschau der Union für 2014 vor
Wien (pk) - Das Bekenntnis zur Stärkung des wechselseitigen Vertrauens in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten
und der Ansatz der gegenseitigen Anerkennung von Gerichtsentscheidungen bilden auch 2014 die Grundlage der Justizpolitik
der Europäischen Union. Ziel ist dabei, wie der nun vorliegende Bericht des Justizministeriums über die
aktuelle Jahresvorschau bestätigt, die weitere Stärkung der justiziellen Zusammenarbeit der nationalen
Behörden in Zivil- und Strafsachen.
Zu der umfangreichen Liste an Justizvorhaben der Union heißt es im Bericht, das Justizministerium unterstütze
die EU-Prioritäten prinzipiell, es werde aber darauf zu achten sein, dass diese gründlich vorbereitet
werden. Darüber hinaus müsse auch die Kohärenz gewahrt bleiben und eine Verbesserung der Rechtssetzung
und eine Vereinfachung und Beschleunigung angestrebt werden. Als besonders wichtig ist es aus Sicht Österreichs
auch, dass die einzelnen Vorhaben keine finanziellen Mehrkosten verursachen.
Österreich befürwortet geplanten Europäischen Staatsanwalt
Nach wie vor aktuell bleibt der Plan der EU, eine Europäische Staatsanwaltschaft (EStA) einzurichten, deren
Tätigkeitsbereich auf Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union konzentriert werden soll.
Ein entsprechender Ratsvorschlag sieht dabei eine Zuständigkeit der EStA für Untersuchung, Verfolgung
und Anklageerhebung anstelle der nationalen Staatsanwaltschaften vor. Von österreichischer Seite wird die
Idee einer Europäischen Staatsanwaltschaft grundsätzlich begrüßt. Angesichts der Finanzkrise
und der Budgetknappheit müsse es geradezu im Interesse Österreichs als Nettozahlerland liegen, kriminelle
Machenschaften wie Betrug und Korruption zu lasten des EU-Budgets zu verfolgen und die Verantwortlichen zu bestrafen,
heißt es dazu im Bericht.
Österreich kritisiert am aktuellen Vorschlag allerdings, dass die Hauptlast der tatsächlichen Ermittlungstätigkeit
weiterhin bei den nationalen Behörden verbleibt und nach wie vor nationale Verfahrensbestimmungen angewendet
werden. Beanstandet wird zudem auch, dass nicht nur die Führung des Hauptverfahrens, sondern auch die gerichtliche
Kontrolle des Ermittlungsverfahrens auf nationaler Ebene stattfindet. Probleme bereitet Österreich ferner
die anvisierte Personallösung, der zufolge es neben einem kleinen zentralen Büro in jedem Staat ein Büro
mit Staatsanwälten geben soll, die zugleich weiterhin auch ihre Funktion als nationale Staatsanwälte
ausübern.
Klar ist jedenfalls für das Justizministerium die Notwendigkeit eines EU-weit einheitlichen und abgestimmten
Vorgehens und einer gleichwertigen Rechtsdurchsetzung in sämtlichen Mitgliedstaaten. Eine effiziente Strafverfolgung
könne nur durch eine zentrale Steuerung der diesbezüglichen Verfahren erreicht werden. Aus dieser Überlegung
heraus habe Österreich auch keine Subsidiaritätsrüge gegen den Vorschlag erhoben, erklärt der
Bericht.
EU plant Ausbau von Eurojust
Auf dem Tisch liegt auch der Vorschlag für eine Ratsverordnung betreffend die Agentur für justizielle
Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust). Aufgabe dieser Organisation ist die Förderung und Verbesserung der
Koordinierung und der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Justizbehörden bei der Verfolgung schwerer, grenzüberschreitender
Kriminalität in der EU. Österreich unterstützt grundsätzlich den Ausbau von Eurojust, meldet
aber Bedenken bezüglich des vorgesehenen Zusammenspiels mit der EStA an und kritisiert weiters Einschränkungen
des Zuständigkeitsbereichs. Ausdrücklich begrüßt der Bericht hingegen, dass Eurojust von Amts
wegen tätig werden kann und nicht mehr auf ein Ersuchen einer Justizbehörde angewiesen ist.
Verfahrensgarantien für Kinder im Strafprozess
Ein weiterer Punkt aus dem umfangreichen Vorhabenskatalog der EU betrifft Verfahrensgarantien in Strafverfahren
für verdächtige oder beschuldigte Kinder. Die in einem diesbezüglichen Vorschlag zusammengefassten
Bestimmungen schließen teils an strafrechtliche Verfahrensstandards aus anderen Richtlinien an oder gehen
inhaltlich über diese Standards hinaus. Teilweise werden aber auch Rechte vorgesehen, die für Erwachsene
bisher in der EU nicht geregelt sind. Österreich erachtet in diesem Zusammenhang vor allem die Bestimmungen
über das Recht auf individuelle Begutachtungen und medizinische Untersuchungen sowie die Reichweite der Verpflichtung
zur audiovisuellen Aufzeichnung von Vernehmungen als zu weitgehend und sieht Probleme im Verhältnis zur Richtlinie
betreffend das Recht auf Zugang und Unterstützung durch einen Rechtsbeistand. Wie der Bericht überdies
betont, entspricht das österreichische Recht den sonstigen Anforderungen des Vorschlags weitgehend.
Die Jahresvorschau der Union im Strafrechtsbereich enthält ferner u.a. Vorschläge zum strafrechtlichen
Schutz des Euro gegen Geldfälschung, zur gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungen und Einziehungen oder
etwa betreffend Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale und die Strafen im Bereich des illegalen
Drogenhandels. Geplant ist auch eine Teilnahme der Europäischen Union an der Europarats-Gruppe der Staaten
gegen Korruption (GRECO), die von Österreich ausdrücklich unterstützt wird.
Europäisches Kaufrecht: Österreichische Bedenken gegen optionales Rechtsinstrument
Im Zivilrechtsbereich sticht zunächst der Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches
Kaufrecht heraus. Ziel der Kommission ist dabei die Schaffung eines für grenzüberschreitende Verträge
anwendbaren und von den Vertragsparteien wählbaren Rechtsinstruments, das eine in allen Mitgliedstaaten einheitliche
fakultative zweite Regelungsschiene zu den nationalen Rechtsordnungen darstellen soll. Von der Regelung wären
sowohl Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern als auch zwischen Unternehmern und KMUs zu erfassen.
Wie das Justizministerium dazu im Bericht anmerkt, hat Österreich an dem Projekt zwar grundsätzlich Interesse,
bevorzugt aber das Modell einer bloßen "tool box" für den Gemeinschaftsgesetzgeber. Einem
optionalem Regelungsinstrument in Form einer EU-Verordnung steht das Ministerium skeptisch gegenüber.
Ein von den Vertragsparteien wählbares europäisches Kaufrecht begünstige im Ergebnis den jeweils
Stärkeren im Vertragsverhältnis, zumal dieser faktisch die Wahl eines gemeinsamen Kaufrechts gegenüber
seinem Kontrahenten bestimmen könne, argumentiert der Bericht. Für den Verbraucher sei ein optionales
Instrument jedenfalls eine fremde Rechtsordnung und bringe keine Vorteile, während hingegen das Internationale
Privatrecht im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz praktisch immer zum Heimatrecht des Konsumenten führe,
heißt es weiter. Nicht gelten lässt der Bericht auch das Argument, ein optionales Instrument wäre
zur Ankurbelung des grenzüberschreitenden Handels dringend erforderlich. Nicht die unterschiedlichen nationalen
Vertragsrechte, sondern vielmehr Sprachschwierigkeiten, verschiedene Währungen, unterschiedliche kulturelle
Gegebenheiten oder auch die fehlende Vertrautheit mit ausländischen Märkten und die Unsicherheit von
Verbrauchern über die Seriosität eines aus weiter Ferne agierenden Anbieters würden Konsumenten
von einer stärkeren grenzüberschreitenden Nachfrage abhalten, stellt der Bericht dazu fest.
Weitere Vorhaben: Vom Urheberrecht bis zum Ehegüterrecht
Weitere Vorhaben der Europäischen Union auf dem Gebiet des Zivilrechts betreffen etwa Abschlussprüfungen
von Jahresabschlüssen – ein entsprechender Vorschlag stößt auf Skepsis seitens des Justizministeriums
-, die Überarbeitung des EU-Besitzstands im Urheberrecht, ein neues Konzept für scheiternde und insolvente
Unternehmen, aber auch die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Ehegüterrecht sowie im Güterrecht
eingetragener Partnerschaften.
|