30 Bürgermeister fordern klare EU-Rechtsgrundlage für sozialen Wohnbau
Brüssel/Wien (rk) - Am 17.02. fand in Brüssel ein Gipfeltreffen der EU-Hauptstadtbürger-
meisterInnen mit Präsident Barroso und Kommissar Hahn statt, zu dem auch Bürgermeister Michael Häupl
und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig anreisten. Das Treffen wurde unmittelbar vor der Konferenz "Cities of Tomorrow"
der Europäischen Kommission organisiert, bei der es zwei Tage lang ganz grundsätzlich um die Frage der
künftigen EU-Städtepolitik geht. Dazu zählen auch die erforderlichen Rahmenbedingungen für
wachsende Städte in wirtschaftlich schwierigen Zeiten - und wie Städte, in denen rund 80 Prozent der
europäischen Bevölkerung leben, besser gehört werden können. "Das Thema des sozialen Wohnbaus
spielt dabei eine zentrale Rolle", so Bürgermeister Häupl bei einem Mediengespräch mit den
Bürgermeistern von Bratislava, Laibach, Nantes, Zagreb und Rom heute in Brüssel. Häupl weiter: "Immerhin
ermöglicht er uns eine geordnete Stadtentwicklung und vermeidet so Spekulation und ermöglicht soziale
Durchmischung. Damit ist er eine wichtige Grundlage der Lebensqualität der Wienerinnen und Wiener."
Attacken gegen den sozialen Wohnbau bereits in Schweden, den Niederlanden und Frankreich
"Im EU-Beihilfenrecht wird der soziale Wohnbau auf eine klar definierte Zielgruppe von benachteiligten
Bürgern und sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen eingeschränkt. Das ist falsch. Denn so ist
eine soziale Durchmischung nicht mehr möglich," so der Wiener Bürgermeister. Diese Rechtsgrundlage
hat in den letzten Jahren zu Klagen gegen die Wohnbauförderungssysteme einiger Mitgliedstaaten geführt,
etwa in Schweden, den Niederlanden und Frankreich. Die Folgen waren schwerwiegend: In Schweden bewirkte die Klage
bei der Kommission, dass es einerseits mit günstigen Krediten aus ist und der Mietpreis nun in einem breiteren
Rahmen bestimmt werden muss. Dies hatte keinen unmittelbaren Einfluss auf die bestehenden Mieten, zeichnet aber
eine steigende Tendenz der Mieten für die Zukunft. In den Niederlanden wieder führte eine ähnliche
Beschwerde dazu, dass nach einer erzwungenen Senkung der Einkommensgrenzen 650.000 Haushalte den Anspruch auf sozialen
Wohnraum verloren und nun auf den privaten Wohnungsmarkt mit empfindlich höheren Mieten angewiesen sind. Frankreich
hatte bereits zwei Klagen zu verzeichnen, die sich ebenfalls gegen die Einkommensgrenzen richteten.
Resolution für den sozialen Wohnbau mit breitem Konsens
Vergangenes Jahr startete daher Bürgermeister Michael Häupl die Initiative zur "Erhaltung und
den Ausbau eines sozialen und nachhaltigen Wohnbaus in Europa". Diese Resolution wurde bisher von 30 BürgermeisterInnen
europäischer Städte unterschiedlicher Parteizugehörigkeit unterzeichnet. Städtebund-Präsident,
Bürgermeister Michael Häupl will sie "als sachlich demokratische Initiative, abseits von Parteigrenzen
und bei aller Befürwortung der Europäischen Union" verstanden wissen. Häupl: "Wir wollen
keine soziale Segregation, sondern soziale Durchmischung. Alle Verantwortlichen sollten daran interessiert sein,
dass es in ganz Europa für alle Menschen leistbare Wohnungen gibt." Ihm sei auch bewusst: "Die Lebensqualität
zu erhalten und zu steigern, genügend Platz und Grünraum bereit zu stellen und das bei wachsenden Bevölkerungszahlen
ist der größte Drahtseilakt der Zukunft."
Und gerade hier habe der Wohnbau eine ganz zentrale Rolle, wie der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig betont:
"Der geförderte Wohnbau ist der Motor der Stadtentwicklung. Er bildet insbesondere in Wien, das weltweit
als die Wiege das Vorzeigebeispiel des sozialen Wohnbaus gilt, das tragende Fundament für eine funktionierende
Stadt und eine wesentliche Säule des sozialen Zusammenhalts." Rund 60 Prozent der Wiener Bevölkerung
leben derzeit in Wohnungen des gemeindeeigenen beziehungsweise des geförderten Bereiches. Dies wirke stark
preisdämpfend auf den gesamten Wohnungsmarkt. Gleichzeitig investiere Wien auf konstant hohem Niveau in den
geförderten Wohnungsneubau und stelle so sicher, dass für alle Bevölkerungsschichten erschwinglicher
Wohnraum zur Verfügung stehe, erklärte Ludwig: "Mit diesem gemeinsamen, europaweiten Schulterschluss
machen wir uns für ein soziales und verantwortungsvolles Europa stark. Wir stellen uns entschieden gegen neoliberale
Lobbyisten, deren Ziel ausschließlich die persönliche Gewinnmaximierung ist. Wir treten für ein
soziales Europa ein. Dazu gehört auch gutes und bezahlbares Wohnen."
Rechtsgrundlage der EU für sozialen Wohnbau ändern
Neben Wien haben sich zum Beispiel auch die Stadtoberhäupter von Amsterdam, Berlin, Den Haag, Dublin,
Kopenhagen, Lissabon, Nantes, Paris, Rom und Zagreb für den Erhalt des sozialen Wohnbaus in Europa ausgesprochen.
Sie und ihre AmtskollegInnen weiterer europäischer Städte fordern mit der verabschiedeten Resolution
die Europäische Kommission auf, "die Definition des sozialen Wohnbaus sowie die Entscheidung über
die Form der Bereitstellung den Mitgliedstaaten und ihren Gebietskörperschaften zu überlassen".
Für die Mitgliedstaaten sei es unabdingbar, die Kriterien für den sozialen Wohnbau im Sinne des Subsidiaritätsprinzips
selbst festlegen zu können. Nur so könne auf regionale Bedingungen und Entwicklungen reagiert werden.
"Wenn heute in Brüssel zwei Tage lang darüber geredet wird, wie Städte in der EU besser gehört
werden können, ist der soziale Wohnbau der erste Testfall", so Häupl. Denn bisher habe die Europäische
Kommission auf die Resolution nur durch Wiederholung der bekannten Bestimmungen reagiert, "das ist nicht befriedigend"
so der Wiener Bürgermeister. Er habe daher vorgeschlagen, im Herbst ein hochrangiges Expertenseminar zum Beihilfenrecht
und seinen Auswirkungen auf den sozialen Wohnbau abzuhalten.
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