Gemeinsame Analyse des Wiener Programms für Frauengesundheit und des KAV
Wien (rk) - Eine optimale Geburtshilfe geht auch mit der Zufriedenheit von Mutter und Vater einher. Dabei
spielt die Betreuung durch alle beteiligten Berufsgruppen während der Schwangerschaft, aber auch nach der
Geburt des Kindes eine wichtige Rolle. Das Wiener Programm für Frauengesundheit der MA 15 -Gesundheitsdienst
der Stadt Wien hat mit dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) eine repräsentative Studie mit 1.829 Frauen
im Wochenbett durchgeführt. Erhoben wurden sowohl psychosoziale Einflussfaktoren auf Geburtsmethoden als auch
das Wissen der Frauen über die vorhandenen Möglichkeiten.
Auch in Österreich gestiegene Sectiorate
Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely zeigt sich über ein zentrales Ergebnis der Studie erfreut: "Dreiviertel
der Frauen, die in Wiener Gemeindespitälern ihr Kind entbinden, sind mit der Betreuung sehr zufrieden."
Ein medizinisch indizierter Kaiserschnitt kann das Leben von Mutter und Kind retten, doch die international steigende
Kaiserschnittrate (Sectiorate) machte sich in den vergangenen Jahren auch in Österreich bemerkbar. "Ziel
der breit angelegten Studie war es, einerseits herauszufinden, was dazu führen könnte, dass Frauen vermehrt
per Kaiserschnitt entbinden", so die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte und Psychologin Beate Wimmer-Puchinger,
"generell stand aber das subjektive Befinden von Frauen im Wochenbett im Fokus." Und die Stadträtin
fügt hinzu, dass "Ansatzpunkte gefunden werden sollten, um die Gesundheit und Zufriedenheit von Frauen
in der Zeit vor und nach der Geburt so gut wie möglich zu fördern".
In Österreich kamen im Jahr 2012 29,4 Prozent der Kinder per Kaiserschnitt zur Welt. Dies liegt über
dem OECD-Durchschnitt von 26,7 Prozent (OECD Health Data, 2013). Österreichweit stieg die Sectiorate seit
dem Jahr 2000 um 12,4 Prozent. In Wien lag sie zuletzt knapp über 30 Prozent (Statistik Austria, 2012).
Risiko- und Einflussfaktoren für ein negatives Geburtserlebnis
Im Rahmen der Studie wurden in den sieben geburtshilflichen Abteilungen des Wiener KAV 1.829 Frauen im Wochenbett
mit mehrsprachigen Fragebögen befragt. Rund ein Viertel der befragten Frauen gab an, große Angst vor
der Geburt gehabt zu haben. Diese Frauen entbanden zu 38% per Sectio. "Deshalb ist es uns wichtig, werdende
Mütter so umfassend wie möglich zu informieren, damit sie selbstbewusst mitreden können, wie sie
ihr Baby im besten Fall auf die Welt bringen wollen", so der Vorstand der gynäkologischen und geburtshilflichen
Abteilung des Krankenhauses Hietzing Paul Sevelda.
Eine zentrale Ursache für die gestiegene Sectiorate konnte nicht gefunden werden. Häufig genannte Faktoren
wie Altersstruktur der Mütter, Bildung oder medizinische Indikationen sind nicht alleine verantwortlich für
den deutlichen Anstieg. Hingegen begründen relative Indikatoren wie ein vorangegangener Kaiserschnitt, eine
ungünstige Kindeslage oder Frühgeburt laut den AutorInnen der vorliegenden Studie die gegenwärtige
Entwicklung. Auch zeigte sich die Geburtsangst der Mutter als kritischer Faktor. Ein Kaiserschnitt bedeutet aber
neben seiner in bestimmten Fällen lebensrettenden Funktion einen zusätzlichen Belastungsfaktor im Wochenbett:
Die Studie zeigte, dass Mütter mit vaginaler Geburt im Durchschnitt nach der Geburt deutlich weniger Schmerzen
haben, sie fühlen sich kraftvoller und stärker als Frauen nach einem Kaiserschnitt. Ob jedoch eine Schnittgeburt
eine Frau auch psychisch belastet, hängt von mehreren Faktoren ab: ihrem sozialen Netz, ihrer finanziellen
Situation sowie ihrem bisherigen Umgang mit kritischen Lebenssituationen. Grundsätzlich wird eine geplante
Sectio besser verkraftet als eine ungeplante. Auch weisen Metaanalysen daraufhin, dass Mütter mit einer Sectio
im Vergleich geringere Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis zeigen, weniger stillten und längere Zeit bis
zum psychologisch wichtigen ersten Mutter-Kind-Kontakt warten mussten.
Laut der internationalen Literatur existieren neben einer Sectio aber auch andere Risikofaktoren für ein negatives
Geburtserlebnis: negative Zusammenarbeit von Mutter und Pflegepersonal, psychologische Probleme in der Vorgeschichte
der Mutter, Kontrollverlust, fehlende Unterstützung des Partners oder der Partnerin oder beispielsweise die
Angst um das eigene oder um das Leben des Kindes
Aus der Studie abgeleitete Handlungsempfehlungen
Die Befragung illustriert, dass Frauen eine natürliche Geburt bevorzugen, wenn keine medizinischen Aspekte
für eine Schnittentbindung sprechen. 84 Prozent der Mütter, die "natürlich" entbunden
haben, würden dies vorbehaltlos einer Freundin empfehlen. Nach einem Kaiserschnitt würden nur 24 Prozent
der Frauen zu diesem Geburtsmodus raten. Lediglich 1,5 Prozent der Befragten wünschen sich dezidiert auch
ohne medizinische Notwendigkeit eine Sectio.
"Aus Erfahrung wissen wir, dass rechtzeitige Information und eine enge Zusammenarbeit zwischen medizinischem,
psychologischem sowie sozialarbeiterischem Personal helfen kann, mögliche spätere Krisensituationen zu
verhindern", so die Frauengesundheitsbeauftragte Wimmer-Puchinger. Aus den Ergebnissen der Studie "Psychosoziale
Einflussfaktoren auf Geburtsmethoden und Zufriedenheit" konnten die ExpertInnen Handlungsempfehlungen ableiten,
die nun interdisziplinär erarbeitet werden. Um über die Kurz- und Langzeitfolgen der verschiedenen Geburtsmodi
genauer zu informieren, entwickelt das Wiener Programm für Frauengesundheit derzeit eine Informationsbroschüre.
Weiters sollen Empfehlungen von Fachgesellschaften zu Indikationen für Sectioentbindung bei Risikokonstellationen
nach dem Vorbild der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe entwickelt werden. Und neben
dem Ausbau einer niederschwelligen Geburtsvorbereitung ist es wichtig, dass die psychische Belastung von Frauen
durch eine Sectioentbindung mehr Berücksichtigung findet.
Zahlreiche Angebote für Frauen in den Gemeindespitälern
Im Sinne einer ganzheitlichen Betreuung bieten die MitarbeiterInnen der geburtshilflichen Abteilungen in den
KAV-Häusern bereits jetzt eine Vielzahl von Leistungen an, die sich an den körperlichen und seelischen
Bedürfnissen von Eltern und Babys orientieren. In den mehrwöchigen Geburtsvorbereitungskursen unter Anleitung
von Hebammen oder Physiotherapeutinnen lernen die werdenden Mütter (und Väter) ihr geburtsbegleitendes
Team kennen, aber auch praktische Übungen zur Entlastung der Wirbelsäule oder zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur.
AnästhesistInnen informieren über die verschiedenen Möglichkeiten der Schmerzlinderung bei der Geburt.
Diplomierte Stillberaterinnen informieren über Vorteile und Möglichkeiten des Stillens. An allen Abteilungen
stehen rund um das Thema Geburt u.a. DiätologInnen, PsychologInnen und SozialarbeiterInnen zur Verfügung.
Letztere beraten und unterstützen, wenn schwangere Frauen in psychische oder soziale Notlagen geraten. Ebenso
kann jede Schwangere in Wien die Angebote der Familienhebammen der MA 15 kostenlos nutzen.
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