OGH-Entscheid zur Auskunftspflicht während des Krankenstandes

 

erstellt am
19. 02. 14
11.30 MEZ

Keine generelle Auskunftspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber während des Krankenstandes
Wien (ogh) - Eine auf die allgemeine Treuepflicht gestützte Auskunftspflicht des Arbeitnehmers während des Krankenstandes kommt nur unter ganz besonderen Voraussetzungen in Betracht.

Im konkreten Fall verneinte der Oberste Gerichtshof die Rechtfertigung der Entlassung einer Sekretärin, die sich geweigert hatte, ihrem Vorgesetzten während des Krankenstandes für Auskünfte zur Verfügung zu stehen, und stellte dazu Folgendes klar:

Es kann zwar nicht generell ausgeschlossen werden, dass Angestellte während des Krankenstandes für die Bekanntgabe unbedingt erforderlicher Informationen, deren Vorenthaltung zu einem wirtschaftlichen Schaden des Arbeitgebers führen würde, in einem Ausmaß - etwa telefonisch - zur Verfügung stehen, das ihren Genesungsprozess nicht beeinträchtigt.

Eine derartige Auskunft kam hier aber schon deshalb nicht in Betracht, weil feststeht, dass der Arbeitnehmerin der persönliche Kontakt mit ihrem Vorgesetzten aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar war.

Dazu kam, dass der Klägerin weder mitgeteilt wurde, um welche konkreten Informationen es sich handelt, noch warum diese nicht anders beschafft werden können und inwieweit daraus ein schwerer wirtschaftlicher Schaden für den Arbeitgeber entstehen könnte. Der Beklagten ist daher der Nachweis eines von der Klägerin verschuldeten Entlassungsgrundes nicht gelungen.


 

Kaske: Wer krank ist, ist krank und soll gesund werden. Das gilt!
Wien (ak) - "Aus Sicht der AK ist das OGH Urteil zur Erreichbarkeit im Krankenstand ein Erfolg für die ArbeitnehmerInnen", sagt AK Präsident Rudi Kaske, "es hält klipp und klar fest, dass wer krank ist, in aller Regel natürlich nicht für den Chef erreichbar sein muss. Und es hält vor allem fest, dass die Nichterreichbarkeit kein Entlassungsgrund ist." Dass ein Arbeitgeber einen kranken Mitarbeiter kontaktieren muss, wenn nur dadurch erheblicher Schaden vermieden werden kann, kann es in Ausnahmefällen natürlich geben. "Der sprichwörtliche Fuß in der Tür zu einer ständigen Erreichbarkeit ist das nicht. Das steht in diesem Urteil nicht drinnen und kann auch nicht hinein interpretiert werden. Schön wäre es, wenn sich die Arbeitgeber auch an das OGH-Urteil halten würden", sagt Kaske, "leider zeigt uns die kürzlich erstellte AK-Krankenstands-Befragung aber, dass kranke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer offenbar auch wegen Banalitäten im Krankenstand behelligt werden." Rund 46 Prozent der ArbeitnehmerInnen gaben an, schon einmal von ihrem derzeitigen Arbeitgeber im Krankenstand kontaktiert worden zu sein.


 

Mikl-Leitner: Krank am Arbeitsplatz bringt mehr Schaden als Nutzen
Wien (öaab) - Das jüngste Urteil des OGH zur Frage, ob und inwieweit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Krankenstand ihrem Arbeitgeber zur Verfügung stehen bzw. erreichbar sein müssen, zeigt für ÖAAB-Bundesobfrau und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner dringenden Handlungsbedarf.

"Aufgrund der geänderten Arbeitswelt sind die Sozialpartner gefordert, neue Regelungen aufzustellen, wann und in welchem Ausmaß eine Kontaktaufnahme zumutbar ist", fordert Mikl-Leitner. "Der Druck, der auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern lastet, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Immer mehr Menschen gehen aufgrund psychischer Belastung in den Krankenstand. Wenn jemand krank ist, muss er auch die Möglichkeit haben, wieder gesund zu werden und darf nicht vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt werden. E-Mail und SMS müssen auch mal ausgeschaltet werden, um abzuschalten."

Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, dass Mitarbeiter, die krank am Arbeitsplatz erscheinen, sich nicht nur selbst gefährden, sondern auch dem Unternehmen schaden. "Ein kranker Arbeitnehmer am Arbeitsplatz kostet zweimal mehr als ein Mitarbeiter, der krank zuhause das Bett hütet", so Mikl-Leitner abschließend.


 

 Katzian: OGH-Urteil ist natürlich kein Freibrief für dienstliche Telefonate im Krankenstand
Frage der Erreichbarkeit in vielen Unternehmen durch Betriebsvereinbarungen längst geklärt
Wien (ögb) - "Wer krank ist, muss natürlich nicht für den Chef ständig erreichbar sein, wie das einige vorschnelle Reaktionen auf ein aktuelles OGH-Urteil interpretieren. Davon ist im Spruch der Höchstrichter auch nicht die Rede: Der OGH vertritt die Meinung, dass Arbeitnehmer erreichbar sein müssen, wenn es um unbedingt erforderliche Informationen geht, deren Vorenthaltung zu einem wirtschaftlichen Schaden des Arbeitgebers führen würde, in einem Ausmaß - etwa telefonisch -, das ihren Genesungsprozess nicht beeinträchtigt, so die Formulierung. Davon sind nur sehr wenig ArbeitnehmerInnen in gehobenen Positionen betroffen. Wer immer dieses Urteil als Freibrief dafür versteht, ArbeitnehmerInnen im Krankenstand zu kontaktieren, der hat es offensichtlich falsch verstanden!", kommentiert Wolfgang Katzian, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp).

Er setze auf die Verantwortung der Arbeitgeber, diese Angelegenheit vernünftig zu behandeln und ArbeitnehmerInnen im Krankenstand nicht unnötig zu kontaktieren, so Katzian weiter. Vor allem in größeren Unternehmen sei die Frage der generellen Erreichbarkeit ohnehin durch Betriebsvereinbarungen geklärt: "In diesem Sinne sind auch die zahlreichen rechtlichen Empfehlungen, im Zweifelsfall das Handy abzuheben, wenn der Chef anruft, beziehungsweise seine Mails zu beantworten, hinfällig. Dienstliche Telefonate im Krankenstand werden daher weiterhin die Ausnahme bleiben, für rechtlichen Rat stehen die GPA-djp Regionalgeschäftsstellen gerne zur Verfügung", so Katzian abschließend.

     

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